Название | Philosophische und theologische Schriften |
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Автор произведения | Nicolaus Cusanus |
Жанр | Философия |
Серия | Kleine philosophische Reihe |
Издательство | Философия |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783843800983 |
Viele Christen haben sich dieser Ansicht der Platoniker angeschlossen, und zwar hauptsächlich aus dem Grunde: Da das Wesen des Steines ein anderes als das des Menschen ist und in Gott keine Verschiedenheit und kein Anderssein stattfindet, so hielten sie es für eine logische Notwendigkeit, daß die verschiedenen Ideen, nach welchen die Dinge verschieden sind, nach Gott und vor den Dingen seien (denn das Rationelle einer Sache geht ihr vorher). Diese Sonderung fanden sie befriedigt in dem Begriffe des die Welt regierenden Geistes (intelligentia rectrice orbium). Diese unterschiedenen Ideen sind die unzerstörbaren Begriffe der Dinge in der Weltseele, ja, diese selbst faßten sie als den Gesamtbegriff aller Begriffe; alle Begriffe haben in ihr ihr substantielles Sein, wiewohl das schwer zu verstehen ist. Sie führen selbst die Autorität der heiligen Schrift zur Begründung an. Wenn Gott sprach: Es werde Licht! und es ward Licht, wie hätte er sagen können: Es werde Licht! wenn die Wahrheit (Idee) des Lichtes nicht naturgemäß vorher dagewesen wäre? Und nachdem zeitlich das Licht in Wirklichkeit umgesetzt war, warum wurde es gerade Licht und nicht anders genannt, wenn die Idee des Lichts nicht vorher da war? Vieles Ähnliche wird zur Bestätigung angeführt.
Die Peripatetiker geben zwar zu, das Werk der Natur sei ein Werk der Intelligenz, leugnen jedoch das Dasein der Ideen. Wenn sie nicht unter der Intelligenz Gott verstehen, so sind sie sicher im Irrtume. Denn wenn kein Wissen der Dinge und der Intelligenz ist, wie kann sie denn, was doch Voraussetzung ist, die Dinge bewegen? Hat sie aber eine Kenntnis der zeitlich zu entwickelnden Dinge, was das Vernünftige in der Bewegung (ratio motus) ist, so kann diese von den Dingen, die ja zeitlich noch nicht existieren, nicht abstrahiert sein. Gibt es also ein Wissen ohne Abstraktion, so ist es sicher dasjenige, von dem die Platoniker reden, das nicht den Dingen entnommen ist, sondern nach dem die Dinge gebildet sind (res secundum eam). Daher waren nach den Platonikern die Ideen der Dinge nicht etwas Gesondertes, verschieden von der Intelligenz selbst, sondern sie bildeten, obwohl unter sich geschieden, eine einfache Intelligenz, die alles Vernünftige in sich begreift. So ist zwar die Idee des Menschen nicht die des Steins, gleichwohl hat die Menschheit, von der der Mensch der konkrete Ausdruck ist, kein anderes Sein als in der Intelligenz, in ihr geistig, in der Wirklichkeit reell. Es gibt nicht eine andere (ideale) Menschheit des Plato und eine andere in der Realität, sondern dieselbe Menschheit Platos ist in verschiedenen Seinsweisen, vorher in der Intelligenz, dann in der Wirklichkeit, was jedoch nicht als ein Vorher der Zeit zu denken ist, sondern so wie der rationelle Grund (ratio) einer Sache ihr naturgemäß vorhergeht. Sehr scharfsinnig und philosophisch sind hierin die Platoniker, und Aristoteles hat sie vielleicht nicht ganz philosophisch hierin getadelt, indem er mehr an der Schale der Worte hängen blieb als in den Kern der Sache eindrang.
Wo die Wahrheit liege, wollen wir nun durch die Wissenschaft des Nichtwissens ermitteln.
Es ist bewiesen, daß man auf kein einfach Größtes kommt, daß es daher keine absolute Möglichkeit und keine absolute Idee (formam) oder Wirklichkeit (actum) gebe, die nicht Gott ist, daß jedes Ding beschränkt ist und es nur eine Idee aller Ideen (forma formarum) und ein Urbild (veritas veritatum) gebe, und die absolute Idee des Kreises und Vierecks die gleiche ist. Die Ideen der Dinge sind daher nicht unterschieden, außer sofern sie konkret (contractae) erscheinen; in ihrer Absolutheit sind sie eine unterschiedene Idee – das Wort Gottes. Die Weltseele hat daher kein anderes Sein als ein mögliches, durch welches sie beschränkt wird, und der Geist ist nicht getrennt, nicht trennbar von den Dingen (mens non est separata a rebus aut separabilis). Denn betrachten wir den Geist in seiner gänzlichen Getrenntheit von der Möglichkeit, so ist dies der göttliche Geist, der allein ganz und gar Wirklichkeit ist. Es kann somit nicht mehrere gesonderte Ideen geben, denn jede wäre in Bezug auf ihre Abbilder das Größte und Wahrste. Nun kann es aber nicht mehrere Größte geben. Ein unendliches Urbild ist notwendig und hinreichend, in dem alles geordnet enthalten ist, das allen rationellen Grund auch für die verschiedensten Dinge auf das Adäquateste in sich begreift. Wenn wir die große Verschiedenheit der Dinge betrachten, so staunen wir darüber, wie eine einfachste Idee von allen auch der Grund der Differenz der Einzelndinge sein soll. Nach den Prinzipien unseres Systems muß dies so sein, weil sie alle Verschiedenheit als Identität in Gott nachweisen. Da wir erkennen, daß in Gott die Verschiedenheit der rationellen Gründe aller Dinge auf das Wahrste existiert, so erkennen wir eben darin, daß dies das Wahrste ist, den einen wahren rationellen Grund aller Dinge, und dies ist die höchste Wahrheit selbst. Sagt man, Gott habe nach einer anderen Idee (alia ratione) den Menschen, nach einer andern den Stein erschaffen, so ist dies wahr in Hinsicht auf die Geschöpfe; nicht auf den Schöpfer, wie wir an den Zahlen sehen. Der Ternar ist ein Einfachstes (ratio simplicissima), das weder ein Mehr noch ein Weniger zuläßt, in sich einig; ganz anders aber wird er in Bezug auf die Dinge. Anders ist der Ternar der Dreiecke, anders der von Materie, Form und Zusammensetzung in der Substanz, anders der von Vater, Mutter, Sohn, anders der von drei Menschen und drei Eseln. Das alles mit Notwendigkeit umschließende Band ist daher nicht, wie die Platoniker wollten, ein Geist, geringer als der ihn zeugende, sondern der dem Vater in der Gottheit gleiche Sohn; er heißt lógov oder Vernunft (ratio), weil er die Vernunft (der rationelle Grund) von allem ist. Es heißt daher auch nichts, was die Platoniker von den Bildern der Formen (Ideen – de imaginationibus formarum) gesagt haben; sondern es gibt nur eine unendliche Idee (forma formarum), von der alle Ideen Abbilder sind, wie wir oben gezeigt haben. Man muß dies genau ins Auge fassen. Die Weltseele ist zwar als eine Art universeller Form, die alle Formen in sich faßt, zu betrachten; allein sie existiert in Wirklichkeit nur beschränkt und ist in jedem Dinge die konkrete Form des Dinges (forma contracta rei), wie in der Lehre vom Universum gezeigt wurde. Gott ist also die hervorbringende, gestaltende und zum Ziel führende Ursache von allem, der in dem einen Worte alles noch so Verschiedene hervorbringt, und es gibt kein Geschöpf, das nicht durch Verendlichung weniger wäre (quae non sit ex contractione diminuta), in unendlichem Abfall von jenem göttlichen Wirken; denn nur Gott ist absolut, alles andere ist beschränkt (solus Deus absolutus, omnia alia contracta). Es gibt auch kein Mittelding zwischen dem Absoluten und Beschränkten, wie sich die einbildeten, die die Weltseele sich als einen Geist dachten, der nach Gott und vor der Verendlichung der Welt wäre. Nur Gott ist die Seele und der Geist der Welt, sofern man die Seele als etwas Absolutes denkt, in dem alle Formen der Dinge in Wirklichkeit sind.
Die Philosophen waren über das Wort Gottes und das absolut Größte nicht vollständig unterrichtet, daher faßten sie Geist, Seele und Notwendigkeit in einer gewissen Entwicklung dieser Notwendigkeit absolut, nicht beschränkt auf. Die Ideen im Worte sind in Wirklichkeit das Wort selbst, in allen Dingen sind sie beschränkt. Die Ideen, die in der erschaffenen geistigen Natur liegen, sind zwar gemäß der geistigen Natur gewissermaßen mehr absolut, jedoch nicht ohne Beschränkung, weil sie einem Geiste angehören, dessen Tätigkeit, wie Aristoteles sagt, ein Erkennen durch abstrahierte Ähnlichkeit ist (per similitudinem abstractivam). Hierüber einiges im Buche von den Mutmaßungen. Das über