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Das ist Einer, vor dem man sich fürchten muß.«

      »Geh, Narr, wer wird sich fürchten. Wird er uns zu arg, so spalten wir ihm den Schädel.-«

      Wahnfred stieg ins Thal hinab und ging der Trach entlang; er wollte seinen Sohn Erlefried sehen. Er ging an der Dreiwand vorbei, er ging über den Platz, wo das Haus des Gallo Weißbucher gestanden war. Er kämpfte gegen Erinnerungen, die wie Nattern sein Herz umzingelten. Im Dürrbachgraben sah er plötzlich vor sich auf dem Rasen einen Menschen liegen; der lag regungslos auf dem Bauche, sein Haupt auf den Stein des Bachufers gelegt, seine Hände hingen ins rauschende Wasser. Wahnfred blieb ein paar Schritte vor diesem Körper stehen – es mußte ein noch junger Mann sein, die Füße waren nackt, die Haare waren blond und kraus. Wenn’s Erlefried wäre! Wahnfred dachte an den Erschlagenen in der Kirche. Wenn hier die Vergeltung vor ihm stünde! – Er wollte den trauten Namen rufen, er stöhnte ihn nur. In demselben Augenblicke richtete sich der Hingestreckte empor und in seiner Hand schwänzelte eine weißbauchige Forelle.

      »Erlefried!« stieß Wahnfred hervor. Er war’s. In Kraft und Schönheit stand er da. Ruhig stand er da, nur warf er zum Zeichen, daß er sich des Ernstes dieser Begegnung bewußt war, den Fisch wieder in das Wasser zurück.

      »Erlefried,« sagte der Wahnfred noch einmal. Der Bursche fühlte den Vorwurf, der in diesem Tone lag.

      »Suchst Du mich, Vater?« fragte er.

      »Der Sohn vergißt des Vaters.«

      »Ich habe Deiner nicht vergessen, aber ich hätte Dich nicht gesucht.«

      »Du wirst Dich am Tage der Sonnenwende auf dem Johannesberge zur neuen Gemeinde versammeln,« sagte Wahnfred.

      »Ich werde fern bleiben,« versetzte Erlefried, »Ich habe was Anderes vor. Es ist mit lieb, Vater, daß ich Dir’s sagen kann: ich nehme am Sonnenwendtage ein Weib.«

      Wahnfred schwieg eine Weile, dann murmelte er: »Ich habe lange geglaubt, Erlefried, Du wärest gestorben.«

      »Glaube es noch, Vater, es wird Dir besser sein,« versetzte der Jüngling; »Deinen Weg kann ich nicht gehen, ich kann nicht. Ich bete für Dich, daß er Dir der rechte sei. Aber mich laß im grünen Wald und bei meinen Freuden.«

      »Die Freuden im Wald, mein Sohn, die sind gefährlich. Alle, Alle will ich hervorrufen aus den Wäldern und versammeln im Schafstall.«

      »Mich laß, ich will den Wald roden und Feldbau treiben. Der Bart am Tärn hat mir sein Haus gegeben, da werde ich mit meiner Sela in Frieden leben und sterben.«

      Es steht nicht geschrieben, was Wahnfred darauf erwidert hat, auch nicht was er empfunden hat, als er so seinem Sohne gegenüber stand. Der Eine geht sterben, der Andere geht freien.

      »Wir können nicht dafür, daß wir uns fremd geworden sind,« sagte Erlefried, »im Himmel wird’s wohl aufgeschrieben bleiben, daß wir zusammengehören. Lebe wohl, Vater!«

      »Und Du willst ihm die Hand versagen, dem alten von Gott und Menschen verlassenen Mann!« rief Wahnfred, und mit einem Schrei des Schmerzes fiel er dem Burschen um den Hals. »O Kind, o mein Kind, hast denn ganz vergessen auf den armen Mann, dem Du einst sein Glück auf Erden bist gewesen! Hast vergessen auf Deine Mutter, die uns Beide so oft in den Armen hat gehalten, wie ich Dich jetzt halte, und nimmer lassen möchte, Du geliebtes Kind! O, komm mit mir, Erlefried, Du bist jung und fromm, Du hast noch gut sterben. Der Einzige unter uns Verlorenen, der gut sterben hat. Siehe, Dein Weg führt Dich jetzt so nahe an die Himmelsthür, da drinnen warten auf Dich Deine Voreltern, wartet Deine Mutter, da drinnen lebt Dein Gott. O sage nicht, Du seiest noch zu jung und wollest Dich der schönen Welt erfreuen. Kehrst du jetzt nicht ein, bald wendet sich der Weg zur Welt zurück, zur falschen Welt, führt Dich weit ab, wirst gehetzt von Deiner Begier; was Dir begegnet, ist Furcht, Angst, Schrecken, wo Du Lust wähnst, erwartet Dich der Schmerz. An Gräbern weinen, ist noch das Süßeste. Die Untreue mordet Dein Vertrauen, das Elend der Menschen mordet Deinen Glauben an Gott; Du kannst nimmer beten, nimmer weinen, alles, was Du thust, ob in Lieb’, in Haß, ob in Genuß, in Verzweiflung, es wird Dir zur Schuld. Dann wirst Du wie Einer, den die Nacht überfallen hat, diesem Weg zu suchen, auf dem Du heute stehst, aber jeder Schritt führt Dich tiefer ins Verderben. Erlefried, denk’ an Deine Seele!«

      Der junge Mann blickte befremdet auf, bei dem letzten Worte fuhr’s wie ein Blitz durch sein Herz. Sein Dämon fragte ihn, on die Seele denn gerettet sei oder noch dem Bösen angehöre? Wahnfred sah ihn wankend, glühenden Auges fuhr er fort in glühender Rede:

      »Und denke an sie, die Du Dir hast auserwählt. Bringe Deine Braut, sie ist wohl wie eine Blume im Schnee, sie ist wie ein Engel unter Verdammten, rette sie zu Gott. Den Himmel mach’ ihr zur Brautgabe, nur im Himmel werden die Ehen geschlossen – vergiß das nimmer, Sohn! O, laß Dich nicht bethören, die Welt ist hin, ‘s ist alles aus. Ich führe Dich, wir gehen miteinander ins himmlische Reich!«

      Erlefried erkannten nun, was aus dem Manne sprach; gegenüber dem Wahne wurde er vernünftig, er suchte sich dem unheimlichen Schwärmer zu entringen. Wahnfred bebte vor Erregung, mit beiden Armen umfaßte er den Jüngling und rief: »weich’ hinweg! Hinweg, du höllischer Teufel! ich will mein Kind haben, ich laß es nicht. O, steh mir bei, du himmlisches Heer! Jhr Engel Gottes, steht mir bei.«

      Ein Wahnsinniger! Erlefried raffte seine volle Kraft zusammen, schleuderte den rasenden von sich und floh davon.

      Auf der Höhe blieb er stehen und blickte zurück. Er sah seinen Vater nicht. Jetzt überkam ihn ein unsägliches Weh, ein herzzermalmendes Mitleid mit dem armen Manne. Er kehrte um, daß er ihn am Bache wiederfinde und in sein Haus begleite. Er fand ihn nicht mehr dort stehen.

      Traurig schritt Erlefried seines Weges, nahm sich aber vor, dem Vater zu Lieb’ zur Einweihung des Blockhauses auf den Johannesberg zu gehen. Und seiner Braut machte er den Vorschlag, ihr Hochzeitsfest mit dieser Feier zu verbinden.

      »Dir zu Lieb’,« sagte Sela.

      »So ist’s gut!« Sagte er, sie glückselig anblickend, »und jetzt lache und scherze wieder Eins!«

      »Ich kann nicht,« hauchte sie und legte ihr Haupt an seine Brust, »mein Erlefried, mit ist so bang.«

      Am Vorabende des Festes war’s, als sich Wahnfred allein im Bethause befand. Er hatte sich eingeschlossen, er kauerte am Altartische und schaute mit umflorten Auge in das schwere Gebälke des Daches empor. Bisweilen knisterte, krachte es im frischen Holze, sonst war alles still. Wahnfred starrte wie ein Träumender – irr und wirr – zu den sieben Rundfensterlein hinauf, von welchen das Tageslicht jetzt in blassen Strömen das Innere durchzog. Er murmelte die Worte: »Siehe, Er kommt aus den Wolken. Sehen werden sie, die ihn durchstochen haben, und wehklagen werden die Ge-schlechter der Erde. Sein Angesicht strahlt wie die Sonne. Seine Augen sind wie Feuerflammen. In seiner Hand hält er sieben Sterne. Aus seinem Munde geht ein zweischneidiges Schwert. Er ist der Anfang und das Ende. Ich fürchte mich nicht, ich habe des Todes und der Hölle Schlüssel ...«

      Dann stand er auf, kletterte auf Wandleisten bis zum Gebälk empor, wo er eine Kette aus Stroh befestigte, die er niederhängen ließ bis zum Altare, wie sonst die Ampelschnur niedergeht. Die Kette war breit und leicht geflochten und Wahnfred sagte zu ihr:

      »Du bist die heilige Jakobsleiter, auf der wir zum Himmel steigen – Morgen! – Morgen werden die Siegel gebrochen sein, wie ein zugerolltes Buch wird die Erde verschwinden ....«

      Er zuckte zusammen und erwachte. Es war ihm gewesen, als hätte er einen Ruf vernommen: »Wahnfred, was willst Du beginnen?«

      Er fragte laut: »Hat mich wer gerufen? Die Rechenschaft gebe ich gern. Wir sind verworfen. Jeder Athemzug, den wir thun, wird zum Laster. Niemand als der große Gott hemmt unseren Sturz in die Hölle.

      Gott, so umfassen wir Dich. Ich habe den Fluch gezeichnet, ich werde ihn löschen, das ewige Feuer mit irdischem löschen, das Land von uns befreien. –

      Der Skorpion, den man in einem Feuerringe gefangen hält, tödtet sich selbst .... Sie werden sagen, wir sind wahnsinnig geworden, aber sie werden nicht sagen können, wir wären