Название | Dr. Norden Jubiläumsbox 7 – Arztroman |
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Автор произведения | Patricia Vandenberg |
Жанр | Языкознание |
Серия | Dr. Norden Box |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783740931995 |
»Gleichzeitig erweitert dieser Stoff die Gefäße und löst Kontraktionen der glatten Muskulatur aus. Das verursacht Krämpfe und Schmerzen.« Tatjana hielt inne und holte tief Luft. »Es tut mir so leid, dass ich dir das nicht früher gesagt habe.« Ihre großen blauen Augen schwammen in Tränen, als sie nach Dannys Hand tastete, die reglos auf seinem Oberschenkel lag. »Aber ich … ich wollte dir nicht noch mehr zumuten … halb blind und dann das auch noch …« Tatjana versagte die Stimme.
Eine Fülle von Fragen überfiel Danny. Die Gedanken in seinem Kopf überschlugen sich.
»Wie oft hast du diese Anfälle?«, stellte er wahllos eine davon. »Ich hab nie was bemerkt.«
Traurig schüttelte Tatjana den Kopf.
»Es kommt nicht oft. Vielleicht zwei, drei Mal im Jahr, je nach dem, wie viel Stress ich habe. Bisher hatte ich immer Glück, dass du in der Arbeit warst und die Ödeme nicht schlimm waren. Aber dass ich diesmal so schlecht Luft bekommen hab, ist neu. Das passiert, wenn sich diese Wasseransammlungen im Kehlkopf bilden. Dann wird es gefährlich.« Tatjana schluckte. Selten war ihr etwas schwerer gefallen als dieses Geständnis. »Deshalb bin ich irgendwie auch froh, dass die Wahrheit endlich ans Licht gekommen ist. Ich brauche eine andere Behandlung.«
Mit wachsender Fassungslosigkeit hatte Danny den Erklärungen seiner Freundin gelauscht.
»Wie lange weißt du schon von dieser Krankheit?«
Betreten senkte Tatjana den Kopf. Wieder zupfte sie mit den Zähnen an der Unterlippe und starrte auf Dannys Hand, die reglos zwischen den ihren lag. Der innere Kampf, den sie focht, war deutlich in ihrem Gesicht abzulesen.
»Drei Jahre.«
In diesem Moment war Danny kurz davor, die Beherrschung zu verlieren.
»Drei Jahre? … Du hast mich kennengelernt und mir deine Krankheit einfach verschwiegen?«, rief er zutiefst enttäuscht. »Und ich dachte, wir vertrauen uns!«
»Aber das tun wir doch!«, beteuerte Tatjana unter Tränen und wollte Dannys Hand an ihre Lippen ziehen.
Doch diesmal war er es, der sich ihr entzog.
»Warum hast du es dann getan?«
»Das hab ich doch schon gesagt … Ich dachte, das ist alles zu viel für dich«, schluchzte sie haltlos auf. »Außerdem dachte ich am Anfang nicht, dass wir lange zusammen bleiben würden. Ein junger, aufstrebender Arzt und eine Blinde … Du musst zugeben, dass das nicht gerade vielversprechend klingt«, sagte sie und nahm das Taschentuch, das Danny für sie aus dem Spender auf dem Nachttisch gezogen hatte. »Später hab ich mich nicht mehr getraut. Du bist … ich liebe dich. Und ich hatte Angst, dass du mich verlässt. Ich weiß doch, wie sehr du dir eine Familie wünscht … aber … aber … ich werde nie Kinder haben.«
Diese Neuigkeit war zu viel für Danny. Im ersten Augenblick war er wie gelähmt. Dann sprang er schockiert von der Bettkante auf und starrte ungläubig auf Tatjana hinab.
»Du hast mir die ganze Zeit was vorgemacht?« Seine Enttäuschung war grenzenlos. »Du wusstest, dass wir nie eine Familie haben werden?« Einen Moment lang stand er vor Tatjana und bebte am ganzen Körper.
Sie war so geschockt über die Wirkung ihrer Worte, dass sie noch nicht einmal mehr weinen konnte. Reglos und mit angehaltenem Atem saß sie im Bett und wartete darauf, was als nächstes passieren würde. Schließlich drehte sich Danny in seiner Not um und stürmte aus dem Zimmer. Tatjana starrte ihm nach, unfähig, das Unglück zu verhindern.
*
»Gute Neuigkeiten!« Mit diesen zuversichtlichen Worten betrat Dr. Mario Cornelius am Nachmittag das Krankenzimmer von Tatjana Bohde. Er hatte die Untersuchungsergebnisse und neuesten Behandlungsmöglichkeiten gründlich studiert und positive Neuigkeiten herausgefunden. »Seit Kurzem gibt es die Möglichkeit, das fehlende Enzym mittels Infusion direkt zuzuführen. Die Attacke wird schnell beendet und das Schleimhautödem bildet sich zurück! Das heißt, dass deine Erkrankung gar nicht so schlimm ist, wie es auf den ersten Blick ausgesehen hat. Wenn du in Zukunft auf dich achtest und mögliche Auslöser vermeidest, kannst du ein völlig normales Leben führen.« Euphorisch war Mario Cornelius an Tatjanas Bett getreten und lächelte auf sie hinunter. Stutzig wurde er erst, als noch nicht einmal das kleinste Lächeln ihr Gesicht verzog. Es war starr wie eine Maske und nur das Blinzeln ihrer Lider zeugte davon, dass sie überhaupt noch lebte.
»Aber Tatjana, was ist denn los?«, fragte Mario irritiert und griff nach ihrer Hand. »Sag bloß, du hattest Ärger mit Danny?« Siedend heiß fiel ihm der Besuch seines Neffen ein.
Kaum merklich drehte Tatjana den Kopf zur Seite und sah Mario an.
»Ich will nicht mehr behandelt werden«, erklärte sie tonlos. »Jahrelang habe ich gekämpft und versucht, das Beste aus meiner Situation zu machen. Aber jetzt kann ich nicht mehr. Danny ist so wahnsinnig enttäuscht von mir.« Eine einsame Träne löste sich aus ihren langen, schwarzen Wimpern und rann über ihre Wange. Vom Kinn tropfte sie auf das T-Shirt und hinterließ dort einen dunklen Fleck.
Vor Mitgefühl zog sich das Herz des Kinderarztes zusammen. Er setzte sich auf die Bettkante und nahm Tatjanas Hand.
»Jetzt komm schon. Bestimmt beruhigt er sich wieder. Alles wird gut, du wirst sehen.«
Doch statt sie zu trösten machten seine Worte alles nur noch schlimmer.
»Danny wollte immer eine eigene Familie«, schluchzte die junge Bäckerin herzzerreißend auf. »All die Jahre habe ich ihm was vorgemacht. Dabei wusste ich von Anfang an, dass wir nie Kinder haben werden.«
Über diese Bemerkung musste Mario nun doch schmunzeln, und unwillkürlich musste er an seine eigene, wechselvolle Vergangenheit denken.
»Immer mit der Ruhe, schöne Frau«, versucht er, Tatjana zu trösten. »Erstens wird diese Krankheit nur zu einem bestimmten Prozentsatz vererbt. Und außerdem gibt es bekanntlich auch andere Wege zu einer eigenen Familie …«
»Du denkst an Adoption?« Unwillig schüttelte Tatjana den Kopf. »Dem würden die Behörden niemals zustimmen. Immerhin bin ich halb blind. Mal abgesehen davon, dass sich Danny mit so einem Gedanken sicher niemals anfreunden könnte.«
Zu ihrer Überraschung wurde das Schmunzeln um Marios Mund tiefer.
»Haben wir dir je erzählt, dass ich um ein Haar Dannys großer Bruder geworden wäre?«, fragte er geheimnisvoll, während er unablässig Tatjanas lange, schlanke Finger streichelte.
Ungläubig schüttelte sie den Kopf.
»Davon hab ich noch nie was gehört.«
»Dachte ich es mir doch. Die besten Geschichten hat er dir wieder verschwiegen«, erwiderte Mario und begann von dem Unglück zu erzählen, bei dem seine Eltern vor vielen Jahren ums Leben gekommen waren. Im letzten Moment war es Daniel und Fee Norden gelungen, wenigstens den kleinen Mario vor dem Ertrinken zu retten. »Weil ich keine Verwandten mehr hatte, wollten mich die beiden adoptieren. Aber dann haben sich Johannes und Anne Cornelius unsterblich in mich verliebt und mich bei sich aufgenommen«, erzählte er schmunzelnd. »Danny hat also die besten Voraussetzungen in Sachen Adoption. Ihr beiden hättet viele Ratgeber an eurer Seite, die euch mit Rat und Tat zur Seite stünden«, beendete er seinen Bericht sichtlich zufrieden.
Zuerst schien es, als ob diese Erzählung Tatjana optimistischer gestimmt hätte. Doch nach einem Moment des Schweigens verfinsterte sich ihre Miene wieder.
»Danny und ich haben in letzter Zeit so viel Streit. Ich fürchte, meine Lüge war der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Bestimmt will er jetzt nichts mehr von mir wissen.« Wie um ihre Worte zu unterstreichen, schüttelte sie deprimiert den Kopf.
»So schwarz darfst du nicht sehen«, versuchte Mario, sie von diesem Gedanken abzubringen. »Mit Sicherheit braucht er ein bisschen Zeit, um die Nachricht zu verdauen. Aber bestimmt steht er morgen, spätestens übermorgen wieder hier an deinem