Familie Dr. Norden Classic 40 – Arztroman. Patricia Vandenberg

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Название Familie Dr. Norden Classic 40 – Arztroman
Автор произведения Patricia Vandenberg
Жанр Языкознание
Серия Familie Dr. Norden Classic
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740963453



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ihn sprach, daß er Melissa nicht geholfen hatte, daß er nicht den Notarzt verständigte, daß er sie einfach liegenließ, weil Simone ihn dazu überredete.

      Es war ihm nicht gesagt worden, wer Erst Hilfe geleistet hatte. Inspektor Scholtz hatte sich sehr reserviert gehalten, das war Till auch aufgefallen. Er war nicht gewissenlos, nur besorgt um seine Existenz. Er war Simone ausgeliefert, denn ihm war längst klar, daß sie skrupellos ihre eigenen Ziele verfolgte.

      Er konnte nicht schlafen, stand auf und trank einen doppelten Whisky, aber ihm wurde erst recht schlecht. Schließlich war er froh, als die Nacht zu Ende war, aber er mußte sich gedulden, bis es soweit war, daß er das Ehepaar Vollmer anrufen konnte.

      Er mußte das reiflich überlegen, jedes Wort, das er sagte, denn er konnte nicht einfach so tun, als wüßte er nichts von diesem Zwischenfall, nachdem er von Scholtz unterrichtet worden war. Er konnte allerdings auch nicht ahnen, daß der Inspektor bereits um neun Uhr ein Gespräch mit Uschi und Frank Vollmer hatte.

      Sie hatten schlecht geschlafen, was nicht verwunderlich war. Frank hatte früh bei der Polizei angerufen, daß er auch wissen wollte, was mit Melissas Auto und ihren Sachen, die sich darin befanden, geschehen war. Er wurde an Inspektor Scholtz verwiesen, und der bat um ein persönliches Gespräch. Ihnen war es nur recht, daß es schon früh stattfinden sollte, denn sie wollten bald wieder in der Klinik sein.

      Sie erfuhren von Inspektor Scholtz, daß der Wagen mit seinem Inhalt sichergestellt wurde und noch auf Fingerabdrücke untersucht werden sollte. Er sagte ihnen auch, daß der Mann, der Melissa gefunden hatte, Kai Erlander hieß und im selben Hochhaus wohnte wie Till Herder.

      »Haben Sie mit ihm gesprochen?« fragte Frank Vollmer.

      »Das werde ich nach dem Gespräch mit Ihnen tun. Aber ich habe gestern abend noch Herrn Herder gesprochen. Er behauptet, den ganzen Abend unterwegs und nicht mit Ihrer Tochter verabredet gewesen zu sein. Er machte einen ziemlich verwirrten Eindruck, hatte aber auch anscheinend einiges getrunken.«

      »Er hatte sich noch nicht bei uns gemeldet, allerdings sind wir über diese Verbindung auch nicht so ganz glücklich und haben uns reserviert verhalten«, erklärte Frank.

      »Aus der Afrikareise wird nun ja nichts«, warf Uschi ein. »Wir möchten uns gern bei Herrn Erlander bedanken, daß er Melissa geholfen hat. Wären Sie so freundlich, uns seine Adresse zu geben?«

      »Ich werde mit ihm sprechen und ihm sagen, daß er sich mit Ihnen in Verbindung setzen soll.«

      Uschi und Frank Vollmer fuhren zum Klinikum, nachdem sich Inspektor Scholtz verabschiedet hatte, und er fuhr zu seiner Verabredung mit Kai Erlander. Da sollte er allerdings ein paar Einzelheiten erfahren, die sehr interessant waren.

      Kai Erlander war trotz seiner erst dreißig Lebensjahre eine Persönlichkeit, wie Inspektor Scholtz feststellen konnte.

      Er beeindruckte durch seine Ruhe und Sachlichkeit, redete nicht lange herum, sondern erklärte unmißverständlich, was er zu sagen hatte.

      »Da ich im selben Haus wohne, kenne ich Herder vom Sehen, wir haben auch schon mal ein paar Worte gewechselt. Ich habe ihn erkannt, als er mit der jungen Dame sprach. Er war nicht allein, sondern war mit einer anderen Frau aus dem Haus gekommen.«

      »Von wo aus konnten Sie das sehen?« fragte Inspektor Scholtz.

      »Von meinem Wagen aus. Es ist ein Kombiwagen, und ich war vollbeladen gekommen. Eine Großtante von mir ist kürzlich gestorben und hat mir ein paar schöne, antike Kleinmöbel hinterlassen, die hatte ich abgeholt.«

      »Sie hörten also einen Streit?«

      »Es war ein erregter Wortwechsel, deutlich zu verstehen war er nicht. Erst als sich Herder mit seiner Begleiterin entfernte, hörte ich, daß sie ihn bedrängte, schnell wegzufahren. Sein Auto stand nicht weit von meinem Parkplatz. Ich hatte schon gefürchtet, daß sie mich gesehen hätten, aber das war wohl nicht der Fall. Sie sagte, daß jemand sie schon finden würde, und das machte mich stutzig. Als sie abgefahren waren, zwang mich eine Eingebung, zu der Stelle zu gehen, an der ich die junge Dame dann tatsächlich fand. Ich habe sofort den Notarzt verständigt. Später habe ich darüber nachgedacht, warum Herder nichts dergleichen unternahm, das wäre doch seine Pflicht gewesen. Ich erkannte in der Verletzten jene junge Dame, mit der ich ihn früher schon mal gesehen hatte. Ihren Namen wußte ich allerdings nicht.«

      »Melissa Vollmers Eltern möchten sich gern persönlich bei Ihnen bedanken, daß Sie ihrer Tochter geholfen haben. Es dürfte für das Ehepaar auch interessant sein zu erfahren, was Sie beobachtet haben, da Herr Herder so gut wie verlobt war mit ihrer Tochter.«

      »Ich rede nicht gern darüber, aber von Treue scheint er nicht viel zu halten«, sagte Kai spöttisch, »und ich glaube, daß sie ihn deswegen zur Rede gestellt hatte, während die andere sich darüber ausließ, daß es ihn seine Stellung kosten könne, wenn er nicht schnell verschwinden würde.«

      »Es ist gut, daß wir wenigstens einen Zeugen haben«, sagte Inspektor Scholtz. »Es hätte für die junge Dame auch schlimmer ausgehen können.«

      »Was hat der Arzt feststellen können?« fragte Kai.

      »Eine Gehirnerschütterung und Prellungen, vor allem aber ein traumatischer Schock.«

      Kai sah ihn mit einem seltsam nachdenklichen Ausdruck an. »Sie könnte eine große Enttäuschung erlebt haben«, sagte er gedankenverloren.

      »Sind Sie Psychologe?« fragte Inspektor Scholtz.

      »Nein, das nicht, aber ich bin Personalchef bei ACRA und da braucht man Menschenkenntnis und Intuition. Haben Sie schon mit Herder gesprochen?«

      »Nein, er ist zur Zeit nicht erreichbar.«

      »Ich habe keine Gespenster gesehen«, sagte Kai mit fester Stimme.

      »Ich darf auf Sie zurückkommen?«

      »Selbstverständlich.«

      Inspektor Scholz dachte sich sein Teil. Da wohnten zwei Männer im gleichen Haus, die sich aber nur flüchtig kannten und allem Anschein nach sehr unterschiedlichen Charakters waren. Jedenfalls schien es Herder mit der Treue nicht genau zu nehmen, und Kai Erlander war ein Mann mit Verantwortungsbewußtsein. Wenn er nicht so reagiert hätte, hätte es für Melissa Vollmer schlimme Folgen haben können.

      *

      Simone machte sich darüber keine Gedanken, während Till Herder immer noch nicht wußte, wie er sich aus der Affäre ziehen sollte. Er mied seine Wohnung, wollte den Schein aufrecht erhalten, daß er ein paar Tage nicht anwesend sei, hatte sich in einer kleinen Pension außerhalb der Stadt ein Zimmer gemietet, und auch Simone nicht verraten, wo er sich aufhielt.

      Sie war wütend, hatte sie doch gedacht, ihn ganz unter ihren Einfluß zu bringen. Sie hatte große Pläne mit ihm. An dem Mann war sie nicht interessiert, denn Männer waren für sie auch nur wichtig, wenn sie ihr nützlich sein konnten. Bei Till spielte es vor allem eine Rolle, daß er Pilot war, denn sie brauchte einen für gewisse Unternehmungen, und dann war es ihr auch eine Genugtuung, daß sie Melissa eine Niederlage hatte bereiten können. Melissa war ihr schon lange ein Dorn im Auge, und lange genug hatte sie ihr Freundschaft geheuchelt.

      Melissa besaß alles, was sie so gern besitzen wollte. Ihre Eltern spielten eine Rolle in der Gesellschaft, waren vermögend und angesehen und Melissa hatte einen Freundeskreis, an den Simone nie Anschluß gefunden hatte. Sie war immer eine Außenseiterin geblieben, obgleich sie immer und überall betonte, Melissas beste Freundin zu sein. Aber da war auch noch Andrea Schweiger, die sich ihr gegenüber so betont reserviert verhielt, daß es auffallen mußte, und Andrea war diejenige, deren Meinung in allen Situationen sehr gefragt war, zum großen Ärger von Simone, die aber bei Andrea gar nichts erreichen konnte.

      Andrea erfuhr von Manuela Lindenhoff, was Melissa widerfahren war.

      Sie wunderte sich, als er sagte, daß sie öfter von Melissa gesprochen hätte.

      »Warum fängst du jetzt davon an, Manuela. Sie ist mit einem Mann zusammen, den ich nicht ausstehen kann. Ich habe sie wirklich gemocht,