Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Название Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band)
Автор произведения Peter Rosegger
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075837325



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der Waldmeister nahm ihm die Angel und die Fischlagel weg und goß diese samt den Forellen in den See aus. Der Rodel wehrte sich nicht, sondern sagte: »Beim Gericht werden wir's erfahren, wem die Fische auf meiner Wiese gehören.«

      »Ganz schön«, entgegnete der Waldmeister und ging seines Weges. Weil er aber lieber Hammer als Amboß war, so verklagte er den Fischdieb.

      Jetzt hub ein Prozeß an.

      Der Rodel ging zum Gericht und brachte folgendes vor: »Die Sandach hat meine Wiese überschwemmt. Das Wasser rinnt zu und ab, und es ist ein See. Jetzt will des Kampelherrn Jägerknecht die Fische von meinem See haben. Ich sage aber: Der Kampelherr hat in der Sandach das Fischrecht, und nicht auf dem See. Für meinen Wiesengrund zahle ich Steuer. Das Heu ist hin auf Jahr und Tag, ich nutze die Fische und will sie zugesprochen haben.«

      Der Kampelherr hatte drei Advokaten zum Prozeßführen, denn bei dem gab's fortwährend an allen Enden zu tun. Einen davon schickte er nun zum Gericht gegen den Rodel. Der Herr Doktor läßt sich's nicht nachsagen, daß er seinen Brotgeber lässig vertrete und gelernt hat er auch etwas. Er stellte bei Gericht folgendes: »Wir haben das Fischwasser der Sandach gepachtet, ob es jetzt im Bette rinnt oder über das Ufer tritt, wir haben es gepachtet. Das Gesetz hat der Sandach keinen Weg vorgeschrieben, auf dem es rinnen muß und die Bauern sollen Schutzwehren bauen, wenn ihnen das Wasser nicht recht ist. Sei das Wasser der Sandach klein oder groß, rinne es nach rechts oder links, wir haben in ihm das Fischerrecht und der Bauer Rodel, der uns die Forellen entwendet, soll bestraft werden.«

      Hierauf entgegnete der Bauer Rodel: »Wer jetzt die Sandach messen will, sie hat in ihrem Bett so viel Wasser, als immer. Der See ist etwas Neues, ist im Regen vom Himmel gefallen und wenn der Kampelherr das Seewasser haben will, so soll er es pachten.«

      Es handle sich ja nicht ums Wasser, hierauf der Herr Doktor sehr glatt, es handle sich um die Fische. Und die Fische seien nicht vom Himmel gefallen, sie seien aus der Sandach, seien dort mit Sorgfalt und Kosten gehegt und gepflegt worden, es sei an ihrem Eigentum kein Zweifel.

      »Gut!« rief der Rodel, dem der Mut wuchs, je stärker sich der Feind zeigte, »und wenn der See austrocknet, was geschieht? Werden die Fische so brav sein und in ihr Revier, in die Sandach, zurückschwimmen? Ich denke, sie werden auf meiner Wiese liegen bleiben und zu stinken anheben, und da wird der gnädige Herr auf einmal keinen Anspruch drauf machen.«

      Der Herr Doktor blätterte fortwährend in Büchern und Schriften um; der Rodel hatte immer zu wenig Urkunden bei der Hand, heute fehlte dies, morgen das. Es zog sich schon in die Monate hinein, die Protokolle gingen hin und her, auf und ab, und die Gesetze wurden gedreht über und über. Es schien von Anfang an klar zu sein, daß der Rodel an den Fischen kein Anrecht hatte, aber der Bauer kam immer wieder mit neuen Einwänden, die der Richter zu beachten hatte. Er sah es wohl, nach dem Buchstaben des Gesetzes war seine Sache verloren, doch der Jakob hatte ihm gesagt, daß das Gesetz nicht allein einen Leib, den Buchstaben, sondern auch einen Geist habe, und nur der Geist des Gesetzes könne unter Gottes Namen entscheiden über Recht und Unrecht. Unbegreiflich blieb es allen in Altenmoos, daß der Rodel auf seinem Wiesengrund, wo er das Wasser nicht verkauft und nicht verpachtet hatte, nicht sollte fischen dürfen! Daß bei dem großen Unglück der Überschwemmung ihm nicht einmal der winzig kleine Vorteil, den ihm Gott zugewandt, gegönnt werden sollte! Es wäre himmelschreiend! Und lieber den ganzen Hof verprozessieren, als von der Sache lassen!

      In einer der vielen schlaflosen Nächte, da der Rodel über den Handel nachsann und grübelte, fiel ihm etwas ein. – Ja, dachte er, der Kampelherr ist also Eigentümer der Fische. Und wenn er nicht Eigentümer des Wassers ist, wieso darf er seine Fische drin schwimmen lassen? Und wenn er Eigentümer des Wassers ist, so muß er mir doch den Schaden vergüten, den mir sein Wasser angerichtet hat! – Alsogleich stand er auf und ging in eitler Nacht hinaus nach Krebsau zum Gericht. Er wartete ungeduldig am Tore, bis die Herren ins Amt kamen, schon von weitem schmunzelte er ihnen entgegen: Ich hab's! Wir Bauern sind nicht so dumm, wie wir ausschauen.

      »Heute«, sagte er, »mit Verlaub, heute komme ich mit einer neuen Geschichte. 's ist eine zuwidere Sach'! Wollt' sie vorbringen, wenn's verstattet wäre.«

      »Ist verstattet.«

      »Ich hab' einen Hund«, gab der Rodel an, »ein böses Rabenvieh, aber ich hab' ihn an der Kette. Da reißt er gestern los und beißt die Nachbarin. Jetzt will mich die Nachbarin verklagen, ich kann aber nicht dafür, daß das Biest die Kette abgerissen hat.«

      »Ja, lieber Bauer, da wird Euch nichts helfen«, sagte der Beamte, »Ihr müßt der Nachbarin den Schaden ersetzen, Schmerzensgeld zahlen und noch die Strafe. Ihr seid verantwortlich für Euren Hund und hättet eine stärkere Kette haben sollen.«

      »Vergelt's Gott für das Urteil!« sagte der Bauer und verneigte sich. »Wenn der Herr Christus in Gleichnissen gesprochen hat, so wird's einem armen Bauern auch erlaubt sein. Der Kettenhund, mit Verlaub, ist die Sandach. Die Sandach ist des Kampelherrn Kettenhund; der hat sich losgerissen und mich gebissen, der Kampelherr muß mir Schaden, Schmerzensgeld zahlen und noch die Strafe. Gottlob, daß wir endlich einmal fertig sind!«

      Der Amtmann klopfte dem Bauer auf die Achsel und sagte: »Lieber Alter, laßt Euch nicht auslachen und geht ruhig heim. Ist über Jahr und Tag das Wasser Eurer Wiese nicht verlaufen, so wird Euch für den Fleck die Steuer abgeschrieben werden. Achtet Ihr auf Eure Felder und Halden; Wasser und was drin ist, geht den Bauern nichts an.«

      Der Rodel entgegnete schneidig: »Wenn Wasser und was drin ist, den Bauern nichts angeht, so geht den Fischer das Land und was drauf ist nichts an. Und wenn er das Gras zertritt, so wird er sehen, was geschieht!«

      »Basta!« sagte endlich das Gericht, »die Fische gehören dem Kampelherrn.«

      »So soll er sie haben«, knurrte der Bauer zweideutig, und nun erinnerte er sich wieder einmal des alten Sprichwortes: Herrenwill' ist stärker als Bauernrecht.

      Unterwegs nach Hause begegnete ihm der alte Pechölnatz.

      »Rodel!« rief dieser ihm zu, »du kommst mir heute jämmerlich für.«

      Der Bauer erzählte, was ihm geschehen war. »Was meinst du?« fragte er zum Schluß.

      »Wenn ich was meinen soll, so muß ich mich niedersetzen«, sagte der Pechölnatz, »beim Gehen wird mir für die Meinung der Atem zu kurz.«

      Sie setzten sich aufs Moos. Der Natz trocknete seine Stirne. »Heiß ist's«, seufzte er. Und dann zum Rodel: »Bauer! Wenn deine Kuh den Zaun durchbricht und lauft in den Kampelherrnwald hinein, was geschieht?«

      »Was wird geschehen«, brummte der Bauer, »gepfändet wird mir das Vieh.«

      »Gepfändet wird's«, sagte der Natz und nickte mit dem Kopf, zum Zeichen, daß es auch so in Ordnung sei. »Und was wirst du machen, wenn des Kampelherrn Forellen auf deine Wiese kommen? He, was schaust mich so groß an? Pfänden wirst sie.«

      Das war wieder ein neuer Standpunkt. Aber der Schulmeister zu Sandeben riet dem Rodel, er sollt's gut sein lassen. Gepfändete Sachen müsse man ja doch wieder zurückstellen, was wäre da anzufangen? Eine gepfändete Kuh könne man melken, eine gepfändete Forelle könne man nicht melken. Und den Herren komme der Bauer nicht auf, er könne machen, was er wolle.

      Nun, so hat sich der Rodel dreingegeben, aber er hat sich's auch gemerkt. Etliche Tage nach der Entscheidung war's, daß er mit seinen Knechten unten am Rain dürres Gestrüpp verbrannte. Mit langen Hakenstangen krauten sie das Struppwerk in das Feuer und merkten es nicht, wie der Waldmeister Ladislaus an den nahen See kam, das schwimmende Brücklein losband, hinausschiffte und mit der Angel fischte. Er wollte das absichtlich vor den Augen des Rodel tun, um ihn zu ärgern. Doch zeigte es sich bald, daß der Mann auf der schaukelnden Plätte nicht so stramm stand, als auf dem festen Waldboden, und weil auch ein fürwitziger Herbstwind stoßweise mitruderte, so ging die Sache uneben. Der Waldmeister trachtete, mit dem Ruderbrett gegen das Ufer zu steuern, da stieß die Plätte an einen Felsblock und – patsch! lag er im Wasser.

      Wer denkt daran, daß ein Forstjäger im Gebirge schwimmen lernen sollte? Als der Mann nach dem ersten Untertauchen seinen Kopf pustend und