Название | Gesammelte Gedichte (851 Titel in einem Buch) |
---|---|
Автор произведения | Christian Morgenstern |
Жанр | Книги для детей: прочее |
Серия | |
Издательство | Книги для детей: прочее |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027203420 |
Berlin, Frühjahr 1898
Chr.M.
Motto
Wie ward ich oft gebrochen, brach mich selbst,
und dennoch leb ich, unverwüstlich stark;
was alles liegt in mir geknickt, verdorrt,
doch unaufhaltsam wächst es drüber hin.
Jünglings Absage
Oh liebt mich nicht, ihr Guten und Gerechten,
oh laßt mich nicht so herb und qualvoll leiden,
von eurem Wege muß mein Weg sich scheiden,
und gegen euch, nicht mit euch, muß ich fechten.
Umsonst, daß wir um Ziel und Pfade rechten,
umsonst, daß sorglich wir die Kluft verkleiden,
den Einsamen, der nicht mit euch mag weiden,
ihr bannt ihn doch zuletzt, als einen Schlechten.
Dürft ich euch lieben! ... Doch wenn eure Hände
Erhabenstes mit rohem Griff mißhandeln,
und wenn ihr tobt in eures Sinns Umnachtung,
dann wünscht ich mir die Faust voll Feuerbrände,
dann möcht ich, Gorgo gleich, zu Stein euch wandeln –
durch einen Blick unsäglicher Verachtung.
Caritas, caritatum caritas
An seinem Grabe rief des Priesters Mund:
»Ob unbewußt, er war doch Kirchenchrist!
O glaubt es, des Allmächtigen Bildnis ist
verschwunden nie aus seiner Seele Grund!«
Wohl mancher biß sich da die Lippe wund,
ersah er, wie voll heuchlerischer List
der Moloch Kirche noch die Toten frißt
in seinen gierigen, eifersüchtigen Schlund.
Und ob ein Held auch alle Kerker brach,
die je ihn diesem Ungetüm versklavt,
im Tode schleicht ihm seine »Liebe« nach
und spricht: »Die ändern ruhn in meinem Bauch,
wie sollt ich Dich als frei und ungestraft
verschonen?! Sei getrost, ich freß' dich auch.«
O – raison d'esclave
»Krücken, Krücken! gebt uns Krücken!
Ach, wie geht die Menschheit lahm,
seit man, neu sie zu beglücken,
ihr die alten Stützen nahm.
Brillen, Brillen! gebt uns Brillen!
grün und blau und gelb und rot!
Volles Licht ist für Pupillen
unsrer Art der sichre Tod.
Lügen, Lügen! gebt uns Lügen!
Ach, die Wahrheit ist so roh!
Wahrheit macht uns kein Vergnügen,
Lügen machen fett und froh!
Gängelbänder, Schaukelpferde,
Himmel, Hölle und Moral –
und dich selbst gib deiner Herde
neu zurück, oh großer Baal!«
Gebt mir ein Ross ...
Gebt mir ein Roß, und laßt mich reiten
aus diesem Meer von Staub und Stein,
in Wäldernacht, in Steppenweiten
laßt einsam mich und selig sein!
Hurrah! hussah! Der Rappe fliegt ...
Die schwarzen Mauern fliehn zurück ...
Vor mir in stiller Ferne liegt
der Freiheit unaussprechlich Glück ...
Vorüber tausend glatten Städten,
bis mich ein freies Land empfängt,
wo nicht Kultur mit Sklavenketten
die kühne Mannesfaust behängt!
Hurrah! hussah! Zigeunerkind!
Herauf zu mir! mein Arm hält fest!
Hin, wo die Berge pfadlos sind!
Ein Horst sei unser Hochzeitsnest! ...
Und spürt uns die verruchte Sippe
im hohen Felsenbrautbett auf – –
todwilde Jagd zur nächsten Klippe!
Die letzte Kugel aus dem Lauf!
Hurrah! hussah! Die Tiefe droht ...
Umschling mich, Weib! Hörst du sie schrein? ...
Viel lieber hier im Abgrund tot
als dort im Staub lebendig sein! ...
Frühling
Wie ein Geliebter seines Mädchens Kopf,
den süßen Kopf mit seiner Welt von Glück,
in seine beiden armen Hände nimmt,
so faß ich deinen Frühlingskopf, Natur,
dein überschwänglich holdes Maienhaupt,
in meine armen, schlichten Menschenhände,
und, tief erregt, versink ich stumm in dich,
indes du lächelnd mir ins Auge schaust,
und stammle leis dir das Bekenntnis zu:
Vor so viel