Название | Die wichtigsten Werke von Oskar Meding |
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Автор произведения | Oskar Meding |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027237470 |
Herr von Manteuffel hatte bisher, den Arm leicht auf den Schreibtisch gestützt und die Augen zu Boden geschlagen, unbeweglich seinen Platz behalten.
Er erhob sich jetzt und blickte dem Ministerpräsidenten, der in lebhafter Bewegung und mit fast ängstlicher Spannung an seiner Miene hing, voll und gerade in's Auge.
»Herr von Bismarck,« sagte er dann mit ruhiger Stimme, in welcher eine etwas wärmere Nüance leise durchklang, »Sie berühren da eine Saite, die, wie Sie wissen, bei jedem Preußen anklingt und deren Ton auch durch mein Leben zieht; wer wollte es leugnen, daß es Momente gibt, in denen nur die kühne That zum Heil führt, wer wollte es leugnen, daß Preußen durch das große und mächtige Ergreifen solcher Momente zu dem geworden, was es heute ist! — Ob wir in diesem Augenblick vor einem solchen Moment stehen, darüber kann kein Sterblicher mit Unfehlbarkeit entscheiden und ich möchte darüber nicht mit Ihnen rechten, — darüber nach Pflicht und Gewissen zu urtheilen und danach zu handeln ist die Sache Desjenigen, der in solchen Augenblicken an den Stufen des Thrones steht. Sie stehen an diesem Platz — und ich danke Gott, daß ich ihm heute fern bin, Sie haben, was geschehen wird, vor der Geschichte, vor Ihrem Vaterlande und Ihrem Könige zu verantworten. — Sie müssen also entscheiden, was Sie zu thun haben, und ich möchte um keinen Preis der Welt Zweifel in Ihre Entschlüsse werfen. — Nun aber noch eine Frage — erschrecken Sie nicht — es soll die letzte sein, vielleicht ist es die wesentlichste.«
Und Herr von Manteuffel trat noch einen Schritt näher zu Herrn von Bismarck und fragte, indem er seine Stimme zu leiserem Tone herabsinken ließ und dadurch gerade einen um so tieferen Nachdruck in dieselbe legte:
»Wenn nun die Würfel des Kriegsspiels gegen Sie fallen, wenn die Berechnung der Chancen sich als falsch erweist — täuschen können wir uns Alle — wenn dann die siegreichen Gegner die Macht gewonnen und zu den lange vorbereiteten Plänen die Erbitterung des Kampfes und der Hochmuth des Sieges hinzutritt, — welchen Plan haben Sie gefaßt, welche Vorbereitungen haben Sie getroffen, um dann Preußen vor den äußersten Gefahren, vielleicht vor dem Untergange zu schützen? Sie wissen, ich habe immer dem Grundsatz gehuldigt, ein guter General müsse zunächst an den Rückzug denken und denselben vorbereiten, deßhalb werden Sie meine Frage natürlich finden und begreifen, welche Wichtigkeit ich auf dieselbe lege.«
Herrn von Bismarck's bisher so lebhaft gespanntes und bewegtes Gesicht nahm eine stolze und kalte Ruhe an, um seinen Mund zuckte es in seltsamem Nervenspiel und aus seinem Auge blitzte es wie blanke Degenklingen. Mit jenem metallisch vibrirenden Ton der Stimme, der in gewissen Augenblicken durch seine Worte klingt, erwiederte er:
»Wenn ich es für möglich halten und daran denken könnte, daß die preußische Armee von Oesterreich geschlagen würde, dann wäre ich nicht preußischer Minister!«
Bei diesen, im Tone innigster Ueberzeugung ausgerufenen Worten trat Herr von Manteuffel langsam einen Schritt zurück und blickte mit dem Ausdruck des Erstaunens und des Nichtbegreifens in das leuchtende und zuversichtliche Antlitz des Ministerpräsidenten.
Dann wendete er sich langsam zur Seite, ergriff seinen Hut und indem er sich mit ruhiger Höflichkeit gegen Herrn von Bismarck verneigte, sprach er im Tone gewöhnlicher Salonunterhaltung:
»Ich glaube, der Zweck unserer Unterredung ist erreicht, wir haben das Thema erschöpft und ich darf Ihre so knapp gemessene Zeit nicht länger in Anspruch nehmen.«
Herrn von Bismarck's lebhaft animirte Züge sanken bis zu dem Ausdruck schmerzlicher Wehmuth herab und er erwiederte mit traurigem Ton:
»Das Thema ist nicht erschöpft — sagen Sie lieber, daß Sie es nicht weiter diskutiren wollen, — da wir uns, wie ich wohl verstehe, in excentrischen Kreisen bewegen, die keinen Punkt mit einander gemein haben.«
»Wenn dieß der Fall ist,« sagte Herr von Manteuffel, »so würde ein weiteres Herumbewegen in den getrennten Sphären keinen Zweck und Nutzen haben, und — wie ich glaube,« setzte er leicht lächelnd hinzu, »in einem Punkt sind wir gewiß gleicher Ansicht: daß die Zeit zu kostbar ist, um sie mit unnützen Worten zu verlieren.«
»So leben Sie wohl,« sprach Herr voll Bismarck ernst, indem er Herrn von Manteuffel die Hand drückte, »Sie lassen mich um eine Hoffnung ärmer, um eine Stütze schwächer.«
»Sie bedürfen fremder Stützen nicht,« erwiederte Herr von Manteuffel, »und seien Sie überzeugt, was auch geschehen möge, meine innigsten Wünsche werden der Erhaltung und Entwicklung der Größe und des Ruhmes Preußens geweiht sein.«
Und mit leichter Verbeugung schritt er zur Thüre.
Herr von Bismarck begleitete ihn schweigend bis zum Vorzimmer und setzte sich sodann vor seinen Schreibtisch, wo er einige Minuten in tiefen Gedanken versunken sitzen blieb.
»Alle, Alle,« rief er dann plötzlich, indem er aufsprang und mit heftigen Schritten das Zimmer durchmaß, »Alle singen dasselbe Lied, Alle sprechen sie von der Verantwortung, von den Gefahren, von dem Elend des Krieges! — Aber fühle ich denn diese Verantwortung nicht, — sehe ich diese Gefahr nicht — bleibt denn mein Herz kalt bei dem Gedanken an die Kriegsnoth? Aber weil ich die Gefahr sehe, darf ich vor dieser Noth nicht zurückbeben, und weil ich die Ueberzeugung der Nothwendigkeit habe, muß ich die Verantwortung auf mich nehmen. Ich weiß es wohl, warum die Meisten mich von kühner That zurückhalten wollen, jene liberalen Parlamentaristen fürchten das Waffenklirren, ja, vielleicht fürchten sie sogar den Sieg