Название | Gesammelte Werke |
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Автор произведения | George Sand |
Жанр | Языкознание |
Серия | Gesammelte Werke bei Null Papier |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783962816148 |
– Wenn es so fortgeht, sagte er, während er Consuelo’s Zimmer verließ, so wird man daran denken müssen, einen Arzt zu rufen; denn ich will es nicht auf mich nehmen, einen so absonderlichen Fall von Gemütskrankheit zu behandeln. Ich will für die Demoiselle beten und es könnte an dem sein, dass wir, in Betracht der Seelenverfassung, worin dieselbige sich in dieser letzteren Zeit befunden hat, von Gott allein wirksamere Hilfe zu gewärtigen hätten, denn von der Heilkunst.
Man ließ eine Magd bei Consuelo und schickte sich zum Frühstück an. Das Stiftsfräulein knetete den vortrefflichsten Kuchen, der je aus ihren kundigen Händen hervorgegangen war. Sie schmeichelte sich, dass Albert nach langem Fasten seine Lieblingsspeise mit Freuden genießen würde. Die schöne Amalie machte eine reizende Toilette, denn sie sagte sich, es möchte doch vielleicht ihrem Vetter ein Bischen leid tun, sie gekränkt und erzürnt zu haben, wenn er sie beim Wiedersehen so verführerisch fände. Jedes dachte darauf, dem jungen Grafen eine angenehme Überraschung zu bereiten, und das einzige Wesen, mit dem man sich hätte beschäftigen müssen, vergaß man, die arme Consuelo, der man seine Rückkehr verdankte und die zu finden Albert voller Ungeduld sein musste.
Albert erwachte bald, und statt unnützer Anstrengungen, um sich die Ereignisse der Nacht zurückzurufen, wie er sie nach den Anwandlungen von Irrsinn, die ihn in seine unterirdische Wohnung trieben, sonst immer machen musste, fand er diesesmal die Erinnerung seiner Liebe und des Glückes, das ihm Consuelo geschenkt hatte, augenblicklich wieder. Er stand schnell auf, kleidete sich an, parfümierte sich und eilte, sich in die Arme seines Vaters und seiner Tante zu werfen.
Die Freude dieser guten Leute stieg auf den höchsten Gipfel, als sie sahen, dass Albert bei voller Vernunft war, dass er von seiner langen Abwesenheit wusste und sie angelegentlich und zärtlich um Verzeihung bat, indem er versprach, ihnen nicht wieder diesen Kummer und diese Unruhe zu bereiten.
Er sah, wie seine Rückkehr zum wirklichen Bewusstsein sie entzückte. Aber er merkte auch, wie hartnäckig man sich befliß, ihn zu schonen, ihm seinen Zustand zu verbergen, und er fühlte sich ein wenig gedemütigt, dass man ihn wie ein Kind behandelte, da er sich wieder Mann geworden fühlte. Er unterwarf sich dieser, für das Unrecht, welches er getan, zu leichten Strafe, indem er sich sagte, dass es eine heilsame Erinnerung wäre und dass es ihm Consuelo Dank wissen würde, wenn er sie verstünde und annähme.
Als er sich unter den Zärtlichkeiten, Freudentränen und Liebesbeweisen der Seinigen zu Tische setzte, suchte er mit ängstlichem Blicke sie, die ihm zu seinem Leben und zu seiner Ruhe unentbehrlich geworden war. Er sah ihren Platz leer und getraute sich nicht, zu fragen, weshalb die Porporina nicht herunterkäme.
Das Stiftsfräulein jedoch, das ihn jedes Mal, wenn sich die Tür öffnete, den Kopf wenden und unruhig werden sah, glaubte jede Besorgnis von ihm fern halten zu müssen und sagte ihm, ihr junger Gast habe schlecht geschlafen, ruhete noch und wollte einen Teil des Tages im Bette bleiben.
Albert konnte sich wohl vorstellen, wie abgemattet seine Retterin sein müsste, dennoch malte sich bei dieser Nachricht der Schrecken auf seinem Gesichte.
– Tante, sagte er, da er seine Unruhe nicht länger bemeistern konnte, ich denke doch, wenn die Adoptivtochter Porpora’s ernstlich krank wäre, so würden wir nicht alle hier ruhig um einen Tisch sitzen und essen und schwatzen.
– Beruhige dich doch, Albert! sagte Amalie, rot vor Verdruss, die Nina ist dabei, von dir zu träumen und deine Wiederkunft zu prophezeien, die sie schlafend abwartet, während wir sie hier voll Freude feiern.
Albert erblasste und schleuderte seiner Cousine einen zerschmetternden Blick zu:
– Wenn jemand hier mich schlafend erwartet hat, so ist es gewiss nicht die Person, die Sie nennen, sie, die den Dank dafür verdient. Aber Ihre frischen Backen, schöne Cousine, bezeugen, dass Sie in meiner Abwesenheit keine Stunde Ihres Schlafes geopfert und jetzt nicht nötig haben, sich auch endlich einen Augenblick der Ruhe zu gönnen. Ich danke Ihnen herzlich dafür, denn es würde mir sehr peinlich sein, Sie um Verzeihung zu bitten, wie ich alle übrigen Glieder und Freunde meiner Familie mit Schmerz und Reue um Verzeihung bitte.
– Großen Dank für die Ausnahme, versetzte Amalie, feuerrot vor Zorn, ich werde mich bemühen, sie stets zu verdienen, indem ich meine Nachtwachen und meine Sorgen für einen aufspare, der sie mir Dank weiß und nicht damit sein Spiel treibt.
Dieser Wortwechsel, der zwischen Albert und seiner Braut nichts Neues war, an den aber beide Teile diesesmal eine ungewöhnliche Lebhaftigkeit setzten, machte, ungeachtet aller Mühe, die man sich gab, Albert nicht weiter daran denken zu lassen, dass Zwang und Verstimmung den ganzen Morgen herrschten.
Das Stiftsfräulein ging mehrmals, um nach der Kranken zu sehen, und fand sie jedes Mal glühender und kränker. Amalie, die Albert’s Unruhe wie eine persönliche Beleidigung aufnahm, ging in ihr Zimmer, um zu weinen. Der Kaplan sprach sich gegen das Stiftsfräulein dahin aus, dass, wenn das Fieber nicht bis gegen Abend wiche, nach dem Arzte geschickt werden müsste.
Graf Christian hielt seinen Sohn bei sich zurück, um ihn zu zerstreuen, da er sein gedankenvolles Wesen nicht begriff und noch für krankhaft hielt. Während er ihn aber durch liebevolle Worte an seine Seite fesselte, fand der gute Greis nicht den geringsten Gegenstand der Unterhaltung, nichts, um diesen Geist zu beschäftigen, den er nie hatte tiefer erforschen mögen, aus Furcht, von einem dem seinigen überlegenen Verstande in Sachen der Religion überwältigt und bestochen zu werden.
Zwar sah Graf Christian für einen Irrwahn jenes helle Licht an, welches unter Albert’s Abenteuerlichkeiten stets hervorbrach und dessen Glanz die schwachen Augen eines strengen Katholiken freilich nicht ertragen konnten, aber er verhärtete sich dennoch gegen den Zug seines Herzens, das ihn antrieb, ernstlicher mit Fragen in Albert zu dringen. Jedes Mal, wenn er den Versuch unternommen hatte, ihn von seinen Ketzereien zurückzuführen, war er durch seines Sohnes klare und bestimmte Gründe zum Schweigen gebracht worden. Er war von Natur nicht beredt. Er besaß nicht jene klingende Wortfülle, womit sich ein Disput unterhalten