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»welche denken, fühlen, wie ich selbst, nicht vertierte Leibeigne, gebildete Männer –«

      »Und vor Allem Pauloff –«, fiel Katharina II. ein.

      »Ja – Pauloff.«

      »Sie hassen ihn wirklich?«

      »Ob ich ihn hasse –«

      »Es würde mich in der That unterhalten«, sagte die Zarin nachsinnend, »aber wie könnte man das machen?«

      »Lassen mich Eure Majestät nur einen Tag an Ihrer Statt regieren«, flehte die schöne Witwe mit erhobenen Händen.

      »Was fällt Ihnen ein?« antwortete die Kaiserin, ein wenig die Stirn runzelnd, »aber – ich hab’s – Sie sollen ein Regiment bekommen –«

      »Ein Regiment?« staunte Frau von Mellin.

      »Das Regiment Tobolsk ist eben frei«, sagte Katharina II., »ich ernenne Sie zum Obersten desselben«.

      »Welche Gnade!« – Die schöne Witwe küßte die Hände der Kaiserin.

      »Als Herrin über Tod und Leben Ihrer Soldaten und Offiziere haben Sie Gelegenheit genug, Ihre grausamen Launen zu befriedigen. Aber, ich bitte sehr, ohne Ungerechtigkeit.« »Und ist Pauloff in dem Regimente?« fragte die rachlustige Schöne rasch.

      »Nein, so viel ich weiß.«

      »Aber Sie geben mir ihn, Majestät?«

      Katharina II. lachte. »Wir werden sehen!«

      »Ich bitte Eure Majestät kniefällig«, rief Frau von Mellin, indem sie sich vor der Kaiserin niederwarf, »geben Sie mir diesen Menschen – er verdient unter den Korporalstock zu kommen, er ist der frechste, leichtfertigste und hochmütigste Mann in Rußland, und er hat unser ganzes Geschlecht beleidigt.«

      »Indem er Ihre Zofe küßte?« lachte die Zarin.

      »Er schmäht die Frauen bei jeder Gelegenheit«, fuhr Frau von Mellin fort, »ja, er wagt es, Sie selbst –«

      »Mich?« Die Zarin biß sich in die Lippe.

      »Eure Majestät können sich selbst überzeugen.«

      »Ja, ich will mich überzeugen«, rief Katharina II. riß zornig einem Schmetterling, den sie eben gefangen hatte, die Flügel aus und warf ihn in die Dornen.

      II.

       Inhaltsverzeichnis

      Die Hauptwache der Garde in Zarskoje Selo war das Rendezvous sämtlicher junger Offiziere jener Regimenter, welche die schöne nordische Despotin zu hüten hatten vor Soldatenverschwörungen und Palastrevolutionen. Vom Morgen bis zum Abend und vom Abend bis zum Frührot rollten hier die Würfel, die Silberrubel mit dem Bilde Katharina’s auf dem schmutzigen Tische von rohem Holze. Um Mitternacht, wenn die Kaiserin in ihrem Kabinette arbeitete, neue Gesetze prüfte, Depeschen las, an Voltaire oder Diderot schrieb, die Hofdamen sich hinter die Gardinen ihrer hohen Himmelbetten zurückgezogen hatten, der Palast und die Gärten der neuen Semiramis zu schlafen schienen, war hier der Lärm der Spielenden, Trinkenden, Betrunkenen, Streitenden am größten und artete nicht selten zur wüsten Orgie aus.

      So auch heute. Die Talglichter, mit denen der kleine, unsaubere Raum spärlich beleuchtet war, und welche vollkommen heruntergebrannt waren, warfen ihre düsteren Lichter auf etwa zwanzig vom Wein erhitzte, gerötete, oder von der Leidenschaft bleich verzerrte Gesichter junger Lieutenants und Kapitäne, welche durcheinander schrieen, johlten und sangen. Diesmal spielten sie Onze et demi.

      Kapitän Pauloff hielt die Bank. Es war ein hoher, schlanker Mann mit hübschem Gesicht, großen, lebhaften Augen und einem Anstrich von Kühnheit, der ihm sehr wohl stand. Er saß in dem allgemeinen Toben ruhig, ja schwermütig, denn er verlor immerfort. Von Zeit zu Zeit biß er sich in die Lippe oder zerschnitt mit seinem Sporn unter dem Tische die Diele, aber er beklagte sich nicht und fluchte auch nicht.

      Unbemerkt waren zwei neue Gäste an den Tisch herangetreten, offenbar Offiziere, denn sie trugen den russischen Soldatenmantel, aber sie hatten sich so eingewickelt und die dreieckigen Hüte so tief in die Stirne gedrückt, daß man das Regiment nicht erkennen und ihre auffallend hübschen, beinahe weiblichen Züge nicht unterscheiden konnte.

      Eben rief ein Dragoner: va banque! –

      Die Bank war gesprengt.

      Kapitän Pauloff zog leise an seinem kleinen, schwarzen Schnurrbart, der glückliche Reiteroffizier strich das Geld ein – ein Rubel fiel zur Erde.

      Pauloff hob ihn auf, betrachtete die imposante, von Hermelin umrahmte Büste der Zarin mit einem zweifelhaften Lächeln und warf ihn dann zu den anderen.

      »Nimm sie, die silberne Dame«, rief er, »ist meine letzte, ich habe einmal kein Glück mit den Frauen.«

      Die Kameraden lachten.

      »Weil sie wissen, daß Du sie nicht liebst«, murmelte der höher Gewachsene der beiden Ankömmlinge.

      »O! ich liebe sie schon«, entgegnete Pauloff, verächtlich mit den Lippen zuckend, »aber ich achte sie nicht.«

      »Und warum nicht?«

      »Warum? Weil das Weib an und für sich ein untergeordnetes Geschöpf ist«, sagte Pauloff, »indes war es doch auszuhalten, so lange die Frauenzimmer ihre Kinder aufzogen, kochten, spannen und nähten, jetzt aber präsidieren sie die Gelehrten und kommandieren Regimenter.«

      Ein wüstes Gelächter folgte seinen Worten.

      »Und giebst Du keine Ausnahme zu?«

      »Eine Ausnahme?« antwortete Pauloff trocken, »ich weiß keine.«

      »Nun – unsere Zarin!«

      »O! das ist freilich eine große Frau, ein starker Geist«, spottete Pauloff, »die versteht das Regieren, wie eine Marionette das Komödienspielen, gestern hieß das Stück Orloff, heute heißt es Potemkin, und kein Mensch weiß, wie es morgen heißen wird!«

      Diesmal entstand tiefe Stille, und ein jeder der Anwesenden sah den Andern mißtrauisch an.

      »Du hast zu viel getrunken«, sagte endlich der Dragoner.

      »Fehlgeschossen«, fiel ein finnischer Jäger ein, »der spricht genau so, wenn er nüchtern ist.«

      »Nimm Dich in Acht vor den Frauen«, sagte plötzlich eine sonore Stimme hinter Pauloff – in demselben Augenblick fühlte er eine Hand, die ihm auf die Schulter klopfte.

      Zugleich erhoben sich die Kameraden, und in dem allgemeinen Tumult war es den beiden Vermummten gelungen, unbemerkt in das Freie zu gelangen.

      »Was beschließen Eure Majestät?« begann der Größere der Beiden, welche rasch dem Palaste zuschritten. Es war Frau von Mellin.

      »Der Unverschämte soll mir büßen«, rief Katharina II. stehen bleibend und zornig mit dem Fuße stampfend, »Sie sollen ihn haben, liebe Mellin, Sie sollen ihn haben!«

      III.

       Inhaltsverzeichnis

      Am nächsten Morgen unterzeichnete die Zarin zwei Dekrete. Das eine ernannte Frau von Mellin zum Kommandanten des Regiments Tobolsk, das zweite versetzte den Kapitän Pauloff aus dem Regimente Simbirsk in jenes des schönen weiblichen Obersten. Vier Tage später stand das Regiment in dem großen Hofe seiner Kaserne im Viereck aufgestellt, um seinen neuen Befehlshaber im Reifrock zu erwarten. Die Offiziere witzelten unter sich halblaut, die alten grauen Soldaten machten finstere Gesichter, die Rekruten lachten und stießen sich mit den Ellenbogen.

      Endlich kündigte ein Vorreiter in roter Livree auf weißem Pferde die Erwartete an, welche gleich darnach