Название | Die beliebtesten Jungmädelgeschichten von Else Ury |
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Автор произведения | Else Ury |
Жанр | Книги для детей: прочее |
Серия | |
Издательство | Книги для детей: прочее |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027238576 |
Ein wenig verändert hatte sich der Schwäbische Wanderbund. Egerling, Ziegenhals und Steinbock fehlten. Ersterer war nach gewissenhafter Absolvierung des letzten Kollegs und nach noch gewissenhafterer der Semesterschlußkneipe heim ins Dorf gezogen, um bei der Erntearbeit zu helfen. Ziegenhals und Steinbock hatten die Aufforderung, auf dem Bauernhof seiner Eltern die Ferien zu verleben und dafür bei der Ernte ebenfalls mit Hand anzulegen, gern angenommen. »Tummele dich nur fleißig, Ziegenhals, sonst kommt unsere ›kürzeste Frist‹ ebenso breit wie lang zurück«, hatte man die Gefährtin von allen Seiten gefoppt.
Auch die anderen waren nach Dorf Mutlangen vom Dorfschulzen freundlichst eingeladen worden, der ganze Schwäbische Wanderbund. Aber der hatte andere Pläne. Eine Wanderung ins Donautal hinab bis nach Ulm. Dort wollte Annemarie Braun die Eltern treffen, um dann gemeinsam mit ihnen einige Wochen in der unweit gelegenen Sommerfrische Blaubeuren zu verbringen. Marlene und Ilse dagegen sollten sich von Ulm aus in den Schwarzwald schlagen, wo Ulrichs Erholung suchten.
Für die drei fehlenden Mitglieder hatte der Schwäbische Wanderbund Ersatz bekommen. Da war zuerst Bruder Hans, der eines Tages mit Lodenjoppe und Rucksack seinen Einzug in Tübingens alte Giebelstraßen hielt, um selbst mal nachzuschauen, ob Nesthäkchen auch nicht zu viel Unfug dort trieb. Drei weißgekleidete Ehrenjungfrauen, blumengeschmückt, hatten sich zu seinem Empfang an der Bahn eingefunden.
Freudigst war er von der fidelen Gesellschaft begrüßt worden. Weniger freudig betrachtete man die Beteiligung von Dr. Rudolf Hartenstein und seiner Schwester, wenigstens von seiten Krabbes und Neumanns. Aber da diese richtig mutmaßten, daß die drei Grazien in Gesellschaft des Referendars und der Geschwister Hartenstein, falls sie beide dagegen stimmten, die Wanderung einfach ohne sie machen würden, ergaben sie sich darein.
So sah die unternehmungslustige Gesellschaft aus, die an einem besonders sonnengoldenen Augustmorgen aus Tübingens Mauern seelenvergnügt herauszog. Vronli und Kaschperle gaben ihnen das Geleit bis zum Bahnhof und sahen neidvoll dem pfeifenden Zügle nach, welches das Tanteli entführte.
»Wohin geht’s zuerst, Herr Reisemarschall?« erkundigte sich Hans Braun bei Hartenstein, mit dem er trotz der Kürze ihrer Bekanntschaft schon warm sympathisierte.
»Nach Reutlingen. Das alte Städtchen mit seinen grauen Stadtmauern und Wehrgängen, den mittelalterlichen Toren und Türmen, den Brünnle und Gäßle, bietet ebensoviel künstlerisches wie historisches Interesse. Gar so lieb ist’s halt. Ich stell’ es Rothenburg ob der Tauber noch voran. In Reutlingen ist noch alles ursprünglich und unberührt wie vor fünfhundert Jahren. Nix ist auf den Fremdenverkehr zugeschnitten. Es lohnt sich, dort einen Tag zu verbringen.«
Das schmale Gesicht Rudolfs belebte sich beim Sprechen merkwürdig. Jede Empfindung kam darin zum Ausdruck. Nesthäkchen saß ihm gegenüber und machte Studien.
»I kann halt nix Besonderes nit in Reutlinge finde«, meinte Krabbe, nur um zu widersprechen. Er fühlte sich durch Dr. Hartenstein, dem er ohnedies noch vom Rosenfest her nicht so recht grün war, in seinen Führerrechten gekränkt. Bisher war er es stets gewesen, der die Sonntagsfahrten zusammengestellt hatte.
»Reutlinge – Pfullinge – da ischt das Bier halt guet, da müsse Studentle bleibe«, gab Neumann mit elegischem Augenaufschlag seine Meinung kund.
»Ja, kneipe und schlafe, das ischt für dich, Faultier, halt das beschte«, zog ihn Annemarie, seine Sprache getreu nachahmend, auf.
Hans amüsierte sich gottvoll. Ein Tausendsassa das Nesthäkchen, wie es mit den beiden Schwaben umsprang. Freilich, zuerst war der große Bruder von dem ungezwungenen kameradschaftlichen Ton, der im Schwäbischen Wanderbund herrschte, als zurückhaltender Norddeutscher, doch ein wenig befremdet. Besonders, da die eigene Schwester darin tonangebend war. Aber nachdem er sich davon überführt, wie harmlos kindlich diese Studentenfreundschaft war, tat er selbst nur zu gern mit. Der steife Stadtmensch gehörte nicht hinein in diese herzerfrischende, natürliche Ursprünglichkeit.
Zu Rudolf Hartenstein war Nesthäkchens Ton ein ganz anderer. Auch mit ihm war sie gut Freund. Dem ersten Spaziergang über Berg und Tal war noch so manch einer gefolgt. Auch zwischen ihnen gab es oft Neckereien und scherzhafte Wortgefechte. Und trotzdem, es fiel dem Bruder auf, daß in Nesthäkchens Art, wenn es auch noch so keck auftrat, stets eine kaum merkbare Scheu mitklang. Für Fremde gar nicht bemerkbar, nur für ihn, den großen Bruder, der die Annemarie von klein auf in all ihren Regungen kannte. Das lag wohl daran, daß sie in Rudolf Hartenstein einen reiferen, fertigen Menschen respektierte.
Im Gänsemarsch ging es durch Reutlingen, durch das Tübinger und durch das Gartentor. Der wundervolle gotische Lindenbrunnen mit seiner kunstvollen Steinmetzarbeit erregte allgemeine Begeisterung. Ilse Hermann war wieder mal total »hops«, wie Annemarie ihren Kunstenthusiasmus benannte. Marlene schwelgte in historischen Erinnerungen – alles Blut, was die kleinen Erker und verschnörkelten Giebel jemals im Laufe der Jahrhunderte in den Gassen hatten fließen sehen, ward pflichtschuldigst aus der Vergessenheit hervorgekramt. Annemarie, die dritte der Grazien im Dirndlkleid, suchte nach dem malerischsten Stadtwinkel, weniger aus Kunstverständnis, als wegen des schwarzen Knipskastens in ihrer Hand, dem treuen Begleiter auf jeder Wanderfahrt. Überall machte sie Aufnahmen, um die Eltern an dem Schönen, das sie genoß, wenigstens im Bilde teilnehmen zu lassen und gleichzeitig für später eine sichtbare Erinnerung an das schwäbische Studienjahr zu haben.
Auch Rudolf Hartenstein trug seinen Kodak an der Seite umgeschnallt. Aber er war weniger »gemeingefährlich« als Nesthäkchen. Er konnte an einem schönen Plätzchen auch Freude haben, ohne gleich zu überlegen, wie es wohl am besten in den schwarzen Kasten hineinzuzaubern sei.
Auf Schritt und Tritt malerische Bilder vergangener Jahrhunderte. Sollte Annemarie die alte Stadtmauer mit dem Storchturm in ihren Kasten sperren, oder war der alte Wehrgang am Zeughaus mit seinen Schießscharten und Steintreppen nicht noch malerischer? Eine Abstimmung entschied über diese wichtige Frage. Die Mehrheit war für Stadtmauer und Storchturm.
Annemarie entledigte sich ihrer Bürde. Der Rucksack war umfangreich und schwer. Das lag nicht daran, daß sie zu viel Toilettengegenstände oder gar zu viel Mundvorrat mitgenommen hätte. Nein, weißes Mehl hatte sie in Tübingen erstanden, zwanzig Pfund. So zart und weiß, wie man’s in Berlin nicht bekam. Das mußte sie unbedingt der Mutter mitbringen. Hans hatte räsoniert und protestiert. Die Freundinnen hatten sie ausgelacht. Rudolf Hartenstein wollte ihr das schwere Gepäck abnehmen. Alles vergebens.
»Das Mehl schleppe ich selber, einen andern mag ich nicht zu meinem Packesel machen.« Dabei blieb’s.
»Ein Esel bist du wirklich, wenn du einen schweren Sack Mehl bei dieser Hitze tagelang auf dem Rücken schleppst und dir damit die Freude an dem Ausflug verdirbst«, stellte Hans ihr brüderlich vor.
Auch dieser Ehrentitel verfing nicht. Nesthäkchen schleppte sein Mehl auf dem Buckel durch das schöne Schwabenland.
Die Gesellschaft war postiert. Auf den Steinstufen, der rissigen Stadtmauer hockend, über die Mauer herüberlugend, Krabbe und Neumann sogar auf dem Treppengeländer reitend.
Annemarie in ihrem Eifer, den Apparat richtig einzustellen, merkte nicht, daß Rudolf Hartenstein auch sein Mordinstrument heimlich vorgezogen hatte. Knips – machte es – Nesthäkchen war im Kasten drin.
»Recht freundlich, meine Herrschaften, nur eine kleine Sekunde – es tut nicht weh«, rief Annemarie. »Ilse, du hast gewackelt; Neumann, mußt du denn gerade deine Karpfenaugen zum Himmel aufklappen, wenn’s losgeht? Ich kann nichts dafür, wenn’s nicht geworden ist. Sagt mal, Kinder, was macht ihr denn alle für spitzbübische Gesichter?«
»Halt Photographiergesichter«, wollte Rudolf sie beruhigen.
»Nee, nee, da stimmt was nicht!« Nesthäkchen war so leicht nicht dumm zu machen. »Ilse kichert, Viehmuse macht ein schadenfrohes Gesicht – Fräulein Ola, sagen Sie mir, was los ist. Habe ich irgend etwas Komisches an mir?« Sie fuhr sich übers Haar und sah prüfend an ihrem