Название | Gesammelte Werke |
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Автор произведения | Isolde Kurz |
Жанр | Языкознание |
Серия | Gesammelte Werke bei Null Papier |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783962812515 |
Ich versprach’s. Aber als ich mich nur von weitem und mit Vorsicht der Frage näherte, da war es, als ob man ein übervolles Gefäß angestoßen hätte, und es brach aus dem Armen hervor wie ein lange angesammelter, unerträglich gewordener Schmerz!
Nicht ich verlasse meine Ziele, sagte er, sie verlassen mich! Seit meiner Heirat ist es so. Die glückliche Liebe verträgt sich nicht mit der Kunst, wenigstens nicht mit der tragischen. Wer stark sein will, der bleibe allein. Du fragtest mich einmal in Luzern: Was hast du deiner Frau vorzuwerfen? – Nichts, nichts, als dass sie mir die Götter vertrieben hat. Nein, nicht sie, die Arme, versteh’ mich recht, nicht ihre Person, es ist die Ehe, das ständige Zusammensein mit einem anderen Wesen, was die starken Gesichte nicht aufkommen lässt, die Gemeinsamkeit des Lebens. Aus meiner ärmlichen Studentenbude im Türmchen des irren Dichters, wo ich manchen Tag ohne Essen saß, da kamen die Götter zu mir. Hier in dem schönen Studierzimmer, das alle bewundern, fliegt mich nur das Geringwertige an.
Nichts Geringwertiges, beschwichtigte ich. Etwas Geringwertiges wirst du niemals machen. Nur ist es nicht das, was du selber von dir forderst.
Lass es gut sein, antwortete er. Es bedarf keiner Beschönigung. Meinst du, ich wüsste nicht, was unser allweiser Ruhland gestern Abend über mich zu dir geredet hat, als ihr zusammen wegginget? Es ist mir, als wäre ich dabeigewesen. Und er hat ja recht, ganz recht. Das sind wahrhaftig keine Adlerflüge, was auch Freund Berka sagen mag. Es ist überhaupt kein Fliegen, nur ein Flattern mit gebundenen Schwingen. Aber was soll ich denn machen? Mit zusammengelegten Händen sitzen und warten, bis eine große Eingebung sich meiner bemächtigen will und mich unterdessen von meiner Frau ernähren lassen? So bin ich wenigstens ein fleißiger Arbeiter geworden. Ich sitze meine Stunden am Schreibtisch gewissenhaft ab wie ein Beamter und beschreibe unendliche Stöße von Papier. Davon wandert dann freilich die größere Hälfte in den Ofen und die andere – du hast es ja gesehen – die taugt auch nicht viel.
Es war der strahlendste Apriltag, wir gingen in den frischbelaubten Anlagen gegen Kannstatt hin. Durch die dichten Zweige der Kastanien fielen die Jubeltöne der Amsel herunter, die roten Blütenkerzen leuchteten, und hier verzweifelte einer, weil er zu glücklich war.
Wenn du wieder einmal die Blätter der Trilogie hervorholtest, warf ich ein, und dich in die Stimmung vom Hölderlinsturm zu versenken suchtest?
Er lachte bitter.
Wenn ich meine alten Blätter hervorhole, so sieht mich ein Stoß Papier mit schwarzen Buchstaben an. Das ist alles. Aber die Gesichte, die uns viere damals berauschten, wo sind die? Fort, fort, verflogen!
Er hatte den Hut abgenommen, um sich die gerötete Stirn zu lüften. Jetzt riss er auch den Hemdkragen auf, als ob er am Ersticken wäre.
Das kann doch nicht sein, sagte ich. Gehen sie ja mir, der ich nicht ihr Erzeuger bin, durchs Leben nach. Denke nur gleich an die Szene, wie Armin den Varus in Cheruska beglückwünscht.
Und ich begann aus dem Gedächtnis die Stelle, wie sie mir einfiel, ihm vorzusagen. Die zwei steinernen Rossebändiger mitten im Grünen, die aussahen wie ein nach Thuiskoland versetztes Stück Rom, gaben den rechten Hintergrund dazu, und als ich mit den Worten schloss:
Walhalla lächelt, weil Romas Götter unsre Gäste sind, – da stand er still und horchte, horchte noch lange fort wie auf das ferne Rauschen eines Wasserfalls.
Ja, sagte er endlich, so war es. Wenn ich den Faden wiederfinden könnte.
Ei was, rief ich, du musst ihn finden! Denk’ an den, der die Worte sprach: So kommandiert die Poesie!
Er konnte sie kommandieren. Er war ihr König, gab er zur Antwort. Und selbst Er, – wenn er etwas Großes vorhatte, so flüchtete er in sein Gartenhaus, und Christiane – durfte ihm das Essen schicken.
In seinem Gesicht arbeitete es grimmig, wie wenn Welten sich bekämpfen.
Ich muss sie brechen, ich muss sie brechen, diese Fesseln! Ich muss, ich muss! hörte ich ihn vor sich hin sagen, und als wir an den Schwanenweiher kamen, war er plötzlich von meiner Seite verschwunden.
Da hast du was Schönes angerichtet, sagte ich voller Angst zu mir selber, er ist imstande und verlässt sie.
Und mein böses Gewissen erlaubte mir nicht, Selma an diesem Abend vor Augen zu treten, da ich überzeugt war, es müsse heute irgend etwas Entscheidendes zwischen den Gatten vorgehen.
Am andern Morgen, der für meine Abreise bestimmt war, packte ich eben meine Wäsche in das Handköfferchen und überlegte wie viel Zeit mir bis zur Abfahrt des Zuges bleibe, um von den Freunden, denen mein Hiersein doch nur Verwirrung stiftete, Abschied zu nehmen, als Gustav bei mir eintrat. Er sah ganz verwandelt, strahlend aus, als ob er sich über Nacht verjüngt hätte, und sagte schnell:
Liebster, bester Freund, ich komme mit der dringenden Bitte, heute noch nicht abzureisen.
Dabei fuhr er mit einem mutwilligen Griff in den Haufen schön gefalteter Gegenstände, die ich zum Einpacken zurechtgelegt hatte, und streute sie auseinander.
Du weißt, dass am 15. mein Schiff in Hamburg abgeht, sagte ich.
Ein Tag verschlägt nichts, ich bitte dich nur um einen. Du hast mir gestern einen so großen Dienst erwiesen, dass du heute fortfahren und mir den zweiten erweisen musst. – Als du mir gestern meine eigenen Verse vorsprachst, da kam es auf einmal über mich wie im Turmstübchen des irren Dichters. Darum verließ ich dich so rasch, ich musste allein sein. Und denke dir, in der Nacht stellte sich plötzlich der Cherusker wieder ein und Varus mit seinen Römern und die reizende Atthis, die unsern Olaf entzückte, alle die alten Freunde aus der Junggesellenzeit. Das war ein Fest. Ich brachte die ganze Nacht im Studierzimmer zu, mir eilige Aufzeichnungen machend. Sie hatten mir nach der langen Zeit so viel zu sagen, dass ich mit Schreiben kaum nachkommen konnte. Und es brauste und wogte um mich her wie Weltgerichtsposaunen. Die Nachtstunden, die waren immer meine beste Arbeitszeit. Das muss wieder so werden. Meine arme Frau hat sich geängstet, natürlich, ich kam ja nicht zu Bette. Ich hörte sie mehrmals vor die Tür schleichen, aber sie rief mich zum Glück nicht an. Hätte ich geöffnet und nur ein Wort gesprochen, so wären die Gäste vielleicht entflohen, wer weiß wohin! So ließ ich sie stehen. Diese glückliche