Historische Romane: Die Kreuzritter + Quo Vadis? + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski + Auf dem Felde der Ehre. Henryk Sienkiewicz

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Название Historische Romane: Die Kreuzritter + Quo Vadis? + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski + Auf dem Felde der Ehre
Автор произведения Henryk Sienkiewicz
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788026828167



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»Bei meiner Treu, gerade wie ein Stück Holz! Er hört einem zu und lauscht und lauscht und thut dann doch nur, was er will. Da wäre es am besten, das Maul zu halten.«

      »Mir hat man’s längst gesagt, wie er ist!« warf Zbyszko ein. »Und um die Wahrheit zu gestehen, noch nie sind mir verstocktere Menschen vorgekommen, wie diese hier. Sie fragen den Fremden um seine Meinung und thun dann, als ob er in den Wind gesprochen habe.«

      »Weshalb hörte er uns dann an?«

      »Weil wir gegürtete Ritter sind, und weil er jedes Ding von zwei Seiten erwägen will. Doch thöricht ist er nicht.«

      »In Neu-Kowno denkt man sicherlich jetzt am wenigsten an einen neuen Angriff unsererseits,« bemerkte Hlawa, »weil wir erst zurückgeschlagen worden sind. Dies mag wohl kein Irrtum von ihm sein.«

      »So laßt uns gehen. Ich will nach den Mannen schauen, die ich zu führen habe,« ergriff nun Zbyszko das Wort, der sich in dem Zelte ganz beklemmt fühlte. »Es liegt mir ob, ihnen zu sagen, daß sie sich bereit halten sollen.«

      Gemeinsam traten sie ins Freie. Die Nacht war hereingebrochen, eine tief dunkle, wolkige Nacht, die nur von den Lagerfeuern erhellt ward, an denen die Samogitier saßen.

      Viertes Kapitel.

      Inhaltsverzeichnis

      Für Macko und Zbyszko, die schon unter Witold gekämpft und demzufolge genugsam Kriegsleute aus Samogitien und Litauen gesehen hatten, bot der Anblick eines Lagers nichts Neues. Der Böhme dagegen schaute voll Spannung umher, indem er bei sich überlegte, was wohl von diesen Mannen in der Schlacht zu erwarten sei, und ob sie der deutschen und polnischen Ritterschaft gleichgestellt werden könnten. Das Lager, welches sich auf einer von Nadelwäldern und Sümpfen umschlossenen Ebene befand, war dadurch vor jedem Ueberfall gedeckt, denn kein zweites Kriegsheer konnte so leicht die trügerischen Moräste überschreiten. Sogar der Grund und Boden, auf dem die Feldhütten standen, war seicht und sumpfig, allein die Leute hatten ihn so dicht mit kreuzweis geschichteten Tannen-und Fichtenzweigen bedeckt, daß sie sich ebenso sicher darauf zur Ruhe legen konnten wie auf dem trockensten Erdreich. Für den Fürsten Skirwoillo war in aller Eile eine » numa«, eine Hütte errichtet worden, wie man sie in den litauischen Ansiedelungen aus Erde und rohen Baumstämmen zu bauen pflegte, Hütten aus Zweigen hergestellt dienten den hervorragenderen Mannen zur Unterkunft, während die gewöhnlichen Krieger unter offenem Himmel um das Feuer lagerten und gegen die Unbill des Wetters nur durch Felle und Schafpelze geschützt wurden, die sie auf dem nackten Leibe trugen. In dem Lager schlief noch niemand, hatten doch die Mannen tagsüber der Ruhe pflegen können, da seit der letzten Niederlage kein neuer Angriff unternommen worden war. Etliche lagen oder saßen um die hellen Feuer, die mittelst dürrem Reisig und Wacholderzweigen unterhalten wurden, andere schürten die halberloschene, von Asche bedeckte Glut auf, aus welcher der Geruch gebratener Rüben, der Hauptnahrung der Litauer, sowie der schlechte Dunst angebrannten Fleisches emporstiegen. Auf den freien Plätzen inmitten der Feuer lagen ganze Haufen von Waffen so geschickt aufgetürmt, daß im Falle der Not ein jeder der Mannen leicht nach der eigenen Waffe greifen konnte. Hlawa betrachtete voll Neugierde die Speere mit ihren langen, schmalen, aus hartem Eisen geschmiedeten Spitzen, die aus jungen Eichstämmen gefertigten Keulen, in die Feuersteine oder Nägel getrieben worden waren, die kurzstieligen, den polnischen Streitäxten ähnlichen Beile, deren sich das Reitervolk zu bedienen pflegte, sowie die Streitäxte mit Stielen, die so lang wie Hellebarden waren und mit welchen das Fußvolk im Kampfe focht. Streitäxte aus Erz waren auch vorhanden, wohl aus jenen alten Zeiten stammend, da das Eisen in den entlegeneren Gegenden noch nicht viel gebraucht ward, ja es fanden sich sogar Schwerter aus Erz vor, wenn schon die meisten aus gutem, aus Nowogrod eingeführtem Stahl gearbeitet waren. Der Böhme nahm die Speere, die Schwerter, die Streitäxte, die in Teer getränkten und im Feuer gebrannten Bogen zur Hand und prüfte sie beim Scheine des Lagerfeuers. Nur eine kleine Zahl von Pferden befand sich innerhalb des Lagers, die Mehrzahl der Tiere weidete in den nahe gelegenen Wäldern und auf den Wiesen unter der Obhut wachsamer Pferdeknechte. Da die namhaftesten Bojaren ihre türkischen Renner in nächster Nähe haben wollten, wurden verschiedene dieser edlen Rosse in dem Lager von den Pferdeknechten aus der Hand gefüttert. Diese Renner mit ihren kräftigen Hälsen waren ganz ungewöhnlich klein, allein nicht nur darüber staunte Hlawa, sondern auch über deren zottigen Körper, wodurch sie den Rittern aus dem Westen weit eher als seltsame wilde Tiere, weit eher als Einhörner, denn als edle Pferde erschienen.

      »Die großen Streithengste dienen hier zu nichts,« bemerkte der erfahrene Macko, indem er seiner früheren Feldzüge unter Witold gedachte, »denn ein schweres Roß wird sofort in den Morästen einsinken, während diese kleinen, unansehnlichen Pferdchen ebensoleicht allenthalben durchkommen werden, wie ein Mensch.«

      »In der Schlacht aber,« sagte Hlawa, »können diese kleinen Pferde den starken, deutschen Streitrossen keinen Widerstand leisten.«

      »Wahrlich, das vermögen sie nicht. Dagegen versucht der Deutsche umsonst, vor dem Samogitier zu fliehen und niemals wird jener im stande sein, diesen Feind einzuholen, der noch rascher zu reiten versteht, als ein Tatar.«

      »Gar seltsam ist dies. Die Tataren, welche ich als Kriegsgefangene bei dem Ritter Zych aus Zgorzelic gesehen habe, waren alle so klein, daß jedes Pferd sie getragen hätte, die Samogitier jedoch sind kräftige, hochgewachsene Krieger.«

      Die Mannen zeichneten sich auch tatsächlich durch ihren hohen Wuchs aus, und beim Scheine des Feuers ließ sich bei einem jeden die breite Brust, die kräftigen Schultern unter den Fellen und den Schafspelzen erkennen. Alle waren groß, starkknochig, wenn auch eher hager wie dick. Die meisten hatten eine kräftigere Gestalt als die Bewohner der andern litauischen Gebiete, saßen sie doch auf besserer, fruchtbarerer Erde und wurden dadurch weniger von Hungersnot geplagt, als das sonstige Litauen. Der Hofhalt des Großfürsten befand sich in Wilna. In Wilna stellten sich daher Fürsten aus dem Osten und aus dem Westen ein, Gesandtschaften wurden dahin abgeschickt, fremde Kaufleute strömten dort zusammen. Natürlicherweise kamen demzufolge die Bewohner Wilnas und der angrenzenden Gebiete mit Fremden in Berührung. In Samogitien hingegen zeigte sich das Fremde nur in Gestalt eines Kreuzritters oder eines Ritters des Schwertordens, welche die stillen Waldansiedlungen durch Feuer, Knechtung und Bluttaufen heimsuchten. War es daher zu verwundern, daß die Menschen hier sich ungeschlachter, roher gebärdeten, fest an dem Althergebrachten hingen, alles Neue von sich wiesen, daß sie die alten Gebräuche, die alte Kriegsführung und das Heidentum gerade deshalb hochhielten, weil ihnen der Glaube an das Kreuz nicht durch einen milden Verkündiger des Christentums, nicht mit der Liebe eines Apostels gelehrt ward?

      Skirwoillo und die angesehenen Knäsen und Bojaren hatten sich schon, dem Beispiele Jagiellos und Witolds folgend, zum Christentum bekehrt. Die andern aber, ja, sogar die ungezügeltsten und wildesten Krieger sagten sich insgeheim, der Untergang und das Ende der alten Welt, des alten Glaubens seien gekommen und waren bereit, das Haupt vor dem Kreuze zu beugen, nur sollte es kein Kreuz sein, das durch die Kreuzritter ausgerichtet worden war. »Wir sehnen uns nach der Taufe,« so klang ihr Klageruf zu allen Fürsten und zu allen Völkern, »doch bedenkt, daß wir Menschen, nicht aber wilde Tiere sind, welche verschenkt, gekauft und verkauft werden können.« Da ihnen aber der neue Glaube durch Gewalt aufgezwungen ward, da sie sahen, wie der alte Glaube erlosch wie das Feuer erlischt, auf das kein Holz geworfen wird, ergriff sie unsagbarer Schmerz, tiefes Weh um die entschwundenen alten Zeiten. Der Böhme, der inmitten eines frohen, kriegerischen Treibens aufgewachsen war, inmitten eines Treibens, wo Gesang und klingende Musik fast nie verstummten, sah nun zum erstenmale in seinem Leben ein Lager, in dem solche Stille, solche Trauer herrschte. Höchstens da und dort an den Feuern, vor der entfernt gelegenen Hütte Skirwoillos ertönte eine Querpfeife oder eine Rohrpfeife, nur da und dort vernahm man undeutlich die Worte eines Liedes, das ein » burtinikas« leise vor sich hinsang. Gebeugten Hauptes, den

      Blick unverweilt auf die flammenden Holzscheite gerichtet, lauschten die Kriegsleute diesen Tönen. Manche saßen zusammengekauert vor den Feuern, die Ellenbogen auf die Knie gestützt, das Antlitz in die Hände verborgen, und ähnelten, von Fellen und Schafspelzen eingehüllt, den wilden Tieren des Waldes.