Название | Menschen, die Geschichte schrieben |
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Автор произведения | Christine Strobl |
Жанр | Документальная литература |
Серия | marixwissen |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783843804271 |
Damit sollte die eingangs aufgestellte These ausgeführt und in ihrem Kern begründet sein. In Doktor Faustus, so hat sich gezeigt, sieht die Gelehrtenwelt der Renaissance einen Zwischengänger, der die Ungewissheit ihrer eigenen Zwischenstellung figuriert – sei es die zwischen Gott und Teufel oder zwischen der Autorität des Alten und des Neuen oder auch zwischen Selbsterhöhung und christlicher Demut. In jedem dieser Fälle wird der Zwischengänger Faustus dämonisiert, ausgegrenzt, ausgewiesen, um so die eigene Position von neuem abzusichern.
Was bislang noch nicht diskutiert wurde, betrifft den zweiten Aspekt dieser These: dass es sich bei solcher Zwischengängerei ausdrücklich um einen Akt der Performanz und des Theaters handelt, dass Faustus also seine wirkungsvollste Rolle als Spielfigur auf dem Theater findet. Die Kultur- und Religionskonflikte, die in dem Faustus-Mythos ausgetragen werden, lassen sich erst dann wirklich verstehen, wenn wir den Blick auf die Bühne richten, d. h. auf Christopher Marlowe und seine englische Bühnenversion der Historia, die schon bald nach 1600 über Wanderschauspielgruppen den Weg zurück nach Deutschland findet.
BÜHNE UND BLICKE
Zu Marlowes Tragical History of Doctor Faustus ist gewiss sehr viel mehr zu sagen, als im Rahmen und zum Ende dieses Beitrags möglich ist. Deshalb soll an dieser Stelle nur eine einzige Szene exemplarisch betrachtet werden, weil sie das bisher Ausgeführte mit den Mitteln des Theaters wiedergibt und zugleich auf interessante Weise steigert. Es handelt sich um den bereits bekannten Auftritt Faustens vor dem Kaiser und seine Beschwörung Alexanders. In Marlowes Bühnentext wird diese Begegnung wie folgt formuliert:
EMPEROR:
Wonder of men, renowned magician,
Thrice-learned Faustus, welcome to our court. […]
FAUSTUS:
The Doctor stands prepared, by power of art,
To cast his magic charms […]
To compass whatsoe’er your Grace commands.
BENVOLIO (aside):
Blood, he speaks terribly! But for all that, I do not greatly
believe him. He looks as like a conjuror as the Pope to a
coster-monger.
EMPEROR:
Then, Faustus, as thou late didst promise us,
We would behold that famous conqueror,
Great Alexander, and his paramour,
In their true shapes and state majestical,
That we may wonder at their excellence.
FAUSTUS:
Your Majesty shall see them presently. […]
BENVOLIO:
Well, Master Doctor, an your devils come not away quickly,
you shall have me asleep presently. Zounds, I could eat myself
for anger, to think I have been such an ass all this while, to
stand gaping after the devil’s governor, and can see nothing.
FAUSTUS:
I’ll make you feel something anon, if my art fail me not. […]
And I’ll play Diana, and send you the horns presently.
Sennet. Enter at one the EMPEROR ALEXANDER, at the other DARIUS. They meet. DARIUS is thrown down; ALEXANDER kills him, takes off his crown, and, offering to go out, his PARAMOUR meets him. He embraceth her and sets DARIUS’ crown upon her head, and coming back, both salute the EMPEROR, who, leaving his state, offers to embrace them, which FAUSTUS seeing, suddenly stays him. Then trumpets cease and music sounds.
My gracious lord, you do forget yourself.
These are but shadows, not substantial.
EMPEROR:
Oh pardon me, my thoughts are so ravished
With sight of this renowned Emperor,
That in mine arms I would have compassed him. […]
FAUSTUS:
Away, be gone.
Exit SHOW:
See, see, my gracious lord, what strange beast is yon, that
thrusts his head out at window?
EMPEROR:
Oh, wondrous sight! See, Duke of Saxony,
Two spreading horns most strangely fastened
Upon the head of young Benvolio! […]
BENVOLIO:
Zounds, Doctor, is this your villainy?
FAUSTUS:
Oh, say not so, sir. The Doctor has no skill,
No art, no cunning, to present these lords
Or bring before his royal Emperor
The mighty monarch, warlike Alexander.
If Faustus do it, you are straight resolved
In bold Acteon’s shape to turn a stag.
And therefore, my lord, so please your majesty,
I’ll raise a kennel of hounds shall hunt him so
As all his footmanship shall scarce prevail
To keep his carcass from their bloody fangs.14
Auch ohne den Bühnendialog in allen Einzelheiten nachzuzeichnen, lässt sich sagen, dass die Handlung dieser Szene recht genau der schon bekannten Version der Historia folgt, die dem Dramenautor offensichtlich in englischer Übersetzung vorgelegen hat. Daher soll hier nur auf zwei entscheidende Punkte hingewiesen werden, die von der Vorlage signifikant abweichen (und in der zitierten Passage fett markiert sind). Das betrifft zunächst die Reaktion des Kaisers. Ganz wie in der Historia will er die Erscheinung umarmen und wird von Faustus zurückgewiesen, gibt dann jedoch eine interessante Begründung seines Verhaltens: „my thoughts are so ravished / With sight“. Der Anblick habe ihn überwältigt, ja vergewaltigt. Was damit angesprochen wird, ist die Macht des Blicks und die Verführbarkeit durchs Zuschauen. Diese Macht aber wird nicht nur angesprochen, sondern vollzieht sich auch zugleich, und zwar vor und mit unseren eigenen Augen. Anders als bei der Historia nämlich handelt es sich hier ja um ein Bühnendrama. Die Erscheinung Alexanders wird nicht erzählt, sondern vollzogen oder vorgeführt, jedenfalls ereignet sie sich hier und jetzt auf dem Theater. Wir können unsererseits dem Kaiser zusehen, wie er Alexander ansieht, so dass die Äußerung des Kaisers über die Verführungskraft des wunderbaren Anblicks gleichermaßen auf uns selbst zutrifft. Das Theater verdoppelt sich gewissermaßen, denn Faustens magischer Vermittlungsakt erscheint hier als ein Spiel im Spiel und führt uns körperlich vor Augen, wie eine Theatervorstellung vor sich geht.
Die lange Regieanweisung in der Mitte (im Zitat kursiv gesetzt) gibt das Bühnengeschehen genau wieder. Es beginnt mit einem Trompetensignal, bevor die Figuren auftreten, kulminiert in der Verbeugung der Darsteller vor dem Monarchen und zeigt die Beschwörungsszene damit auf genau dieselbe Art wie eine zeitgenössische elisabethanische