Название | Klausjäger |
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Автор произведения | Silvia Götschi |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783960410980 |
Bernadette hatte frisches Wasser, eine Packung Alka Seltzer und ein Duschgel auf die Kommode gestellt. Das war genauso eine Tradition nach dem Klausabend wie die stille Aufforderung, sich möglichst rasch unter die Brause zu stellen, sollte er vorhaben, mit ihr das Mittagessen einzunehmen. Rollmöpse und Gummel würde es geben und literweise Tee. Auf den Tee hätte er gern verzichtet. Wenn er jedoch unter seinen Achseln roch, ahnte er, dass da noch viel Gift aus seinem Körper geschwemmt werden musste. Sidler sah auf den Wecker. Halb eins. Ihm blieben noch ein paar Minuten.
Der Blick in den Spiegel am Schlafzimmerschrank enttarnte ihn als das Gegenteil von dem, was er in Wirklichkeit war. Fast durchsichtig blass schien sein Gesicht, mit Bartstoppeln und Pickeln übersät. Sidler kam sich vor wie ein Spätpubertierender nach seinem ersten Suff. Er hätte massvoller mit dem Alkohol umgehen sollen.
Man kannte ihn als gewissenhaften Bürger von Küssnacht. Er betrieb eine Elektrofirma, die er von der Pike auf selbst aufgebaut hatte. Daneben hatte er einen Verkaufsladen. Dreiundzwanzig Festangestellte arbeiteten bei ihm. Er war Mitglied der Sankt Niklausengesellschaft, seit zwanzig Jahren im Organisationskomitee des Gewerbevereins und im Vorstand des Kirchenrats. Er bezeichnete sich als glücklicher Mensch, der es in seinem Leben weit gebracht hatte. Mit Bernadette hatte er fünf Kinder, die in der Zwischenzeit ausgezogen waren. Zwei ihrer Söhne waren verheiratet, die einzige Tochter lebte in Trennung. Im Moment war dies der einzige dunkle Klecks auf seiner Weste.
Bernadette trat ins Zimmer, sein Fels in der Brandung. Die Frau, die ihm den Rücken freihielt, die seine Eskapaden tolerierte, wenn er sich denn mal eine leistete.
«Na, gut geschlafen?» Sie schritt zum Fenster, riss die Vorhänge und die Flügel auf.
Sidler sah ihr nach. Sie hatte in den letzten Jahren an Gewicht zugelegt. Seit sie regelmässig auf ihre vier Enkel aufpasste, stand sie unter Dauerstress. Das sei der Grund, dass sie esse, was ihr in die Quere komme, war ihre Ausrede, wenn er sie auf die überschüssigen Pfunde ansprach. Gleich und gleich gesellt sich gern, sagte sie dann. Schliesslich habe er mit dem Alter auch zugenommen. Ja, musste er zugeben, seine Wampe hatte sich vergrössert. War das nicht ein Zeichen dafür, wie gut es ihm ging?
Sidler entledigte sich seines Pyjamas. Daran, wie er diesen angezogen hatte, erinnerte er sich beim besten Willen nicht mehr. Vielleicht hatte ihm Bernadette geholfen. Er schämte sich ein wenig. «Ich gehe duschen.»
«Dann beeil dich. Draussen warten zwei Polizisten auf dich.»
Was zum Kuckuck wollte die Polizei von ihm? Falsch geparkt hatte er wohl kaum, und das Geschwindigkeitslimit hielt er seit seinem Ausweisentzug vor fünf Jahren brav ein. Zumindest so weit, dass er bloss mit einer Geldstrafe gebüsst wurde, sollte er die Höchstgeschwindigkeit überschreiten. Für die Strafzettel hatte er ein spezielles Konto eröffnet. Während er unter dem heissen Wasserstrahl den Mief aus den Poren wusch, versuchte er, sich den Klausabend in Erinnerung zu rufen.
Konrad war tot.
Mausetot. Erschossen hatte man ihn, das hatte Lukas ihnen so mitgeteilt. Danach hatten sie sich betrunken. Hätten sie nach Hause gehen sollen? Dadurch wäre Konrad nicht wieder lebendig geworden. Und den Klausabend hatten sie sich nicht nehmen wollen. Das war auch Sepps Meinung gewesen. Konrad hätte das sicher auch goutiert. Einmal im Jahr durften die Küssnachter Männer die Sau rauslassen. Ganz unter ihresgleichen.
Der Kerl mit der Lederjacke war wohl der Anführer. Nur er sprach. Louis Camenzind war sein Name. Wie ein Gersauer sah er allerdings nicht aus.
Bernadette hatte den beiden Männern bereits Kaffee angeboten, den sie stehend tranken. Stehend ist nie gut, dachte Sidler und verwünschte den Alkohol. Die Alka Seltzer, die er sich einverleibt hatte, zeigten noch keine Wirkung. Sidler litt. Die Polizisten mussten es ihm ansehen. Er hoffte, dass sie nicht auf die Idee kamen, ihn mit blöden Sprüchen zu torpedieren.
«Wir ermitteln im Mordfall Konrad Gross», begann Louis.
«Mordfall?» War ihm da etwas entgangen? Andererseits erschoss man einen Sankt Nikolaus nicht einfach so auf offener Strasse. Das konnte kein Unfall gewesen sein. Sidler schluckte leer. Das Wort Klausjäger bekam auf einmal eine ganz andere Bedeutung.
«Zeugenaussagen zufolge sollen Sie kurz nach der Tat in den ‹Adler› gekommen sein.»
Sidler liess sich auf einen Stuhl fallen. «Nachdem es nicht mehr weitergegangen war, kehrten einige von den Treichlern dort ein.»
«Ist das die Regel?», fragte Louis, während sein Kollege auf einen Notizblock schrieb.
«Regel? Nein! Ich erinnere mich, dass wir ziemlich lange am selben Ort stehen blieben. Es war nicht möglich, weiterzugehen. Die Zuschauer … verstehen Sie? Da ist es nur normal, dass man sich kurz aufwärmen geht. Es war saukalt an dem Abend.»
«Als Sie sich an der Kreuzung Seebodenstrasse/Rigigasse für die Parade in die Reihe stellten, sollen Sie kurz vor dem Abmarsch plötzlich verschwunden sein.» Louis fixierte Sidler mit Argusaugen.
«Wer sagt das?» Sidler griff nach einem Glas Wasser, das seine Frau auf den Tisch gestellt hatte, froh darüber, sich an etwas festhalten zu können. Wenn nur diese verdammten Ameisen in seinem Kopf nicht gewesen wären.
«Wir wissen, dass Ihre Tochter Tamara mit dem Bezirksrichter auf Kriegsfuss stand.»
Sidler überfiel ein Hustenanfall. Er spuckte das Wasser über den halben Tisch.
«Erich, sag jetzt nichts!» Bernadette Sidler stemmte drohend ihre beiden Arme in die Seite, sah jetzt wie eine Matrone aus, die keinen Widerstand duldete und schon gar nicht eine andere Meinung.
Sidler wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht. «Lass gut sein, Netti.» Er wandte sich an die Polizisten. «Meine Tochter lebt in Trennung. Ihr Hallodri war sozusagen ein Busenfreund von Konrad. Wenn Konrad meiner Tochter die Obhut ihrer Kinder entzieht, hat das mit Hauri zu tun –»
«Erich, halt den Mund!» Bernadette Sidler stellte sich jetzt kampfbereit vor Louis auf. «Ohne Anwalt sagt mein Mann nichts mehr. Bitte verlassen Sie unsere Wohnung.»
Louis reichte Sidler seine Visitenkarte. «Sie werden eine Einladung von uns erhalten.»
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