Der Sieg des Islams. Eduard Gibbon

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Название Der Sieg des Islams
Автор произведения Eduard Gibbon
Жанр Религиозные тексты
Серия
Издательство Религиозные тексты
Год выпуска 0
isbn 9788075838438



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entfachte die Gärung in Alexandria, und nach einem Schisma von hundertsiebzig Jahren verehrten die Gajaniten noch immer das Andenken und die Lehre ihres Stifters. Die Macht der Menge wurde in einem verzweifelten und blutigen Kampfe gegen Kriegskunst auf die Probe gestellt. Die Straßen waren mit den Leichen der Bürger und Soldaten angefüllt, die frommen Frauen bestiegen die Dächer ihrer Häuser und schleuderten alle scharfen und schweren Hausgeräte auf die Köpfe der Feinde, und Narses verdankte seinen Sieg schließlich nur den Flammen, womit er die dritte Hauptstadt der römischen Welt verheerte. Aber der Stellvertreter Justinians hatte nicht zu Gunsten eines Ketzers gesiegt. Theodosius selbst wurde alsbald, aber mit Milde, entfernt und Paul von Tanis, ein orthodoxer Mönch, auf den Thron des Athanasius erhoben (538). Die ganze Regierungsgewalt wurde zu seiner Unterstützung aufgeboten; er durfte die Herzoge und Tribunen von Ägypten anstellen oder entfernen; die Verteilung von Brot, die Diokletian bewilligt hatte, wurde eingestellt, die Kirchen wurden geschlossen und dadurch eine ketzerische Nation gleichzeitig ihrer geistlichen und leiblichen Nahrung beraubt. Der Tyrann wurde seinerseits durch das glaubenseifrige Volk geachtet, und niemand, die knechtischen Melchiten ausgenommen, dachte daran, ihn als Mensch, als Christ oder als Bischof zu begrüßen. So groß ist jedoch die Verblendung des Ehrgeizes, daß Paul, nachdem er wegen Mordanklage vertrieben worden war, sich mittels einer Bestechungssumme von siebenhundert Pfund Goldes um seine Wiedereinsetzung auf denselben verächtlichen und verhaßten Posten bewarb.

      Sein Nachfolger Apollinaris (551) betrat die feindliche Stadt in militärischem Aufzuge, gleich gerüstet zur Schlacht wie zum Gebet. Seine Truppen, die die Waffen bereithielten, wurden in den Straßen verteilt; die Tore der Kathedrale wurden bewacht und eine erlesene Schar im Chore aufgestellt, um ihren Befehlshaber zu verteidigen. Er stand aufrecht auf seinem Throne und bot sich, das Obergewand des Kriegers von sich werfend, den Augen der Menge in der Tracht des Patriarchen von Alexandria dar. Erstaunen hielt ihre Zungen im Zaum. Kaum aber hatte Apollinaris das Tome des heiligen Leo zu lesen begonnen, als sich ein Regen von Flüchen, Schmähungen und Steinen über den verhaßten Diener des Kaisers und der Synode ergoß. Der Nachfolger der Apostel befahl sogleich den Angriff. Die Soldaten wateten bis an die Knie im Blute. Zweihunderttausend Christen sollen durch das Schwert umgekommen sein; eine unglaubliche Anzahl, selbst wenn sie nicht an einem einzigen Tage, sondern in den achtzehn Regierungsjahren des Apollinaris niedergemetzelt wurden. Zwei darauffolgende Patriarchen, Eulogius und Johann, arbeiteten an der Bekehrung der Ketzer mit Waffen und Gründen, die dem evangelischen Berufe angemessener waren. Eulogius entfaltete seine theologische Gelehrsamkeit in manchem Bande, worin er die Irrtümer des Eutyches und Severus vergrößerte und es versuchte, die zweideutige Sprache des heiligen Cyrill mit dem orthodoxen Glaubensbekenntnisse des Papstes Leo und der Kirchenväter von Chalcedon in Übereinstimmung zu bringen. Die Mildtätigkeit Johanns des Almosengebers war entweder durch Frömmigkeit, Wohlwollen oder Politik hervorgerufen. Siebentausendfünfhundert Arme wurden auf seine Kosten unterhalten. Er fand bei seiner Thronbesteigung achttausend Pfund Gold im Kirchenschatze vor. Er sammelte aus den Beisteuern der Gläubigen weitere zehntausend; dennoch konnte sich der Primas in seinem Testament rühmen, daß er nicht mehr als den dritten Teil der kleinsten aller Silbermünzen zu hinterlassen habe. Die Kirchen von Alexandria wurden den Katholiken übergeben, die monophysitische Religion in Ägypten geächtet und ein Gesetz wieder aufgefrischt, das die Eingeborenen von allen Ehren und Begünstigungen des Staates ausschloß.

      Eine wichtigere Eroberung blieb noch übrig: die des Patriarchen, des Orakels und Regenten, der ägyptischen Kirche. Theodosius hatte den Drohungen wie den Versprechungen Justinians mit dem Mute eines Apostels oder Schwärmers Widerstand geleistet. »Das waren«, erwiderte der Patriarch, »die Verheißungen des Versuchers, als er die Reiche der Erde zeigte. Aber meine Seele ist mir teurer als Leben und Herrschaft. Die Kirchen sind in der Gewalt des Fürsten, der den Leib töten kann; aber mein Gewissen gehört mir selbst. In Verbannung, Armut und Ketten werde ich fest bei dem Glauben meiner heiligen Vorgänger Athanasius, Cyrillus und Dioskorus beharren. Fluch dem Tome des Leo und der Synode von Chalcedon! Fluch allen, die ihres Glaubens sind! Nackt kam ich aus meiner Mutter Leibe, nackt werde ich in die Erde hinuntersteigen. Mögen diejenigen, die Gott lieben, mir nachfolgen und ihre Seligkeit wahren.« Nachdem er seine Brüder getröstet hatte, schiffte er sich nach Konstantinopel ein und unterwarf sich in sechs aufeinanderfolgenden Unterredungen nicht der fast unwiderstehlichen Macht der kaiserlichen Gegenwart. Palast und Stadt nahmen seine Anschauung günstig auf; der Einfluß Theodoras gewährte ihm sicheres Geleite und ehrenvolle Entlassung, und er endete seine Tage zwar nicht auf dem Throne, aber doch in seinem Vaterlande. Bei der Nachricht von seinem Tode gab Apollinaris den Großen und der Geistlichkeit ein unpassendes Gastmahl. Aber seine Freude wurde durch die Kunde von einer neuen Wahl gemäßigt, und während er den Reichtum von Alexandria genoß, herrschte sein Nebenbuhler in den Klöstern der Thebais und wurde durch freiwillige Gaben des Volkes unterhalten. Das Andenken des Theodosius brachte dauernd Patriarchen hervor, und die monophysitischen Kirchen von Syrien und Ägypten waren durch den Namen der Jakobiten und die Glaubensgemeinschaft verbunden. Aber der nämliche, auf eine kleine Sekte der Syrier beschränkte Glaube dehnte sich über die ganze ägyptische oder koptische Nation aus, welche die Beschlüsse der Synode von Chalcedon fast einstimmig verwarf. Tausend Jahre waren nun verflossen, seitdem Ägypten aufgehört hatte, ein Königreich zu sein, seitdem die Eroberer von Asien und Europa auf den gefügigen Nacken eines Volkes ihre Füße gesetzt hatten, eines Volkes, dessen alte Weisheit und Macht über alle geschichtlichen Urkunden hinausreicht. Der Kampf der Glaubenseifrigen mit den Verfolgern entzündete in den Ägyptern wieder einige Funken des Nationalgeistes. Sie schworen mit einer fremden Ketzerei die Sitte und Sprache der Griechen ab; jeder Melchit galt in ihren Augen als Ausländer, jeder Jakobit als Bürger. Ehebündnisse mit den ersteren, sogar die von der Menschlichkeit gebotenen Dienste wurden als Todsünden verdammt; die Eingeborenen entsagten aller Treue für den Kaiser, und seine Befehle wurden in einer gewissen Entfernung von Alexandria nur unter dem Einflüsse einer Militärmacht vollzogen. Eine hochherzige Anstrengung würde die Religion und Freiheit von Ägypten gerettet haben, seine sechshundert Klöster hätten Myriaden heiliger Krieger entsenden können, für die der Tod keine Schrecken haben konnte, weil ihnen das Leben keine Tröstungen und Freuden bot. Aber es ist ein Unterschied zwischen tätigem und leidendem Mute; der Fanatiker, der ohne Schmerzenslaut die Qualen der Folter oder des Scheiterhaufens aushält, zittert und flieht vor einem bewaffneten Feind. Die kleinmütigen Ägypter waren nur mehr imstande, eine Änderung der Gebieter zu wünschen; Chosroes verheerte das Land, aber die Jakobiten freuten sich unter seiner Herrschaft eines kurzen wenn auch unsicheren Friedens. Der Sieg des Heraklius erneuerte und erschwerte die Verfolgung. Der Patriarch entwich abermals aus Alexandria in die Wüste. Auf seiner Flucht wurde Benjamin durch eine Stimme ermutigt, die ihm gebot, nach Ablauf von zehn Jahren den Beistand eines fremden Volkes zu erwarten, die gleich den Ägyptern, den alten Brauch der Beschneidung pflogen. Die Art und Natur dieser Befreiung werden wir später kennenlernen. Jetzt aber überspringe ich einen Zeitraum von elf Jahrhunderten, um das Elend der Jakobiter von Ägypten zu betrachten. Die volkreiche Stadt Kairo ist die Residenz ihres dürftigen Patriarchen und eines Überrestes von zehn Bischöfen oder gewährt ihnen vielmehr Obdach. Vierzig Klöster haben die Einbrüche der Araber überdauert, aber infolge Knechtschaft und Abtrünnigkeit ist das Koptenvolk bis auf fünfundzwanzig- oder dreißigtausend Familien herabgesunken, ein Haufe unwissender Bettler, deren einziger Trost in dem größeren Elend des griechischen Patriarchen und seiner winzigen Gemeinde liegt.

       VI. Der koptische Patriarch, Aufrührer gegen den Kaiser oder Sklave des Kalifen, rühmte sich dauernd des kindlichen Gehorsams der Könige von Abyssinien und Äthiopien. Er belohnte ihre Huldigung durch Übertreibung ihrer Macht, behauptete dreist, daß sie hunderttausend Pferde und eine gleiche Anzahl von Kamelen ins Feld bringen, daß ihre Hand die Wasser des Nils aussenden oder zurückhalten könne und daß der Friede und Reichtum von Ägypten selbst in dieser Welt nur durch die Fürbitte des Patriarchen zu erhalten sei. Theodosius hatte in der Verbannung in Konstantinopel seiner Beschützerin die Bekehrung der schwarzen Völkerschaften vom Wendekreise des Krebses bis an die Grenzen von Abyssinien empfohlen. Der rechtgläubige Kaiser argwöhnte ihre Absicht und suchte sie zu vereiteln. Die rivalisierenden Missionäre, ein Melchit und ein Jakobit, schifften sich zu gleicher Zeit ein; die Kaiserin jedoch fand aus Liebe oder Furcht wirksameren Gehorsam. Der katholische Priester wurde von dem Statthalter der Thebais zurückgehalten, während der König von Nubien und