Название | Gesammelte Werke |
---|---|
Автор произведения | George Sand |
Жанр | Языкознание |
Серия | Gesammelte Werke bei Null Papier |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783962816148 |
Wäre ihm Anzoleto durch Wachsamkeit im Wege gewesen, so hätte ihn der Verdruss hierüber vielleicht zu rascherem Handeln angespornt, aber Anzoleto ließ ihm das Feld frei, Consuelo dachte nichts Arges: und so schien ihm das geratenste, sich angenehm zu machen, bis er sich unentbehrlich gemacht haben würde. Es gab keine Art von zarter Aufmerksamkeit, von ausgesuchter Galanterie, die er nicht aussann, um ihr gefällig zu werden.
Consuelo nahm diese Vergötterung an, indem sie alles nur auf Rechnung der eleganten und freigebigen Patriziersitte, des leidenschaftlichen Dilettantismus und der Gutmütigkeit ihres Beschützers schrieb. Sie fühlte für ihn aufrichtige Freundschaft, fromme Erkenntlichkeit, und er, beglückt und befremdet von dieser Hingebung einer reinen Seele, fing an, vor derjenigen Empfindung, die er hervorrufen würde, wollte er sich endlich Bahn brechen, zu erschrecken.
Während er sich furchtsam und nicht ohne süße Befriedigung einem ihm ganz neuen Gefühle hingab (für seine Fehlrechnung tröstete er sich einigermaßen damit, dass ganz Venedig an seinen Sieg glaubte), fühlte auch Corilla, dass in ihr eine Art Verwandlung vor sich ging. Sie liebte, wenn auch nicht edel, wenigstens heiß, und ihre reizbare und herrische Seele beugte sich unter das Joch ihres jungen Adonis. Ein wahrhaftes Bild der unkeuschen Venus, erbeutet von dem stolzen Jäger und zum ersten mal demütig und schüchtern vor einem bevorzugten Sterblichen.
Ihre Unterwerfung war so vollständig, dass sie Tugenden zur Schau trug, die ihr fehlten, die ihr jedoch, erheuchelt wie sie waren, eine Art süßer Rührung und Wollust zu schmecken gaben: so wahr ist es, dass die Vergötterung, die man seinem Selbst abzieht um sie auf ein anderes Wesen überzutragen, auch die der Größe und der Aufopferung unfähigsten Seelen auf Augenblicke hebt und adelt.
Die Aufregung, in welcher sie sich befand, wirkte auf ihre Leistungen ein, und man bemerkte im Theater, dass sie die pathetischen Rollen mit mehr Wahrheit und mit mehr Gefühl spielte.
Aber da sie in ihrer Eigentümlichkeit, in ihrem innersten Wesen gleichsam zerknickt war, da es eine heftige und schmerzhafte Crisis war, welche allein diese innere Umwandlung bewirken konnte, so erlag ihre physische Kraft in dem Kampfe, und täglich mehr bemerkte man mit Erstaunen, die einen schadenfroh, die anderen ernstlich besorgt, wie ihre Mittel abnahmen. Ihre Stimme versagte ihr jeden Augenblick. Die brillanten Capricen, welche sie improvisierte, verunglückten durch Atemmangel und Unsicherheit der Intonation. Verdruss und Angst, die ihr das alles erregte, raubten ihr vollends alle Herrschaft über sich, und bei der Aufführung, welche dem Auftreten Consuelo’s unmittelbar voranging, sang sie so falsch und verdarb so viele glänzende Passagen, dass ihre Freunde nur schwach applaudierten und bald vor dem Murren der Gegner bestürzt verstummen mussten.
Endlich erschien der große Tag, und der Saal war so angefüllt, dass man kaum atmen konnte. Schwarz gekleidet, bleich, aufgeregt, mehr tot als lebendig, geteilt zwischen der Furcht, ihren Geliebten scheitern, und der, ihre Nebenbuhlerin triumphieren zu sehen, saß Corilla im hintersten Winkel ihrer kleinen dunkeln Loge auf dem Theater.
In dreifachem blendendem Halbcirkel mit Blumen und Diamanten prunkte das ganze erste und zweite Aufgebot des Adels und der Schönheiten Venedigs. Die »Charmanten« belagerten die Coulissen und nach damaligem Brauche, einen Teil der Bühne. Die Dogeresse zeigte sich mit allen großen Würdenträgern der Republik am Proscenium. Porpora dirigierte selbst das Orchester, und Graf Zustiniani erwartete Consuelo, deren Toilette noch nicht beendigt war, an der Tür ihrer Loge, während Anzoleto als ein antiker Krieger mit aller bizarren Coquetterie des damaligen Geschmacks herausgeputzt, in der Coulisse ohnmächtig wurde, und ein großes Glas Cyperwein hinunterstürzte, um sich wieder auf die Beine zu bringen.
Die Oper war weder von einem Classiker, noch von einem Neueren, weder von einem aus der strengen Schule, noch von einem modernen Waghals. Sie war das unbekannte Werk eines Fremden. Porpora, der vor allem um den Erfolg seiner Schülerin besorgt, gern die Cabalen vermeiden wollte, die er durch seinen oder irgendeinen anderen berühmten Namen bei den Komponisten aufzuregen mit Recht fürchtete, hatte die Oper Ipermnestra vorgeschlagen und einstudieren lassen, die erste Arbeit eines jungen Deutschen, der in Italien und überhaupt noch nirgend in der Welt weder Feinde noch Sëiden hatte, und der nur schlechtweg Monsieur Christoph Gluck hieß.
Als Anzoleto auftrat, lief ein Murmeln der Bewunderung durch den Saal. Der Tenor, an dessen Stelle er trat, war ein bewundernswürdiger Sänger gewesen; er hatte jedoch den Fehler begangen, mit seinem Rücktritt zu warten, bis das Alter seine Stimme geschwächt und sein Gesicht entstellt hatte: das undankbare Publicum beklagte daher wenig seinen Verlust, und das schöne Geschlecht, welches mehr mit den Augen als mit den Ohren zu hören pflegt, sah mit Entzücken an der Stelle dieses schwerfälligen, runzligen Mannes einen vierundzwanzigjährigen Jüngling, frisch wie eine Rose, blond wie Phöbus, gebaut als hätte Phidias das Modell geliefert, einen ächten Sohn der Lagunen: bianco, crespo e grossetto.
Anzoleto war zu unruhig, um seine erste Arie gut zu singen, aber seine prächtige Stimme, seine schönen Stellungen und ein paar gelungene und neue Passagen reichten hin, um die Frauen und die Landeskinder zu seinen Gunsten einzunehmen. Er hat bedeutende Mittel, hieß es, er wird werden. Er wurde dreimal beklatscht und nach seinem Abtreten dreimal vorgerufen, wie das in Italien Sitte ist, und in Venedig mehr als irgendwo.
Dieser Erfolg gab ihm seinen Mut zurück, und als er mit Ipermnestra wieder heraustrat, hatte er keine Furcht mehr. Aber die Wirkung dieser Szene fiel ganz zu Gunsten Consuelo’s aus; man sah, man hörte nur sie. Nun kommt sie, rief man; ja, sie ist’s. Wer? Die Spanierin? Ja, die Debütantin, die amante del Zustiniani.
Consuelo trat gemessen und kalt auf. Sie überblickte ihr Publicum, nahm den Beifallsdonner ihrer Beschützer mit einer Verbeugung ohne Demut und ohne Coquetterie auf und begann ihr Recitativ mit so fester Stimme, mit so gewaltigem Ausdruck, mit so siegreicher Sicherheit, dass schon bei der ersten Phrase bewundernde Rufe von allen Punkten des Saales ausgingen.
– Ha! der Treulose hat mich schändlich belogen! rief Corilla aus, und schoss einen fürchterlichen Blick auf Anzoleto, der sich nicht enthalten konnte, in diesem Augenblick die Augen mit einem schlecht verhehlten Lächeln nach nach ihr zu richten.
Sie