Название | Gesammelte Werke |
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Автор произведения | George Sand |
Жанр | Языкознание |
Серия | Gesammelte Werke bei Null Papier |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783962816148 |
Tausend Vermutungen boten sich ihrem nun wieder ruhigen und prüfenden Geiste dar. Wie konnte der Irre über Nacht in das so wohl verwahrte, jeden Abend von dem Stiftsfräulein und der Dienerschaft so sorgfältig durchsuchte Schloss dringen? Die Erscheinung Zdenko’s bestärkte sie in dem Gedanken, den sie immer schon gehegt hatte, dass das Schloss einen geheimen Ausgang, vielleicht eine unterirdische Verbindung mit dem Schreckenstein haben müsse. Sie lief und klopfte an Wenceslawa’s Tür, die sich bereits in ihrer strengen Klause eingeriegelt hatte und einen großen Schrei ausstieß, als sie sie ohne Licht und etwas bleich ankommen sah.
– Beruhigen Sie sich, teure Frau! sagte das junge Mädchen; ich bringe ein neues Ereignis, das seltsam genug ist, aber nichts Erschreckendes hat: ich habe Zdenko in des Grafen Albert Zimmer gehen sehen.
– Zdenko! aber Sie träumen, liebes Kind! wie sollte er hereingekommen sein? Ich habe alle Türen mit derselben Sorgfalt wie immer zugeschlossen, und während Sie außen waren nach dem Schreckenstein, habe ich die ganze Zeit über gute Wache gehalten: die Brücke war aufgezogen, und als Sie sie passiert hatten, um ins Haus zu gehen, war ich hinter Ihnen die letzte und ließ selber sie wieder aufziehen.
– Wie dem auch sei, gnädige Frau! Zdenko ist in Albert’s Zimmer. Es hängt nur von Ihnen ab, sich persönlich davon zu überzeugen.
– Ich gehe auf der Stelle hin, antwortete das Stiftsfräulein, ihn hinauszujagen, wie es Recht ist. Das elende Geschöpf muss bei Tage hineingegangen sein. Aber was kann er da wollen? Gewiss sucht er Albert oder will ihn erwarten; ein Beweis, liebes Kind, dass er nicht besser als wir weiß, wo Albert ist.
– Nun, gehen wir immer und fragen ihn! sagte Consuelo.
– Einen Augenblick, einen Augenblick! sagte Wenceslawa, die im Begriff zu Bett zu gehn, zwei ihrer Röcke abgelegt hatte und sich in den übrigen dreien zu wenig bekleidet glaubte; ich kann mich so vor keinem Manne zeigen, meine Liebe! Rufen Sie den Kaplan oder meinen Bruder Friederich, den ersten, den Sie erlangen können … wir können uns nicht beide allein der Gefahr aussetzen, mit diesem wahnsinnigen Menschen zusammenzukommen … aber nein! das geht ja nicht. Eine junge Person, wie Sie, kann doch nicht bei den Herren anklopfen … warten Sie, warten Sie! ich werde geschwind machen, in einem Augenblickchen bin ich fertig.
Sie brachte hierauf ihren Anzug in Ordnung, was umso länger dauerte, je mehr sie es geschwind tun wollte und weil sie, mehr als es seit langer Zeit geschehen war, in ihren regelmäßigen Gewohnheiten gestört, ganz und gar den Kopf verloren hatte. Ungeduldig über diesen Verzug, während dessen Zdenko Albert’s Zimmer verlassen und sich im Schlosse so verbergen konnte, dass er nicht zu finden wäre, fand Consuelo alle ihre Entschiedenheit wieder.
– Verehrte Frau! sagte sie, ein Licht anzündend, gehen Sie, diese Herren herbeizurufen, ich will indessen sehen, ob uns Zdenko nicht entwischt.
Sie stieg hastig die beiden Treppen hinauf, und öffnete mit mutiger Hand Albert’s Tür, die nicht widerstand; sie fand aber das Zimmer verlassen. Sie trat in ein anstoßendes Kabinet, hob die Vorhänge auf, war so kühn, selbst unter das Bett und hinter alle Möbel zu schauen. Zdenko war nicht mehr da und keine Spur verriet, dass er da gewesen.
– Er ist fort! sagte sie zu dem Stiftsfräulein, das von Hans und dem Kaplan begleitet heraufgetappt kam. Der Baron hatte sich schon niedergelegt gehabt und schlief; es war unmöglich, ihn zu ermuntern.
– Ich fange an zu fürchten, sagte der Kaplan ein wenig verdrießlich, dass man ihn zum zweiten Male aus seiner Ruhe gejagt hatte, ich fange an zu fürchten, dass die Signora Porporina sich von täuschenden Einbildungen zum Besten haben lässt …
– Nein, Herr Kaplan! antwortete Consuelo lebhaft, niemand hier macht sich deren weniger als ich.
– Und niemand besitzt mehr Seelenstärke und Aufopferung, alles wahr! entgegnete der gute Mann, jedennoch, Signora! mögen Sie wohl, aus zu feuriger Hoffnung, Anzeichen erblicken, wo leider keine vorhanden sind.
– Vater! sagte das Stiftsfräulein, die Porporina ist mutig wie ein Löwe und klug wie ein Doctor. Wenn sie Zdenko gesehen hat, so ist Zdenko da gewesen. Man muss ihn im ganzen Hause suchen, und da alles wohl verschlossen ist, Gott sei Dank, so kann er uns nicht entwischen.
Man weckte die übrige Dienerschaft und suchte in allen Winkeln. Kein Schrank blieb ungeöffnet, kein Möbel unverrückt. Aller Vorrat auf den geräumigen Speichern wurde um und umgekehrt. Hans trieb sogar die Naivität so weit, in die großen Stiefel des Freiherrn hineinzugucken. Zdenko war so wenig darin als sonst wo. Man fing an zu glauben, Consuelo habe geträumt; sie aber wurde nur noch fester in der Überzeugung, dass ein geheimer Ausgang zu finden sein müsste, und nahm sich vor, alle ihre Beharrlichkeit an die Entdeckung desselben zu setzen.
Kaum hatte sie einige Stunden geruht, als sie ihre Untersuchung begann. Der Flügel, in welchem sie wohnte, und worin auch Albert’s Zimmer sich befand, lehnte sich an die Felswand. Albert hatte selbst sich seine Wohnung so gewählt und einrichten lassen, dass er nach Süden einer malerischen Aussicht genoss und dicht bei seinem Arbeitskabinet eine hübsche kleine Gartenterrasse hatte, auf welche man unmittelbar aus dem Zimmer hinaustrat. Er liebte die Blumen und zog dort in Erde, die man auf die steinige Bergstufe hinaufgeschafft hatte, seltene Gewächse.
Die Terrasse umgab eine Brustwehr von großen Werkstücken, welche auf dem schroffen Felsrande auflagen; man übersah von diesem Blumenparkett den Absturz der anderen Talwand und einen Teil des weiten zackigen Horizonts des Böhmerwaldes. Consuelo, die hier noch nicht gewesen war, bewunderte die schöne Lage und die malerische Anordnung; dann ließ sie sich vom Kaplan sagen, wozu diese Terrasse gedient hätte, ehe das Schloss aus einer Festung in einen herrschaftlichen Wohnsitz umgewandelt worden.
– Es war dies, sagte er, eine alte Bastion, eine Art befestigter Warte, von wo auf die Besatzung die Bewegungen des Feindes unten im Tal und auf den anliegenden Berghängen beobachten konnte. Es gibt keinen Zugang zum Schlosse, den man hier nicht übersehen könnte. Ehemals war die Plattform mit einer hohen Mauer umgeben, welche Schießscharten nach allen Seiten hatte und diejenigen, welche sie besetzt hielten, vor den feindlichen Bolzen oder Kugeln