Название | Gesammelte Werke |
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Автор произведения | Isolde Kurz |
Жанр | Языкознание |
Серия | Gesammelte Werke bei Null Papier |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783962812515 |
In diese Lücke, so war nun der Vorschlag, sollten wir zwei mit einem gemeinschaftlichen Werke treten. Mir fiel es zu, die einschlägigen Studien zu machen und die Texte zu schreiben, er wollte den grafischen Teil dazu liefern: Bildnisköpfe nach alten Gemälden, Vignetten mit Palastfronten, ausdrucksvollen Straßenecken und ähnliches. Außerdem übernahm er es, in Deutschland den Verleger zu suchen. Ich ging mit Begeisterung auf den Plan ein. Es war wie ein Wunder: endlich war mein Weg zu mir gekommen! Das Bürofräulein meldete sich ab, und mit unerhörtem Glanze stieg die florentinische Renaissance vor meinem inneren Auge empor. Mein Mütterlein, hochbeglückt und immer großartig bei ihren winzigen Mitteln, schenkte mir die damals noch sehr kostspielige zweibändige »Kultur der Renaissance« von Jacob Burckhardt, die Althofen als Einführung in den Geist der Zeit mit den höchsten Worten pries und die mir schnell zum unschätzbaren Besitz wurde.
Nachträglich muss ich mich verwundern, wie ich mich so unvorbereitet in die Aufgabe stürzen konnte, ohne die Spur einer Besorgnis, darin zu scheitern. Die Zuversicht war der Ausfluss meiner Unkenntnis. Goethe bekennt, dass er sich nicht an den Iphigenienstoff gewagt hätte, wäre er zu jener Zeit vertrauter mit der Vielseitigkeit des griechischen Mythos gewesen. Man darf also auch die Unwissenheit unter die Zahl der Musen rechnen. Mir gab sie ein Unterfangen ein, für dessen Ausmaß mir zu meinem Glück jede Schätzung fehlte, sonst hätte mir wohl bange werden können. Ich fragte auch gar nicht, was etwa von anderen in dieser Hinsicht gearbeitet sei, ich fühlte mich einfach von den Unsichtbaren durch einen plötzlichen Ruck auf diesen Platz gestellt. Jetzt störten mich Raummangel und Unruhe der Wohnung nicht mehr. Ich hielt mich den langen Tag auf der Biblioteca nazionale auf, stöberte in Katalogen, machte Auszüge, verglich Überlieferungen, überwand sogar meine Schüchternheit, indem ich Fachgelehrte aufsuchte, um mir Quellenwerke nachweisen zu lassen, und ich machte mir wieder aus Unkenntnis den Weg schwerer, als er hätte sein müssen, weil manche dieser Quellen, denen ich mühsam nachstieg, schon in bequeme Kanäle gefasst aber von mir ungesehen, daneben flossen. Doch ich wollte ja auch gar nicht aus fertigen Büchern zusammenstoppeln, sondern die Toten selber anrufen, dass sie mir ihr Gesicht zeigten. Mit Gino Capponis anspruchslos geschriebener, aber übersichtlicher Geschichte von Florenz begann ich meine Studien, wobei es zunächst unwesentlich war, ob diese Forschungen etwa schon zum Teil durch spätere überholt und berichtigt waren; es galt vorerst nur, sich in den Stoff und in den Geist der Zeit einzuleben. Ich überwand glücklich die verwickelten und verwirrenden mittelalterlichen Stadtkämpfe, aus denen für die ganze Dauer der alten Republik die sonderbarste und ungerechteste aller Staatsverfassungen hervorging, aber zugleich durch die Unterdrückung des kriegerischen Adels und die Vorherrschaft von Handel und Finanz ein Zustand geschaffen wurde, der dem, was man vorzugsweise unter der florentinischen Renaissance versteht als der Wiedergeburt des Geistes der Antike und zugleich einer eigenen Kulturblüte ohnegleichen, die Stätte bereitete. Diese Epoche stand unter der Führung der frühen großen Mediceer. Nicht als ob sie allein das Zeug dazu gehabt hätten, jeder Florentiner trug damals schicksalhaft, wie vom Geist der Geschichte gezwungen, dasselbe Wunschbild in der Seele. Aber die Zeit war reif, die Erfüllung musste kommen, und ihre politische Stellung legte sie in die Hände der Mediceer. Von dieser Familie, die dem Zeitalter den Namen gab, musste ich den Ausgang nehmen. Es hieß also nicht mehr sich eine Stadt zueigen machen sondern eine ganze Kultur, die glanzvollste und fortwirkende seit der griechischen; ihre Bedeutung ging mir jetzt auf ihrem Mutterboden zum ersten Mal auf. Von Schritt zu Schritt lernte ich sie erkennen als die Wiege des modernen Lebens, aus der die Keime der geistigen Anregung in alle Länder flogen. Und die Menschen, die das alles geschaffen hatten! Was ist die Zeit? Eine Scheidewand aus Leinen und Pappe. Ich blies, da lag sie, und hinter ihr hervor traten sie, die lange gesuchten Freunde, die hohen Verwandten, die vor Hunderten von Jahren gelebt hatten!
Auch hier konnte ich nicht ab ovo beginnen und in der geraden Reihenfolge weitergehen, sondern ein heller Mittelpunkt, der zuerst meine Augen anzog, Lorenzo de’ Medici, den sie, das Wort magnifico missverstehend, den Prächtigen nennen – er war prächtig, aber der Beiname meinte anderes –, sandte seine Strahlen nach allen Seiten. Er zog zunächst nach rückwärts hinstrahlend seine Vorfahren und die Vorgeschichte seines Hauses samt ihren gestürzten Mitbewerbern in den Kreis. Dann belichtete dieses leuchtende Zentrum seine Zeitgenossen, die Freunde und Feinde, die