Название | Gesammelte Werke |
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Автор произведения | George Sand |
Жанр | Языкознание |
Серия | Gesammelte Werke bei Null Papier |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783962816148 |
– Nun denn! ich will es sagen, denn es war mein Vorsatz. Alle die Sie lieben, verzweifeln an Ihnen. Sie glauben, das was sie Ihren Wahnsinn nennen, achten, d. h. schonen zu müssen; sie besorgen, Sie aufzubringen, wenn sie Sie merken ließen, dass sie ihn kennen, ihn beklagen, ihn fürchten. Ich, die ich nicht daran glaube, kann nicht davor zurückbeben, Sie zu fragen, wie es zugeht, dass Sie bei Ihrem Verstande doch bisweilen sich das Ansehen eines Unsinnigen geben; wie es zugeht, dass Sie, bei Ihrer Herzensgüte, doch die Rolle des Dünkels und des Undanks spielen; wie es zugeht, dass Sie, bei ihrer Frömmigkeit und Einsicht, sich doch den Wahngebilden eines kranken und verzweifelten Geistes überlassen; wie es zugeht endlich, dass Sie so einsam sind, lebendig begraben in einer schauerlichen Gruft, fern von Ihrer Familie, die Sie sucht und Sie beweint, fern von Ihres Gleichen, die Ihr Herz so glühend liebt, fern endlich auch von mir, nach der Sie riefen, die Sie, wie Sie sagen, lieben, die dennoch nicht ohne Wunder des Willens und der göttlichen Obhut bis zu Ihnen dringen konnte!
– Sie fragen nach dem Geheimnis meines Lebens, nach dem Worte, welches das Rätsel meines Geschickes löst, ach! und Sie wissen es besser als ich selbst, Consuelo! Von Ihnen erwarte ich den Aufschluss über mein Wesen, und Sie fragen mich!
O! ich verstehe Sie, Sie wollen mich zu einer Beichte führen, zu einer innern Buße, zu einem sieghaften Entschluss. Ich werde gehorchen. Aber nicht gleich in diesem Augenblick bin ich imstande, mich so selbst zu erkennen, mich zu richten, mich zu erneuen.
Geben Sie mir einige Tage, einige Stunden mindestens, damit ich Ihnen, damit ich mir selbst sagen könne, ob ich toll oder ob ich im Genusse meiner Vernunft bin. Weh, weh! es ist eines so wahr wie das andere, und das ist mein Unglück, dass ich nicht daran zweifeln kann. Aber wissen, ob ich ganz mein Selbstbewusstsein und meinen Willen verlieren muss, oder noch den Dämon, welcher mich besitzt, zu überwältigen vermag, das kann ich nicht in diesem Augenblicke.
Haben Sie Mitleid mit mir, Consuelo! ich bin noch unter dem Einfluss einer innern Erschütterung, welche mächtiger ist als ich. Ich weiß nicht, seit wie langer Zeit Sie hier sind; ich weiß nicht wie Sie hergelangen konnten ohne Zdenko, der Sie nicht hat zu mir führen wollen; ich weiß nicht, in welcher Welt meine Gedanken schweiften, als Sie mir erschienen.
O Gott! ich weiß nicht, seit wie vielen Äonen ich hier eingeschlossen bin, unter unerhörten Schmerzen ringend mit einer Pest, die mich verzehrt. Diese Schmerzen, ich kann mich nicht einmal erinnern, wann sie mich verließen; jetzt empfinde ich nichts als eine grässliche Ermattung, eine Betäubung, eine Art Bangigkeit, die ich gern verbannen möchte …
Consuelo, lassen Sie mich mein vergessen, wenn auch nur auf einige Augenblicke! Meine Gedanken werden sich klären, meine Zunge wird sich lösen. Ich verspreche es Ihnen, ich schwöre es Ihnen. Führen Sie mich schonend in die helle Wirklichkeit zurück, die mir lange in schrecklichem Dunkel verhüllt lag, und deren Glanz meine Augen noch nicht ertragen können.
Sie hießen mich mein gesamtes Leben in meinem Innern sammeln. Ja, das war es, das sagten Sie, ach, meine Vernunft und mein Gedächtnis reichen nur bis zu dem Augenblicke zurück, wo Sie zu sprechen anfingen. Wohl denn! mit diesem Wort ist Engelsfrieden in meine Brust herniedergestiegen. Mein Herz ist ganz voll Leben, obwohl mein Geist noch schläft.
Ich scheue mich von mir zu reden; ich möchte mich verirren und Sie wieder durch meine Traumgebilde ängstigen. Ich will nur im Gefühle leben: es ist das ein mir fremdes Leben; es müsste ein Wonneleben sein, wenn ich mich ihm überlassen dürfte, ohne Ihnen zu missfallen.
Ach! Consuelo, warum hießen Sie mich meine ganze Lebenskraft in meinem Innern sammeln? Erklären Sie mir sich selbst, lassen Sie mich nur mit Ihnen mich beschäftigen, nichts sehen, nichts begreifen – als Sie … kurz, lieben.
Mein Gott, mein Gott! Ich liebe, liebe ein lebendiges Geschöpf, ein mir ähnliches Wesen! liebe es mit aller Macht meines Seins! Ich kann auf sein Haupt die ganze Glut, die ganze Heiligkeit meiner Inbrunst häufen! O, das ist Glück genug für mich, und ich bin nicht so toll, mehr zu begehren.
– Wohl, lieber Albert! lassen Sie Ihre arme Seele ruhen in diesem Gefühle einer ruhigen, brüderlichen Zärtlichkeit. Gott ist mein Zeuge, dass Sie es dürfen ohne Furcht und ohne Gefahr, denn ich empfinde für Sie eine Innigkeit der Freundschaft, eine Verehrung, welche die leichtfertigen, eitelen Urteile des gemeinen Haufens nie erschüttern werden. Sie haben durch eine Art göttlichen, wunderbaren Schauens erkannt, dass mein Leben vom Schmerze gebrochen ist, Sie haben es gesagt und die höchste Wahrheit selbst hat dieses Wort in Ihren Mund gelegt.
Ich kann Sie nicht anders als wie einen Bruder lieben, aber sagen Sie nicht, dass mich nur Nächstenliebe und Mitleid treiben. Wenn Menschlichkeit und Mitgefühl mir den Mut gegeben haben, hierher zu kommen, so gibt mir eine Seelenverwandtschaft, eine eigentümliche Achtung vor Ihren Tugenden auch den Mut und das Recht, zu Ihnen so zu reden wie ich tue.
Lassen Sie denn von nun an und auf immer von der Täuschung ab, in welcher Sie sich über Ihr eigenes Gefühl befinden. Sprechen Sie nicht von Liebe, nicht von Ehe. Meine Vergangenheit, meine Erinnerungen machen die erstere unmöglich; der Unterschied unseres Standes würde die andere für mich demütigend und unannehmbar machen. Dadurch, dass Sie auf solche Träume zurückkommen, könnten Sie leicht meine Aufopferung für Sie zu einer Frechheit, jawohl zu einem Frevel stempeln.
Lassen Sie uns durch ein heiliges Versprechen die Pflicht besiegeln, die ich übernahm, Ihre Schwester, Ihre Freundin, Ihre Trösterin zu sein, so oft Sie sich geneigt finden werden, mir Ihr Herz zu öffnen, Ihre Krankenhüterin, wenn Sie das Leiden düster und schweigsam macht. Schwören Sie mir, dass Sie nichts anderes in mir sehen, und dass Sie mich nicht anders lieben wollen.
– Hochherziges Weib! sprach Albert und erbleichte, du rechnest sehr auf meinen Mut und du kennst sehr meine Liebe, dass du mir ein solches Versprechen abforderst. Ich würde fähig sein, zum ersten Male in meinem Leben zu lügen, ich könnte mich so weit erniedrigen, ein falsches Gelübde abzulegen, wenn du es fordertest. Aber du wirst es nicht fordern, Consuelo! Du wirst einsehen, dass dies eine neue Erschütterung in mein Leben und in mein Gewissen einen Vorwurf, welcher es noch nie befleckt hat, pflanzen hieße.
Bekümmere dich nicht darum, wie ich dich liebe; weiß ich es doch vor allen Dingen selber nicht; nur dieses fühl’ ich, dass es Lästerung wäre, dem Zuge meines Herzens zu dir hin den Namen Liebe nicht zu geben.
Allem Übrigen unterwerfe ich mich: dein Mitleid, deine