Historische Romane: Die Kreuzritter + Quo Vadis? + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski + Auf dem Felde der Ehre. Henryk Sienkiewicz

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Название Historische Romane: Die Kreuzritter + Quo Vadis? + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski + Auf dem Felde der Ehre
Автор произведения Henryk Sienkiewicz
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788026828167



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den Sieg über sich gewonnen hatte.

      Mittlerweile wurde der Nebel durchsichtiger. Er verschwand zwar noch nicht vollständig, allein man konnte doch in der Ferne dunkles Gemäuer erkennen. Jurand bezweifelte keine Minute, daß dies die Mauern der Burg von Szczytno waren. Trotz dieses Anblickes rührte er aber noch immer kein Glied, sondern hub zu beten an, so heiß und inbrünstig, wie ein Mensch betet, der nur noch auf Gottes Barmherzigkeit baut.

      Als er dann schließlich sein Pferd antrieb, da regte sich in seinem Herzen frischer Mut. Er war jetzt bereit, alles über sich ergehen zu lassen, was ihm auch zustoßen mochte. Der heilige Georg kam ihm jetzt in den Sinn, der Abkömmling eines der größten Geschlechter in Kappadocien. Auch dieser hatte schmachvolle Marter erleiden müssen, allein nicht zur Unehre hatte ihm dies gereicht, nein, nach göttlichem Gesetz ward er zum Schutzpatron aller namhaften Ritter erkoren. Von dessen Prüfungen hatte Jurand gar häufig von den Pilgern gehört, die aus fernen Ländern kamen, und die Erinnerung daran wirkte tröstend auf ihn ein.

      Allmählich begann er aber wieder Hoffnung zu schöpfen. Die Krenzritter waren freilich wegen ihrer Rachsucht bekannt, er zweifelte daher auch nicht daran, daß sie sich für all die Niederlagen rächen würden, die er ihnen beigebracht, für all die Schmach, welche er ihnen bei jedem Zusammentreffen angethan, und für die Furcht, die er ihnen lange Jahre hindurch eingeflößt hatte.

      Allein gerade diese Erwägung verlieh ihm nun Willenskraft. Er sagte sich, Danusia sei sicherlich nur deshalb von den Ordensbrüdern entführt worden, um Gewalt über ihn zu bekommen. Wenn er sich aber ihnen stellte, weshalb sollten sie dann noch länger Danusia der Freiheit berauben? Sicherlich Planten sie Schlimmes, weil sie aber in der Nähe von Masovien nichts gegen ihn zu unternehmen wagten, zwangen sie ihn, sich nach ihrer ferngelegenen Burg aufzumachen. Vielleicht legten sie ihn in Ketten, vielleicht drohte ihm lebenslängliche Haft in einem unterirdischen Kerker! Doch was wollte dies heißen, wenn er die Freiheit seines Kindes damit erkaufte? Sollte es auch ans Tageslicht kommen, daß man ihn in einen unterirdischen Kerker geworfen hatte, weder der Großmeister noch das Kapitel würde es den Kreuzrittern allzusehr verargen, denn seine, Jurands, Hand hatte in der That schwer auf ihnen gelastet, von ihm hatten sie weit Schlimmeres zu erdulden gehabt, als von irgend einem andern Ritter auf der Welt. Sofort aber würde sie der Großmeister für die Festhaltung des unschuldigen Mägdleins bestrafen, der Schutzbefohlenen des Fürsten, um dessen Freundschaft sich jener in Anbetracht des drohenden Krieges mit dem König von Polen eifrigst bemühte.

      Eine immer größere Ruhe bemächtigte sich Jurands. Er zweifelte jetzt keinen Augenblick mehr, daß Danusia nach Spychow zurückkehren, daß sie unter Zbyszkos mächtigem Schutze gegen jede Gefahr gesichert sein werde. Das ist ein tapferer Bursche, sagte er sich, er wird ihr kein Leid widerfahren lassen. Und er rief sich mit einer gewissen Rührung all das ins Gedächtnis zurück, was er von Zbyszko wußte. »Gegen die Deutschen hat der junge Ritter bei Wilna gekämpft, im Zweikampfe hat er sich mit ihnen gemessen, er besiegte die Friesen, gegen die er mit dem Oheim stritt, gegen Lichtenstein ist er vorgegangen, vor dem Auerochsen hat er Danusia gerettet, den vier Kreuzrittern schickte er eine Herausforderung, von der er niemals abstehen wird.«

      Hier erhob Jurand die Augen gen Himmel und rief: »Ich wollte sie Dir weihen, o Gott, Du aber schenktest sie Zbyszko.«

      Würde sie aber Gott dem jungen Ritter zum Weibe gegeben haben, so fragte er sich weiter, um sie dann in den Händen der Kreuzritter zu Grunde gehen zu lassen? Nein, ihre Rettung war gewiß, dagegen vermochte keine Macht der Welt sich aufzulehnen. Und Zbyszko! Er war ja nicht nur tapfer, er war auch treu wie Gold. Bei ihm wird sie behütet sein, bei ihm wird sie heiße Liebe finden. »O Jesu!« betete er plötzlich laut, »gewähre dem Kinde ein frohes Geschick und laß mich hoffen, daß sie bei ihm weder den fürstlichen Hof, noch die väterliche Liebe vermißt.« Thränen traten bei diesen Worten in die Augen des Gebieters von Spychow und sein Herz krampfte sich schmerzlich zusammen. Ach, wie sehnte er sich, sein Kind wiederzusehen, wie wünschte er, wenn er denn doch aus dem Leben scheiden sollte, in Spychow bei den beiden ihm so teuern Wesen zu sterben und nicht in den dunkeln Kerkern der Kreuzritter den letzten Atemzug aushauchen zu müssen. »Doch der Wille Gottes geschehe!« murmelte er vor sich hin. Szczytno war bereits zu sehen. Der Nebel ward lichter und lichter, immer deutlicher traten die Mauern der Burg hervor. Die Stunde von Jurands Demütigung rückte heran. Er aber erstarkte mehr und mehr und sprach also zu sich: »Wohlan, der Wille Gottes geschehe! Ich stehe am Abend meines Lebens. Einige Jahre mehr, einige weniger, was will das heißen! Hei! Wohl möchte ich noch einmal die beiden Kinder sehen, allein jedem Menschen ist ein Lebensziel gesteckt. Was mir beschieden ward, das habe ich genossen und ertragen, an wem ich Rache üben wollte, an dem rächte ich mich. Mein Geschick hat sich erfüllt. Bei Gott ist’s besser sein als auf der Welt, was er uns auferlegt, das wird sich auch erfüllen. Danusia und Zbyszko, sie werden meiner nicht vergessen, wenngleich es besser für sie wäre, sie vergäßen meiner. Gewiß, wohl mehr als einmal werden sie sich fragen: Wo ist er jetzt? Lebt er noch oder ist er schon in die himmlische Heimat eingezogen? Sie werden nach mir fragen, nach mir forschen. Auf Rache sind die Kreuzritter stets bedacht, doch Lösegeld verschmähen sie nie. Und Zbyszko wird damit nicht sparen, selbst wenn er auch nur meine Gebeine loskaufen könnte. Und mehr als eine Messe werden sie für mich lesen lassen, das ist gewiß. Ein dankbares, liebevolles Herz besitzen beide. O segnet sie dafür, Du, o Gott, und Du, o heilige Mutter Gottes!«

      Die Landstraße wurde indessen nicht nur immer breiter, sondern auch immer belebter. Unablässig zogen Wagen mit Holz und Strohbündeln beladen der Stadt zu, Viehhirten trieben ihre Herden dahin. Auch ein Bauer in Ketten wurde von vier Bogenschützen des Weges geleitet. Augenscheinlich sollte er eines Vergehens wegen vor Gericht gebracht werden, denn die Hände waren ihm auf den Rücken gebunden, an den Füßen aber trug er Fesseln, die auf dem Schnee schleifend, ihm das Gehen erschwerten. Mühsam und keuchend schleppte er sich weiter, während seine Wächter, die ihn beständig vorwärtstrieben, laut sangen. Als letztere Jurand erblickten, schauten sie ihn voll Neugierde an, offenbar ganz erstaunt über den mächtigen Reiter und das gewaltige Schlachtroß. Kaum bemerkten sie indessen die goldenen Sporen und den Rittergürtel, so senkten sie die Armbrust zur Erde als Zeichen der Ehrerbietung und zur Begrüßung. In dem Städtchen ging es schon äußerst lebhaft zu. Ein jeder wich jedoch vor dem bewaffneten Ritter zur Seite, welcher die Hauptstraße einschlagend, sich zur Burg wendete, die noch immer in nebligem Dunste lag, und in der noch alles zu schlafen schien.

      Außerhalb der Burg herrschte indessen nichts weniger als Ruhe. Ganze Schwärme von Krähen und Raben flogen, aufgescheucht durch den des Weges ziehenden Reiter, krächzend und mit den Flügeln schlagend, umher. Bald genug begriff Jurand, weshalb sich hier eine solch große Zahl dieser Vögel angesammelt hatte. Seitwärts am Wege, der zu dem Burgthore führte, stand ein hoher, breiter Galgen, an dem die Leichname von vier masurischen Bauern hingen, die wohl den Kreuzrittern unterthan gewesen sein mochten. Da es völlig windstill war, hingen die Toten, die auf ihre Füße herab zu schauen schienen, fast ganz bewegungslos da und schaukelten nur dann hin und her, wenn die auf ihren Schultern und auf ihren Köpfen sitzenden Vögel sich gegenseitig zu vertreiben suchten, aufflogen, wieder zurückkehrten und mit ihren Schnäbeln auf die gesenkten Häupter einhackten. Die Bauern mußten schon lange an dem Galgen hängen, denn stellenweise lagen die Knochen an ihren Körpern ganz bloß, während sich die Beine unermeßlich in die Länge gezogen hatten. Beim Nahen Jurands schwang sich ein neuer Schwarm von Raben und Krähen mit lautem Gekrächze in die Luft, ließ sich aber dann bald wieder auf dem Querbalken des Galgens nieder. Das Zeichen des Kreuzes machend, ritt der Herr aus Spychow vorüber, hielt vor dem Graben an der Stelle an, an welcher die Zugbrücke über dem Thore aufgezogen war, und stieß in das Horn.

      Ein zweites, ein drittes mal ließ er sein Horn ertönen. Alles blieb ruhig. Kein lebendes Wesen war auf den Wällen zu sehen, kein Laut drang aus dem Thore hervor. Endlich, nach minutenlangem Warten, öffnete sich hinter einem, neben dem Burgthore eingemauerten Gitter knirschend eine Klappe und das bärtige Gesicht eines deutschen Kriegsknechtes ward sichtbar.

      »Wer da?« rief eine rauhe Stimme.

      »Jurand aus Spychow!« antwortete der Ritter.

      Daraufhin fiel die Klappe wieder rasch zu, und es trat abermals tiefes Schweigen ein.

      Die