Die wichtigsten Werke von Julius Wolff. Julius Wolff

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Название Die wichtigsten Werke von Julius Wolff
Автор произведения Julius Wolff
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027225194



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willkommen, aber jetzt muss ich weiter. Hilf mir auf!«

      Eike unterstützte den Grafen mit seiner jungen Kraft. Als dieser aber auf den Füßen stand, drückte er die Hand aufs Herz und sagte:

      »Ich kann nicht länger gehen, ich muss in den Sattel. Vor vierzehn Jahren traf mich auf einem Turnier in Frankfurt ein Lanzenstoß, der das Herz streifte und die Lunge berührte. Davon ist mir eine Herzschwäche zurückgeblieben, die sich mit dem zunehmenden Alter immer häufiger und stärker fühlbar macht. Lange Zeit hat sie mich verschont gelassen, aber heut’ ist sie wieder im Anzuge, wahrscheinlich veranlasst durch das andauernde Trinkgelage in Wernigerode. — Ich habe mein Hifthorn nicht bei mir; kannst du auf dem Finger pfeifen, Eike?«

      »Versteht sich. Herr Graf!«

      Ein gellender Pfiff Eikes durchdrang die Stille des Waldes, und sofort ertönte von fern auch die Antwort in derselben Weise.

      »Das ist Folkmar, der auf uns wartet,« sprach der Graf.

      Bald hörten sie Hufschlag und sahen den Reitenden mit den Pferden nahen.

      Als er bei ihnen anhielt und abgestiegen war, schwang sich Graf Hoyer in die Bügel, was trotz seiner Atemnot ganz leidlich vonstattenging.

      »Also auf Wiedersehen auf dem Faltenstein!« rief er, Eike vom Sattel aus die Hand reichend.

      »Auf Wiedersehen! Und ich bitte. der Frau Gräfin meinen ehrerbietigen Gruß zu bestellen.«

      Der Graf nickte, gab aber keine Antwort darauf und ritt mit seinem Dienstmannen langsam davon.

      Eike von Repgow blickte den Reitern sinnend nach, solange er sie sehen konnte.

      »Auf dem Falkenstein, der waldumrauschten Bergfeste, soll ich mein Buch schreiben; einen herrlicheren Schreibsitz kann ich mir nicht wünschen,« sprach er zu sich selber. »Nun mit aller Kraft freudig ans Werk, und Schaffenslust soll mit die Gedanken beflügeln!«

      Drittes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      In einem unbeschwerlichen Ritt, meist auf schattigen Waldwegen, langte Graf Hoyer nach mehrtägiger Abwesenheit spät nachmittags auf seiner einen hohen Berg krönenden, alle Wipfel überragenden Burg Falkenstein an. Von seiner Gemahlin begrüßt und nach seinen Erlebnissen befragt, berichtete er ihr, sowie er vom Pferde gestiegen war, zunächst von der Taufe in Wernigerode, welche anderen Gäste er dort getroffen und welchen Verlauf das glänzende Fest genommen hatte. Dann erzählte er ihr von seiner zufälligen Begegnung mit dem Sohn eines lieben, alten Freundes, dem Ritter Eike von Repgow, den er in einem einsamen Gasthause beim Weine sitzend vorgefunden hätte. Da hätten sie ein freudiges Wiedersehen gefeiert, auch beide in der Herberge genächtigt und heute Morgen eine sehr erfrischende Fußwanderung durch den Wald miteinander gemacht, soweit ihn sein junger Gefährte, den er von Kindesbeinen an kennte, hätte begleiten können. Dann rückte er damit heraus, dass er den Anhaltiner, der in der Gegend von Aken, aber jenseits der Elbe, auf seinem Lehngute hauste, zu einem längeren Besuch auf dem Falkenstein eingeladen hätte, damit der Gast ein von ihm geplantes, groß angelegtes Werk, ein neues Gesetzbuch über das Sachsenrecht schriebe.

      »Ein Gesetzbuch?« sprach die Gräfin verwundert. »Ist er denn ein Rechtsgelehrter? Du nanntest ihn doch Ritter.«

      »Er ist beides,« bestätigte der Graf, hat auf der hohen Schule zu Bologna die Rechte studiert und fühlt nun als schöffenbar freier Mann den unüberwindlichen Drang, seine erworbenen Kenntnisse zum Wohle unseres Sachsenvolkes zu verwerten, dessen sehr verwickelte Rechtszustände nach seiner und meiner Ansicht einer durchgreifenden Änderung bedürfen. Aber du magst das alles aus seinem eigenen Munde hören, denn in einigen Tagen wird er hier eintreffen.

      Die Gräfin schwieg, und ihrem unfrohen Gesichtsausdrucke nach schien ihr die Ankündigung wenig Freude zu bereiten. Ein trockener, langweiliger Gelehrter, dachte sie, der, statt als Ritter mit Schwert und Lanze kampfliche Abenteuer zu bestehen, sich als Gesetzgeber aufspielen will und sich dünkelhaft vermisst, nach seinen verschrobenen Begriffen das Volk zu beglücken und die Welt zu verbessern.

      »Ist er verheiratet und bringt er seine Frau etwa mit?« fragte sie spitz.

      »Nein,« entgegnete der Graf, »er ist noch ledig. Du darfst dir also seine Huldigungen ruhig gefallen lassen.«

      »Mich verlangt nicht nach seinen Huldigungen.«

      »O, er weiß, was sich edlen Frauen gegenüber schickt und ihnen nach höfischer Sitte gebührt, Gerlinde!«

      »Wo sollte er denn das gelernt haben? Etwa in Bologna?«

      »Nein, aber beim Markgrafen Dietrich von Meißen und beim Fürsten Heinrich von Anhalt, der ihn für rühmliche Waffentaten zum Ritter geschlagen hat,« bedeutete sie der Graf in verweisendem Tone.

      Darauf gab Gräfin Gerlinde keine Antwort. Sie war verstimmt in der ihr unliebsamen Aussicht auf die dauernde Gesellschaft eines ihr völlig Unbekannten, zu dessen Art und Wesen sie nach der erhaltenen Mitteilung kein rechtes Vertrauen zu fassen vermochte. Eine dunkle Ahnung stieg in ihr auf, dass der Besuch allerhand Störungen und Misshelligkeiten veranlassen könnte, und sie nahm sich vor, sehr zurückhaltend zu sein gegen diesen halb Ritter, halb Gelehrten, den ihr Gemahl von der Landstraße aufgelesen und flugs zu sich eingeladen hatte, nur weil er der Sohn eines alten Freundes war, dessen der Graf ihr gegenüber niemals Erwähnung getan hatte.

      Schweigend hörte sie auch sein Ersuchen an, für den Gast ein behagliches Zimmer mit einem großen Schreibtisch und mit Büchergestellen sowie ein bequemes Schlafgemach herrichten zu lassen, aber bei der Ausführung dieses Auftrages, die sie selbst leitete, kamen ihr andere Gedanken.

      Der Besuch, auf den sie schon neugierig zu werden anfing, war doch immerhin eine Abwechslung in der Eintönigkeit ihres Lebens, und möglicherweise war der Herr — wie hieß er? Eike von Repgow, Eike, ein merkwürdiger Name! — ein Mensch, an dessen Gegenwart man sich gewöhnen konnte, zumal wenn man musste.

      »So mag er denn kommen, der Weltverbesserer! Die Burgfrau wird dem gelehrten Gaste eine sorgliche Wirtin sein, und die Dame wird sich auch mit dem verschrobensten Ritter leidlich abzufinden wissen.« —

      Beinah eine Woche später als Graf Hoyer ritt Eike von Repgow das Selketal entlang und hatte seine Freude an dem herrlichen Eichen- und Buchenwalde, der nirgends im Harze schöner und üppiger zu sehen ist als an den Berghalden zu beiden Seiten dieses Tales, das jetzt schon zum größten Teil im Schatten lag, während der Rücken des Höhenzuges und seine hie und da aufragenden Kuppen noch von der Sonne beschienen wurden. Der Wald reichte bis unmittelbar an die Umwallung des Falkensteins heran, dessen trutziger Bergfried dem Nahenden in rosig schimmernder Beleuchtung winkte und in ihm die Erinnerung an seine Reise hierher als Knabe mit dem Vater weckte.

      Unweit einer klappernden Mühle bog der Weg zur Burg von der Talstraße ab, und Eike musste der Steilheit wegen bald absitzen und sein Pferd am Zügel führen, denn dieses hatte einen großen, mit Kleidern und noch mehr mit Schriftstücken vollgepfropften Mantelsack zu tragen.

      Es dauerte wohl eine Stunde, ehe er sein Ziel er reichte, doch eine kleine Strecke vor dem Burggraben hielt er noch einmal an, weil er hoch über sich in einer alten Buche, deren Aste bis tief hinab dem mächtigen Stamm entwuchsen, Töne vernahm, wie aus einer Vogel kehle herausgeschmettert. Aber ein Vogel konnte es nicht sein, denn zu so weit vorgerückter Tageszeit sang kein Vogel mehr außer Nachtigall und Amsel, und so süß berückend klang die Musika doch nicht. Es musste ein Mensch sein, der, dem Spähenden nicht sichtbar, im Gezweige des Baumes hockte und auf einem Instrumente blies, von dem sich Eike keine klare Vorstellung machen konnte.

      »Heda! Du floitierender Buchfink,« rief er hinauf, »komm’ mal heruntergeflattert aus deinem dichten Laubzelt, ich möchte den Schnabel sehen, der so verlockend trillern kann.«

      Da ward es still in der Buchenkrone. Dann hörte Eike, wie jemand an Stamm und Zweigen herabrutschte, und bald sprang ein schlanker junger Mensch ihm gerade vor