Die wichtigsten historischen Romane von Henryk Sienkiewicz. Henryk Sienkiewicz

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Название Die wichtigsten historischen Romane von Henryk Sienkiewicz
Автор произведения Henryk Sienkiewicz
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027211517



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Haufen zusammenliegen, niemals zuvor sah ich so viel Menschenblut fließen.«

      Auch Macko schwoll das Herz vor Stolz bei dieser Erinnerung, und er rief: »Das ist die reine Wahrheit. Unser Herr Jesus ist barmherzig. Ueber das ganze Königreich sind sie seiner Zeit hereingebrochen wie das Feuer oder wie die Pestilenz. Nicht nur Sieradz und Leczyca haben sie zerstört, sondern noch viele andere Plätze. Und was war die Folge hiervon? Hei, unser Volk hat ein unverwüstliches Leben in sich, seine Kraft kann nicht gebrochen werden! So einer dieser Hundsbrüder, dieser Kreuzritter, einen der unsrigen auch an der Kehle packt, zu erwürgen vermag er ihn nicht, denn die Zähne werden ihm eingeschlagen … Schaut doch umher! König Kasimir hat Sieradz sowohl wie Leczyca weit prächtiger aufgebaut, als dies zuvor der Fall gewesen ist, und wie von Alters her werden dort Versammlungen abgehalten, während die bei Plowce erschlagenen Kreuzritter in der Erde verfaulen. Gott gebe einem jeden von ihnen ein solches Ende!«

      Beifällig nickte der Greis bei diesen Worten mit dem Kopfe, schließlich hub er also an: »Das ist wohl kaum der Fall, das ist wohl kaum der Fall. Nach der Schlacht befahl zwar der König dem Fußvolk, Gruben zu graben, und die Leute aus der Umgegend halfen dabei, daß die Schaufeln nur so knirschten. Dann legten wir die Deutschen in die Gruben, die wir der Ordnung gemäß gut zuwarfen, damit sich keine Seuchen entwickeln konnten, allein in den Gräben sind jene nicht geblieben.«

      »Wie, dort sind sie nicht geblieben? Was ist denn mit ihnen geschehen?«

      »Mit eigenen Augen habe ich es nicht gesehen, ich erzähle Euch daher nur das, was ich von andern hörte. Nach der Schlacht erhob sich ein entsetzlicher Sturm, der zwölf Wochen hindurch, jedoch nur des Nachts, heulte und tobte. Bei Tag herrschte eitel Sonnenschein, bei Nacht aber raste der Wind so gewaltig, daß er geradezu die Haare den Menschen vom Kopfe riß. Nichts anderes wie Teufel sind es gewesen! Brüllend und mit der Heugabel bewaffnet sausten ganze Scharen, gleich einem Sturmwinde dahin, und befand sich einer der Teufel über den Gruben, so stieß er mit der Heugabel in die Erde, zog einen Kreuzritter hervor und nahm ihn mit sich in die Hölle. Wohl hörten dann die Leute in Plawce ein Geheul wie von einem Rudel Hunde, sie vermochten jedoch nicht zu unterscheiden, ob die Deutschen aus Angst und Schrecken derart heulten, oder die Teufel aus Lust und Freude. Dies dauerte so lange, bis ein Priester die Gruben weihte, und bis zu Neujahr die Erde so fest gefroren war, daß sie mit keiner Heugabel durchstochen werden konnte.«

      Jetzt schwieg der Alte eine kurze Weile, fuhr aber dann also fort: »Gott lasse einem jeden der Kreuzritter das Ende zu teil werden, daß Ihr ihnen gewünscht habt, Herr Ritter, wenn gleich ich dies ja nicht mehr erleben werde. Solche Bürschlein aber wie diese zwei können noch Zeuge von gar manchem sein, niemals jedoch werden sie ähnliches erschauen, was ich erschaut habe.«

      So sprechend blickte der Greis abwechselnd bald auf Jagienka, bald auf die Tochter der Sieciechowa, wobei sich immer größeres Staunen über deren Schönheit auf seinem Antlitz zeigte.

      »Wie die Mohnblumen in einem Getreidefelde,« begann er dann plötzlich kopfschüttelnd wieder, »ähnliche Bürschlein habe ich noch niemals gesehen.«

      Unter solchen Gesprächen verstrich ein Teil der Nacht, dann legten sich die müde Gewordenen zum Schlummer nieder. Auf Moos, so weich wie Flaum, fanden sie Rast, warme Felle dienten ihnen als Decken. Durch einen erfrischenden Schlaf gekräftigt und gestärkt, traten sie am nächsten Morgen, sobald es völlig tagte, aufs neue die Fahrt an. Der Weg, den sie längs des Teufelsthales einschlugen, war zwar nicht besonders gut, bot aber auch keine allzu großen Schwierigkeiten, und so erreichten sie noch vor Sonnenuntergang Leczyca. Die Stadt war nach ihrer Einäscherung teils aus roten Ziegelsteinen, teils sogar aus andern Steinen frisch aufgebaut worden. Von hohen Mauern umgeben, wies sie zahlreiche Warttürme und noch prächtigere Kirchen als Sieradz auf. Die Dominikaner wußten ausführlich über den Abt zu berichten. Ihrer Aussage nach befand er sich auf dem Wege der Besserung, so daß er sich der freudigen Hoffnung hingeben konnte, einer völligen Genesung entgegenzugehen. Die Weiterfahrt hatte er schon seit mehreren Tagen angetreten. Wenn es nun aber auch Macko nicht allzusehr darum zu thun war, den Abt unterwegs einzuholen, weil er bei sich schon beschlossen hatte, die beiden Mägdlein nach Plock zu bringen, wohin sie auch der Abt gebracht hätte, so lag ihm doch um Zbyszkos willen viel an einem raschen Vorwärtskommen. Sorge und Kummer erregte daher die Nachricht in ihm, daß seit der Abreise des Abtes Bäche und Ströme in unheilvoller Weise angeschwollen seien. An eine Fortsetzung der Fahrt konnte deshalb nicht mehr gedacht werden. Macko wurde indessen von den Dominikanern als ein Ritter, der nicht nur ein beträchtliches Gefolge hatte, sondern der auch, wie er selbst sagte, sich auf dem Wege zu dem Fürsten Ziemowit befand, gastfreundlich empfangen und beherbergt. Er erhielt sogar schließlich ein Täfelchen aus Olivenholz von ihnen, auf dem in lateinischer Sprache ein Gebet an den Engel Raphael, dem Schutzpatron aller Reisenden, geschrieben stand.

      Der unfreiwillige Aufenthalt in Leczyca währte vierzehn Tage. Nur zu bald entdeckte einer der Knappen des Burgstarosten, daß die beiden schönen Bürschlein im Gefolge des alten Ritters verkleidete Mägdlein waren und entbrannte sofort in heißer Liebe zu Jagienka. Kaum hatte indessen Hlawa dies in Erfahrung gebracht und sich darüber vergewissert, so beschloß er, den Knappen auf festgetretener Erde zum Zweikampfe zu fordern, und stand erst von diesem Vorhaben ab, als ihn Macko darauf aufmerksam machte, daß sie ja am nächsten Morgen die Weiterfahrt antreten wollten.

      Als sie sich unterwegs nach Plock befanden, waren die Straßen durch den Wind schon trockener geworden, denn wenn auch noch häufig Regenschauer fielen, waren sie doch, wie gewöhnlich zur Frühjahrszeit, selten von langer Dauer. Der Frühling hatte schließlich seine Einkehr gehalten und gar warmes Wetter gebracht. Helle Wasserstreifen glitzerten auf den Furchen der Felder, aus dem Ackerlande führte der Windhauch den Geruch von feuchter Erde mit sich. Aus den Morästen sprießten Butterblumen hervor, in dem Walde keimten die Sumpfveilchen, und das fröhliche Gezwitscher der Grasmücken tönte durch das Geäst. Auch die Herzen der Dahinziehenden schwollen in frischer Lust und Hoffnungsfreude, kamen sie doch so rasch vorwärts, daß sie schon nach sechzehn Tagen vor den Thoren von Plock standen.

      Da sie jedoch zur Nachtzeit anlangten, waren die Thore bereits geschlossen, und so mußten sie außerhalb der Mauern bei einem Weber Rast machen. Erst zu sehr vorgerückter Stunde legten sich die beiden Mägdlein zur Ruhe, fielen aber dann auch, aufs höchste ermüdet von den Mühseligkeiten und den Beschwerden der langen Reise, in einen felsenfesten Schlaf. Macko, dem die größten Strapatzen nichts anhaben konnten, ließ Jagienka und Anielka ruhig weiter schlafen, er selbst aber wartete nur das Oeffnen der Thore ab und begab sich dann sofort allein in die Stadt, wo er die Kathedrale und den Wohnsitz des Bischofes leicht fand. Die erste Kunde, die ihm hier wurde, lautete dahin, der Abt habe schon vor sieben Tagen das Zeitliche gesegnet. Ja, schon vor einer Woche war der Abt gestorben, der herrschenden Sitte gemäß mußten aber Messen über dem Sarge gelesen und sechs Tage lang Leichenfeierlichkeiten abgehalten werden. Macko traf also gerade an dem Tage in Plock ein, an dem das Begräbnis, die Gedächtnisfeier und das letzte Leichenmahl zum ehrenden Angedenken an den Dahingeschiedenen stattfinden sollten.

      Tief bekümmert über das Gehörte, empfand Macko nicht einmal Lust dazu, sich die Stadt anzuschauen, die er übrigens auch schon berührt hatte, als er sich früher einmal mit einem Schreiben der Fürstin Alexandra zu dem Großmeister begeben wollte. So rasch wie möglich kehrte er in das außerhalb der Mauern gelegene Haus des Webers zurück. Unterwegs sagte er zu sich selbst: »Ja, ja, nun ist er tot! Möge ihm die ewige Ruhe zu teil werden! Gegen den Tod giebt es kein Mittel in der Welt! Was kann ich aber nun mit den beiden Mägdlein beginnen?«

      Sinnend schritt er dahin. »Ist es ratsamer, sie unter der Obhut der Fürstin Alexandra oder der Fürstin Anna Danuta zurückzulassen, oder sie mit nach Spychow zu nehmen;« so fragte er sich. Mehr als einmal schon war ihm auf dieser Fahrt der Gedanke gekommen, Danusia lebe vielleicht nicht mehr, es könne daher nur wünschenswert sein, wenn Jagienka in der Nähe von Zbyszko weile. Daß der junge Ritter die von ihm heiß Geliebte lange betrauern und beweinen werde, darüber konnte kein Zweifel herrschen, allein ebensowenig unterlag es einem Zweifel, daß die Nähe einer Maid wie Jagienka großen Einfluß ausüben müsse. Lebhaft erinnerte sich Macko daran, wie Zbyszko, dessen Herz ihn ja fort aus den Wäldern Masoviens zog, von einem Zittern ergriffen worden war, als sich Jagienka in seiner Nähe befunden