Krieg und Frieden. Лев Толстой

Читать онлайн.
Название Krieg und Frieden
Автор произведения Лев Толстой
Жанр Языкознание
Серия Große verfilmte Geschichten
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783955011987



Скачать книгу

des Ruhmes, würde sie alle hingeben, wenn ich dafür Menschen beherrschen und von Menschen geliebt werden könnte, die ich nicht kenne und nie kennenlernen werde, von Menschen geliebt werden könnte, wie diese hier«, dachte er, indem er nach einem Gespräch hinhorchte, das auf dem Hof von Kutusows Quartier geführt wurde.

      Die Redenden waren Burschen und Diener Kutusows, die mit Einpacken beschäftigt waren. Einer von ihnen, wohl ein Kutscher oder Reitknecht, neckte den alten, dem Fürsten Andrei wohlbekannten Koch Kutusows, namens Tit, und sagte:

      »Tit, he, Tit!«

      »Was ist?« antwortete der Alte.

      »Tit, Tit, Tit! Hast du Appetit, tit, tit?« sagte der Spaßmacher.

      »Hol dich der Teufel!« rief der Gefoppte, dessen Stimme aber von dem Gelächter der Burschen und Diener fast übertönt wurde.

      »Und doch ist das Ziel meiner Wünsche und meines Strebens nur die Herrschaft über all diese Menschen, und als das einzig Wertvolle erscheint mir die Macht und der Ruhm, die geheimnisvoll hier in diesem Nebel über meinem Haupt schweben.«

      XIII

      Rostow stand in dieser Nacht mit einem Beritt in der Vorpostenkette vor der Abteilung Bagrations. Seine Husaren waren paarweise auf einer ziemlich langen Linie verteilt; er selbst ritt an dieser Linie entlang, bemüht, den Schlaf von sich abzuwehren, dem er kaum mehr widerstehen konnte. Hinter sich erblickte er, über einen gewaltigen Raum ausgedehnt, die Lagerfeuer unseres Heeres, deren Glutschein im Nebel nur undeutlich zu sehen war; vor ihm lag neblige Dunkelheit. Soviel auch Rostow in diese neblige Ferne hineinspähte, er sah nichts: bald schien da etwas Graues oder Schwarzes vorhanden zu sein, bald schienen da, wo der Feind sein mußte, Lichter aufzublitzen, bald wieder meinte er, daß das alles nur ein Flimmern in seinen Augen sei. Mitunter fielen ihm die Augen zu, und dann führte ihm seine Einbildungskraft bald den Kaiser vor, bald Denisow, bald Moskauer Erinnerungen, und schnell riß er die Augen wieder auf und erblickte nahe vor sich den Kopf und die Ohren des Pferdes, auf dem er saß, und manchmal die schwarzen Gestalten seiner Husaren, wenn er auf sechs Schritt an sie herangekommen war, und in der Ferne immer dieselbe neblige Dunkelheit. »Warum nicht?« sagte Rostow, mit halbgeschlossenen Augen phantastische Gedanken ausspinnend, zu sich selbst. »Leicht möglich, daß der Kaiser, wenn er mich trifft, mir einen Auftrag gibt, wie er es ja auch bei andern Offizieren öfters tut. Er wird zum Beispiel sagen: ›Reite mal hin und bringe in Erfahrung, was da los ist.‹ Es gibt viele Geschichten darüber, wie er auf diese Weise ganz zufällig irgendeinen Offizier kennengelernt und ihn dann in seine Nähe gezogen hat. Wie, wenn er so auch mich in seine Nähe zöge! Oh, wie wollte ich ihn behüten und ihm die reine Wahrheit sagen und alle, die ihn zu betrügen suchen, entlarven!« Und um sich seine Liebe und Treue gegen den Kaiser recht lebhaft zu vergegenwärtigen, stellte sich Rostow einen Feind oder einen betrügerischen Deutschen vor, den er mit Hochgenuß nicht nur tötete, sondern auch vor den Augen des Kaisers ohrfeigte. Plötzlich schreckte ein fernes Geschrei Rostow aus seinem Halbschlaf auf. Er fuhr zusammen und öffnete die Augen.

      »Wo bin ich? Ja, bei den Vorposten; Losung und Parole: Deichsel, Olmütz. Wie ärgerlich, daß unsere Eskadron morgen in der Reserve bleibt!« dachte er. »Ich will bitten, mich am Kampf teilnehmen zu lassen. Das ist vielleicht für mich die einzige Möglichkeit, den Kaiser zu sehen. Jetzt wird es nicht mehr lange hin sein bis zur Ablösung. Ich will noch einmal entlangreiten, und wenn ich zurückkomme, will ich zum General gehen und ihm meine Bitte vorlegen.« Er setzte sich auf dem Sattel zurecht und trieb sein Pferd an, um noch einmal seine Husaren zu revidieren. Es kam ihm vor, als ob es heller geworden wäre. Zur Linken war ein vom Monde beschienener sanfter Abhang und ein ihm gegenüberliegender schwarzer Hügel zu sehen, der steil wie eine Wand erschien. Auf diesem Hügel war ein weißer Fleck, aus welchem Rostow nicht recht klug werden konnte: war es eine vom Mond beschienene Lichtung im Wald oder liegengebliebener Schnee oder weiße Häuser? Es wollte ihm sogar scheinen, als ob sich auf diesem weißen Fleck etwas bewegte. »Wahrscheinlich ist es Schnee, dieser Fleck; ein Fleck, une tache ... tache ... tache ... Natascha ... Natascha, meine Schwester, mit den schwarzen Augen. Die liebe Natascha. (Die wird sich wundern, wenn ich ihr erzähle, daß ich den Kaiser gesehen habe!) Natascha ... Die Tasche, da nimm die Säbeltasche ...« – »Bitte, mehr rechts, Euer Wohlgeboren; sonst geraten Sie ins Gebüsch«, sagte die Stimme eines Husaren, neben dem der im Einschlafen begriffene Rostow vorbeiritt. Rostow hob den Kopf in die Höhe, der ihm schon bis auf die Mähne des Pferdes hinabgesunken war, und hielt vor dem Husaren an. Der Schlaf überkam ihn unwiderstehlich, wie man es bei kleinen Kindern sieht. »Ja, ja, woran dachte ich doch noch? Das möchte ich nicht vergessen. Wie ich mit dem Kaiser reden werde? Nein, das war es nicht; das kommt erst morgen. Ja, ja! Auf die Tasche treten, darüber fallen ... überfallen, uns überfallen, wen? Die Husaren. Husaren und Schnurrbärte ... Bei uns in Moskau in der Twerskaja-Straße, da ritt so ein Husar mit einem Schnurrbart; ich habe noch neulich an ihn gedacht, gerade gegenüber dem Gurjewschen Haus ... Der alte Gurjew ... Ja, Denisow ist doch ein prächtiger Mensch! Aber das alles sind ja Kleinigkeiten. Die Hauptsache ist jetzt, daß der Kaiser hier ist. Wie er mich ansah; er wollte etwas sagen, aber er wagte es nicht ... Nein, der es nicht wagte, das war ich. Aber das ist Unsinn; die Hauptsache ist: ich darf nicht vergessen, was ich Wichtiges gedacht habe, ja. Auf die Tasche, darüber fallen, uns überfallen, ja, ja, ja. So ist's in Ordnung.« Er fiel wieder mit dem Kopf auf den Hals des Pferdes. Plötzlich schien es ihm, als würde auf ihn geschossen. »Was ist das? Was ist das ...? Einhauen! Was ist das ...?« rief Rostow, zu sich kommend. In dem Augenblick, wo er die Augen öffnete, hörte er vor sich, dort, wo der Feind stand, ein langgezogenes, tausendstimmiges Geschrei. Sein eigenes Pferd und das des Posten stehenden Husaren, neben dem er noch immer hielt, spitzten bei diesem Geschrei die Ohren. An der Stelle, von der das Geschrei herübertönte, leuchtete ein Lichtschein auf und erlosch wieder, dann ein zweiter, und in der ganzen Linie der französischen Truppen auf dem Berg flammten Feuer auf, und das Geschrei wurde immer stärker und stärker. Rostow hörte den Klang französischer Worte, konnte sie aber nicht verstehen. Es tönten zu viele Stimmen durcheinander. Man hörte nur: aaaa! und rrrr!

      »Was ist das? Was meinst du dazu?« wandte sich Rostow an den neben ihm haltenden Husaren. »Das ist doch beim Feind?«

      Der Husar gab keine Antwort.

      »Na, hörst du es denn etwa nicht?« fragte Rostow wieder, nachdem er ziemlich lange auf eine Antwort gewartet hatte.

      »Wer kann wissen, was das ist, Euer Wohlgeboren?« antwortete der Husar endlich gezwungen.

      »Nach der Gegend zu urteilen, muß es wohl der Feind sein?« setzte Rostow seine Fragen fort.

      »Vielleicht ist er's, vielleicht auch nicht«, sagte der Husar. »Bei Nacht ist das so eine Sache ... Na! Ruhig!« rief er seinem Pferd zu, das sich unter ihm regte.

      Rostows Pferd wurde gleichfalls unruhig, schlug mit dem Huf gegen die gefrorene Erde, horchte auf die Töne und blickte nach den Feuern. Das Geschrei der vielen Stimmen wuchs immer stärker an und floß in ein allgemeines Gebrause zusammen, wie es nur ein Heer von vielen tausend Köpfen hervorbringen konnte. Die Feuer verbreiteten sich immer weiter und weiter, wahrscheinlich an der ganzen Linie des französischen Lagers entlang. Rostows Schläfrigkeit war verschwunden. Das frohe, triumphierende Geschrei im feindlichen Heer machte ihn wach und munter. »Vive l'empereur, l'empereur!« konnte Rostow jetzt deutlich hören.

      »Es kann nicht weit sein, wahrscheinlich gleich jenseits des Baches«, sagte er zu dem Husaren.

      Der Husar seufzte nur, antwortete nichts und räusperte sich verdrießlich. Längs der Vorpostenlinie der Husaren war ein herantrabender Reiter zu hören, und aus dem nächtlichen Nebel hob sich plötzlich, einen Augenblick lang einem gewaltigen Elefanten gleich, die Gestalt eines Husarenunteroffiziers heraus.

      »Euer Wohlgeboren, die Generale!« sagte der Unteroffizier zu Rostow heranreitend. Rostow ritt mit dem Unteroffizier, indem er sich dabei immer noch nach den Feuern und dem Geschrei umsah, einer Anzahl von Reitern entgegen, die an der Vorpostenkette entlanggeritten kamen. Einer ritt auf einem Schimmel. Es waren Fürst Bagration und Fürst Dolgorukow nebst ihren Adjutanten; sie waren ausgeritten, um nach dieser seltsamen Erscheinung im feindlichen Lager, den Feuern und dem Geschrei, Ausschau