Gesammelte Werke von Gustave Flaubert. Гюстав Флобер

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Название Gesammelte Werke von Gustave Flaubert
Автор произведения Гюстав Флобер
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027209903



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rief er aus. »Hol mich der Teufel! Ein hübsches Weib wars doch!«

      Emmas Reize und all die Freuden der Liebschaft mit ihr lockten ihn noch einmal. Er ward weich. Dann aber empörte er sich gegen diese Rührung.

      »Nein, nein! Ich kann Haus und Hof nicht verlassen!«

      Er gestikulierte heftig.

      »Und dann das lästige Kind … die Scherereien … die Kosten!«

      Er zählte sich das alles auf, um sich stark zu machen.

      »Nein, nein! Tausendmal nein! Es wäre eine Riesentorheit!«

      Dreizehntes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Kaum auf seinem Gute angekommen, setzte sich Rudolf eiligst an den Schreibtisch, über dem an der Wand ein Hirschgeweih, eine Jagdtrophäe, hing. Aber sowie er die Feder in der Hand hatte, wußte er nicht, was er schreiben sollte. Den Kopf zwischen beide Hände gestützt, begann er nachzudenken. Emma war ihm in weite Ferne entrückt. Der bloße Entschluß, mit ihr zu brechen, hatte sie ihm mit einem Male ungeheuerlich entfremdet.

      Um sie greifbarer vor sich zu haben, suchte er aus dem Schranke, der am Kopfende seines Bettes stand, eine alte Blechschachtel hervor, in der ursprünglich einmal Kakes drin gewesen waren und in der er seine »Weiberbriefe« aufbewahrte. Geruch von Moder und vertrockneten Rosen drang ihm entgegen. Zu oberst lag ein Taschentuch, verblaßte Blutflecken darauf. Es war von Emma; auf einem ihrer gemeinsamen Spaziergänge hatte sie einmal Nasenbluten bekommen. Jetzt fiel es ihm wieder ein. Daneben lag ein Bild von ihr, das sie ihm geschenkt hatte. Alle vier Ecken daran waren abgestoßen. Das Kleid, das sie auf diesem Bilde anhatte, kam ihm theatralisch vor und ihr himmelnder Blick jämmerlich. Wie er sich ihr Konterfei so betrachtete und sich das Urbild in die Phantasie zurückzurufen suchte, verschwammen Emmas Züge in seinem Gedächtnisse, gleichsam als ob sich die noch lebende Erinnerung und das gemalte Bildchen gegenseitig befehdeten und eins das andre vernichtete.

      Nun fing er an, in ihren Briefen zu lesen. Die aus der letzten Zeit wimmelten von Anspielungen auf die Reise; sie waren kurz, sachlich und in Eile hingeschrieben, wie Geschäftsbriefe. Er suchte nach den langen Briefen von einst. Da sie zu unterst lagen, mußte er den ganzen Kasten durchwühlen. Aus dem Wust von Papieren und kleinen Gegenständen zog er mechanisch welke Blumen, ein Strumpfband, eine schwarze Maske, Haarnadeln und Locken heraus. Braune und blonde Locken. Ein paar Haare davon hatten sich ins Scharnier gezwängt und rissen nun beim Herausnehmen….

      Mit allen diesen Andenken vertrödelte er eine Weile. Er stellte seine Betrachtungen über die verschiedenen Handschriften an, über den Stil in den einzelnen Briefbündeln, über die nicht minder variierende Rechtschreibung darin. Die einen hatten zärtlich geschrieben, andre lustig, witzig oder rührselig. Die wollten Liebe, jene Geld. Zuweilen erinnerte sich Rudolf bei einem bestimmten Worte an Gesichter, an gewisse Gesten, an den Klang einer Stimme. Manche wiederum beschworen nicht die geringste Erinnerung herauf.

      Alle diese Frauen kamen ihm jetzt alle auf einmal in den Sinn. Jede war eine Feindin der andern. Alle zogen sie sich gegenseitig in den Schmutz. Etwas Gemeinsames – die Liebe – stellte sie allesamt auf ein und dasselbe Niveau.

      Wahllos nahm er einen Stoß Briefe in die Finger, bildete eine Art Fächer daraus und spielte damit. Schließlich aber warf er sie, halb gelangweilt, halb verträumt, wieder in den Kasten und stellte diesen in den Schrank zurück.

      »Lauter Blödsinn!«

      Das war der Extrakt seiner Lebensweisheit. Sein Herz war wie ein Schulhof, auf dem die Kinder so erbarmungslos herumgetrampelt waren, daß kein grüner Halm mehr sproß. Die Freuden des Daseins hatten noch gründlicher gewirtschaftet. Die Schüler kritzeln ihre Namen an die Mauern. In Rudolfs Herz war keiner zu lesen.

      »Nun aber los!« rief er sich zu.

      Er begann zu schreiben:

      »Liebe Emma!

      Sei tapfer! Ich will Dir Deine Existenz nicht zertrümmern….«

      »Eigentlich sehr richtig!« dachte er bei sich. »Das ist nur in ihrem Interesse. Also durchaus anständig von mir….«

      »… Hast Du Dir Deinen Entschluß wirklich reiflich überlegt? Hast Du aber auch den Abgrund bemerkt, armes Lieb, in den ich Dich beinahe schon geführt hätte? Wohl nicht! Du folgst mir tollkühn und zuversichtlich, im festen Glauben an das Glück, an die Zukunft! Ach, wie unglücklich sind wir! Und wie verblendet waren wir!«

      Rudolf hörte zu schreiben auf. Er suchte nach guten Ausflüchten. »Wenn ich ihr nun sagte, ich hätte mein Vermögen verloren? Ach, nein, lieber nicht! Übrigens nützte das nichts. Die Geschichte ging dann doch wieder von neuem los. Es ist, weiß Gott, verdammt schwer, so eine Frau wieder vernünftig zu machen!«

      Er sann nach, dann schrieb er weiter:

      »Ich werde Dich niemals vergessen. Glaube mir das! Mein ganzes Leben lang werde ich in inniger Verehrung Deiner gedenken. So aber hätte sich unsre Leidenschaft (das ist nun einmal das Schicksal alles Menschlichen!) eines Tages, früher oder später, doch verflüchtet. Zweifellos! Wir wären ihrer müde geworden, und wer weiß, ob mir nicht der gräßliche Schmerz beschieden gewesen wäre, Deine Reue zu erleben und selber welche zu empfinden als Veranlasser der Deinigen? Die bloße Vorstellung, Dir dieses Leid verursachen zu können, martert mich. Liebste Emma, vergiß mich! Wir hätten uns nie kennen lernen sollen! Warum bist Du so schön! Bin ich der Schuldige? Bei Gott, nein, nein! Wir müssen das Schicksal anklagen….«

      »Dieses Wort machte immer Eindruck«, sagte er zu sich.

      »Ja, wenn Du eine leichtsinnige Frau wärst, wie es ihrer so viele gibt, ja dann hätte ich den Versuch wagen können, aus Egoismus, ohne Gefahr für Dich. Aber bei Deiner köstlichen schwärmerischen Art, dem Quell Deines Reizes und zugleich Deines vielen Kummers, bist Du nicht imstande, Du Beste aller Frauen, die Kehrseite unsrer zukünftigen Stellung in der Welt vorauszusehen. Auch ich habe zunächst gar nicht daran gedacht, habe mich in unserm Höhenglücke behaglich gesonnt, mich in ein Märchenland geträumt und mich um keine Folgen gekümmert….«

      »Vielleicht glaubt sie, ich zöge mich aus Geiz zurück…. Auch egal! Desto besser! Wenns nur Schluß wird!«

      »… Die Welt ist grausam, geliebte Emma. Man hätte uns überall, wohin wir gekommen wären, Schwierigkeiten bereitet. Du hättest unverschämte Fragen, Verleumdungen, Schmähungen und vielleicht Beleidigungen über Dich ergehen lassen müssen. Beleidigungen, Du! Und ich wollte Dich zu meiner Königin erheben. Du solltest mein Heiligstes sein. Nun bestrafe ich mich mit der Verbannung, weil ich Dir so viel Schlimmes angetan habe. Ich gehe fort. Wohin? Ach, ich weiß es nicht, ich bin wahnsinnig!

      Lebwohl! Bleib immer gut! Und vergiß den Unglücklichen nicht ganz, der Dich verloren hat! Lehre Deine Kleine meinen Namen, damit sie mich in ihre Gebete einschließt!«

      Die Lichter der beiden Kerzen flackerten unruhig. Rudolf stand vom Schreibtisch auf und schloß das Fenster.

      »So! Ich denke, das genügt! Halt! Noch etwas! Auf keinen Fall eine Aussprache!«

      Er setzte sich wieder hin und schrieb weiter:

      »Wenn Du diese betrübten Zeilen lesen wirst, bin ich schon weit weg, denn ich muß eilends fliehen, um der Versuchung zu entrinnen, Dich wiedersehen zu wollen. Ich darf nicht schwach werden! Wenn ich wiederkomme, dann werden wir vielleicht miteinander von unsrer verlorenen Liebe reden, kühl und vernünftig. Adieu!«

      Er setzte noch ein ›A dieu!‹ darunter, in zwei Worten geschrieben. Das hielt er für sehr geschmackvoll.

      »Wie soll ich nun unterzeichnen?« fragte er sich. »Dein ergebenster? Nein! Dein treuer Freund? Ja, ja! Machen wir!«

      Und er schrieb:

      »Dein treuer Freund R.«

      Er las den ganzen Brief