Название | Im Schatten der Schwarzen Sonne |
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Автор произведения | Nicholas Goodrick-Clarke |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783843801706 |
Ihre eigentliche Bedeutung innerhalb der Internationalisierung des amerikanischen Neonazismus erlangte die NSPA jedoch durch ihre materielle und logistische Unterstützung für einen neubraunen Verbund, der in Deutschland und Österreich agiert, aber von Amerika aus gesteuert wird: die NSDAP Ausland- und Aufbauorganisation, kurz NSDAP-AO. Das leitende Personal: überwiegend amerikanische Staatsbürger deutscher Abstammung. Zu ihnen gehört auch Gerhard (Gary) Lauck aus Wisconsin, geboren 1953, der die NSDAP-AO 1973 in Westdeutschland gründete. 1974 wurde Lauck von der Bonner Regierung ausgewiesen, woraufhin die Gruppe ihre Operationsbasis in die USA verlegte, und zwar nach Arlington/Virginia, wo nicht nur die WUNS, sondern ebenso die von Matt Koehl geführte NSWPP ihr Hauptquartier hatte. Auch empfingen Lauck und die Seinen finanzielle Zuwendungen von diversen amerikanischen Neonazi-Vereinigungen. Später tat sich die NSDAP-AO mit der NSPA zusammen; heute haben beide ihre Zentrale in Lincoln/Nebraska. Ursprünglich waren die Aktivitäten der NSDAP-AO auf Deutschland fixiert; deutschstämmige Amerikaner kamen in die »Heimat ihrer Väter«, um für die Wiederzulassung der alten NSDAP zu kämpfen. In den letzten zwanzig Jahren hat Lauck jedoch dramatisch expandiert und führt mittlerweile fast ein weltumspannendes Unternehmen. Das gemeinsam mit der NSPA herausgegebene Monatsmagazin New Order erscheint in Englisch, Deutsch, Schwedisch, Ungarisch, Französisch, Niederländisch, Spanisch, Italienisch, Portugiesisch und Dänisch. Die amerikanische Bürgerrechtskommission (U.S. Commission on Civil Rights) nannte die NSDAP-AO einen der »führenden Lieferanten von Propagandamaterial für Neonazis«, wozu Schrifttum und Aufkleber genauso gehören wie Outfit, Fahnen und Plakate.
Das Hauptziel der Lauck’schen Organisation bleibt aber die Unterstützung der Neonazis in Deutschland, die innerhalb eines juristisch sehr verengten Rahmens operieren müssen. Auch und gerade die medial-publizistischen Anstrengungen fokussieren sich auf die »alte Heimat«, wo die NSDAP-AO eigenen Angaben zufolge zahlreiche geheime Mitglieder und Sympathisanten hat. So veröffentlicht sie für das deutsche Publikum zusätzlich die Zeitschrift NS Kampfruf und produziert Tausende Flugblätter, Broschüren und Aufkleber mit Nazi-Parolen und -Symbolen zur illegalen Verbreitung. Die Organisation dehnte während der 80er-Jahre ihre Aktivitäten nach Österreich und Skandinavien aus. Im Mai 1995 wurde Gary Lauck in Dänemark verhaftet. Später verurteilte ihn ein deutsches Gericht wegen Verbreitung neonazistischen Schrifttums zu vier Jahren Gefängnis. Laucks vorübergehende Absenz brachte die Propagandatätigkeit seiner Neurechten aber keineswegs zum Erliegen, was sie nicht zuletzt der Rührigkeit der NSPA verdanken, die sich im Laufe der Zeit vom großzügigen Förderer zur Hilfstruppe der NSDAP-AO wandelte.
Ein der letztgenannten vergleichbares Phänomen im propagandistisch-publizistischen Bereich sind die Liberty Bell Publications (»Verlag Freiheitsglocke«) des Deutsch-Amerikaners George P. Dietz in Reedy/West Virginia. Dietz, während des Dritten Reiches Hitlerjunge, emigrierte 1957 in die USA und wurde Makler für Landimmobilien, was ihm die finanzielle Grundlage für seine Propagandafirma lieferte. In deren Angebot findet sich antisemitisches und naziverherrlichendes Schrifttum sowie in Taiwan neu produzierte NSDAP- und andere Abzeichen mit »Hoheitssymbol«. Der Verlag veröffentlicht zudem ein eigenes Magazin, betitelt Liberty Bell, sowie ein Indoktrinationsblatt für den deutschsprachigen Neubraunen, Der Schulungsbrief genannt – eine bewusste Anspielung auf das gleichnamige Periodikum, mit der einst die originale NSDAP ihre Funktionäre instruierte.
Der zweite bedeutsame Verbund, der sich nach Rockwells Tod aus den Überbleibseln der NSWPP rekrutierte, war die National Alliance, zu Beginn der 70er-Jahre gegründet und geführt von William Pierce, dem ehemaligen Herausgeber des WUNS-Hausblatts National Socialist World. Pierce blieb nun für gut dreißig Jahre der regsamste neonazistische Organisator und Medienaktivist der USA. Er veröffentlichte den skandalträchtigen, weil Rassenkrieg predigenden Roman The Turner Diaries (»Die Turner-Tagebücher«), der ein wahres Kultbuch der rechten Szene wurde. Er betrieb eine eigene Radiostation mit regelmäßigem Programm. Er knüpfte internationale Bande, indem er sich mit den Führern der wichtigsten nationalistischen Parteien Europas traf. Er förderte sogar die Jugendkultur (in seinem Sinne), indem er mit der Plattenfirma Resistance Records der sogenannten white power music, also rassistisch betexteter Pop- und Rockmusik, ein Wirkungsfeld bot. Über die Rolle des »Hausintellektuellen« der neuen amerikanischen Rechten ist William Luther Pierce also längst hinausgewachsen.
Bei der Entstehung der National Alliance spielten neben Pierce noch zwei weitere Gestalten des rechten Spektrums eine mehr oder weniger freiwillige Rolle: Willis Carto und George Wallace. Carto, geboren 1926, Publizist und rechtspopulistischer Sektierer mit Hang zur Esoterik, gründete 1955 den zwischen US-chauvinistischem und nationalsozialistischem Gedankengut schwankenden Verbund Liberty Lobby und betrieb einschlägige Zeitschriften. Der Zweitgenannte gelangte zu erheblich mehr Prominenz: George Wallace (1919-1998), ein echter Vollblutpolitiker, Exponent des konservativen Flügels der Demokratischen Partei. Der langjährige Gouverneur von Alabama wurde Mitte der 60er-Jahre zum Hoffnungsträger der amerikanischen Rechten, denn er verfocht nicht nur entschieden die Rassentrennung, sondern er hatte auch gar nicht so schlechte Aussichten, die höchste Machtposition zu erklimmen. Bereits 1964 hatte Wallace sich an den Präsidentschaftswahlen beteiligt und immerhin einige Achtungserfolge errungen. Als er es vier Jahre später erneut versuchte – freilich aus taktischen Motiven nicht für die Demokraten, sondern »auf eigene Rechnung« –, gründete Willis Carto den Wahlverein Youth for Wallace (»Jugend für Wallace«). Der solchermaßen Unterstützte scheiterte zwar, doch wollte Carto die einmal versammelte Manpower weiter nutzen und bildete aus dieser die National Youth Alliance, kurz NYA. Sie sollte an den Universitäten linksradikale Studentengruppen bekämpfen und für rechtsradikale Ideen werben. Allgemeingesellschaftlich predigte sie law and order und engagierte sich gegen Strömungen wie Black Power und die Hippies, namentlich gegen deren Drogenkultur. Bald legten sie bei der Artikulation ihrer Aversionen jegliche Mäßigung ab und äußerten sich offen schwarzenfeindlich und antisemitisch, wodurch einige Neonazis sie als Brüder im Geiste erkannten, so William Pierce und andere NSWPP-Aktivisten. 1970 konnte die NYA Pierce zum Übertritt bewegen. Doch die Harmonie währte nur kurz. Bereits im Frühjahr 1971 spaltete sich der Verbund: Die eine Fraktion blieb bei Carto und firmierte fortan unter Youth Action; die andere folgte Pierce und nannte sich (seit 1974) schlicht National Alliance. Pierce baute seine »Allianz« rasch zu einer neuen schlagkräftigen Nazi-Organisation aus; das ideologische Rüstzeug lieferten er und ein paar Co-Autoren in dem Periodikum National Vanguard (»Nationale Vorhut«), dem früheren Attack! (»Zum Angriff!«). Das Blatt erschien 1970-82 als Zeitung, danach als Magazin. Wie schon in seinen Editorials für die WUNS-Postille beschwor er auch in seinen National-Vanguard-Leitartikeln die Gefahr einer jüdischen Weltverschwörung, welche die weiße Rasse durch Sozialismus, Black Power, Bankenwesen und Rassenvermischung zerstören wolle.36
Das Hauptquartier der National Alliance entstand in Washington, von wo aus William Pierce mit allen wichtigen Personen und Formationen der extremen Rechten Amerikas intensive Kommunikation pflegte. Überall in den USA lasen Neonazis begeistert die National Vanguard. Kaum weniger fleißig knüpfte man Verbindungen zu ausländischen Gesinnungsgenossen. John Tyndall, damals Führer der britischen National Front, besuchte Pierce 1979. Kontakt gab es auch zu anderen britischen Gruppen, so zu der National Party, der kurzlebigen National-Front-Abspaltung und der League of Saint George (»Sankt-Georg-Liga«). Besonders aufmerksam verfolgte Pierce aber nach wie vor Tyndalls Aktivitäten, dessen neue Organisation British National Party während der 90er-Jahre namentlich im kommunalen Bereich nicht unerhebliche Wählerresonanz