Gesammelte Gedichte (851 Titel in einem Buch). Christian Morgenstern

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Название Gesammelte Gedichte (851 Titel in einem Buch)
Автор произведения Christian Morgenstern
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9788027203420



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wenn du hier hinfällst

       und mich anbetest.«

       Der Arme, er wusste nicht,

       dass Erde und Himmel

       durch Phanta längst mein war.

       »Nun, willst du nicht?«

       rief er halb ängstlich

       halb ärgerlich.

       Ich aber machte ihm

       schnell eine kalte Kompresse

       um die erhitzten Schläfen

       und führte ihn sorgsam

       den Berg hinunter.

       Auf halber Höhe

       traf ich den großen Pan.

       Er wollte gerade

       eine Windhosen-Orgel bauen.

       Doch ich entriss ihn

       dem kühnen Projekte

       und stellte ihm

       seinen greisen Kollegen vor.

       »Alte Bekanntschaft!« rief Pan

       und zog die krumme Nase

       missmutig noch krümmer.

       »Vielleicht hilft er dir

       bei der Windhosen-Orgel!«

       schlug ich begütigend vor.

       Das leuchtete ein.

       Arm in Arm

       zogen die beiden ab.

       Ich aber stieg,

       ein freier, glückseliger Mensch,

       singend wieder empor

       auf meine herrlichen,

       klaren, einsamen Höhen.

      DER NACHTWANDLER

       Inhaltsverzeichnis

      Sanfter Mondsegen über den Landen.

       Schlafstumm Berge, Wälder, Tale.

       In den Hütten erstorben die Herde;

       an den Herden eingenickte Grossmütter,

       zu deren Knieen offne Enkel-Mäulerchen

       unter verhängten Aeuglein atmen.

       Auf Daunen und Strohsack

       schnarchendes Laster, schnarchende Tugend.

       Wachend allein: Diebe, Dichter,

       Wächter der Nacht, und auf Gassen, in Gärten

       und in verschwiegenen Kammern

       lispelnde Liebe.

      Sanfter Mond! du segnest, weil du nichts andres kannst. Aber am Herzen zehren dir Neid und Groll, weil die Menschen dich also missachten, dass sie zu Bett gehn, wenn du kommst. Aergerlich ziehn sie die Vorhänge zu: und du stehst draussen und – segnest milde deine Verächter.

      Sanfter Mond! manchmal auch

       lugen Herrschergelüste gefährlich vor

       unter deiner Demut.

       Dann rufst du in verträumte Gehirne:

       »Auf! auf!

       Ich bin die Sonne!

       Kommt: es ist Tag!«

       Und der blöden Schläfer

       glaubt es dir mancher

       und steigt ernsthaft

       aus seinen Kissen

       und geht gravitätisch

       über die Dächer.

       Scheel sehen die Kater ihn an.

       Er aber wandelt und klettert,

       als hätt ihm sein Arzt

       die Alpen verschrieben.

      Wie? Freundchen!

       Hätt ich dich heut gar ertappt?

       Mir dünkt, da unten

       kam solch ein Wandler!

       Armer Fremdling,

       – besser: Hemdling –,

       wer bist du?

       Welchem Bette entflohst du?

       Opferlamm

       mondlicher Lüsternheit,

       meilenweit musst du gewandert sein!

      Redet er nicht im Schlaf? horch!

       »Wer ich bin? ...

       Eine lebendige Litfass-Säule

       Etiquettiert von oben bis unten: –

       Staatsbürger,

       Gemeindemitglied,

       Protestant,

       Hausbesitzer,

       Ehemann,

       Familienvater,

       Vereinsvorstand,

       Reserveleutnant,

       Agrarier,

       Christlicher Germane,

       Antisemit,

       Deutschbündler,

       Socialmonarchist,

       Bimetallist,

       Wagnerianer,

       Antinaturalist,

       Spiritist,

       Kneippianer,

       Temperenzler –«

      »Wie!« ruf ich,

       »und nie Mensch?«

      Aber da reisst

       der Schläfer die Augen auf,

       und – »Mensch?«

       von verzerrten Lippen heulend,

       stürzt er,

       fehltretend,

       die Felswand hinab,

       von Zacke zu Zacke

       im Bogen geschleudert.

      Ich aber,

       ich »Mörder«,

       muss unbändig lachen.

       Ich kann nicht anders –

       Gott helfe dem Armen!

       Amen!

      ANDRE ZEITEN, ANDRE DRACHEN

       Inhaltsverzeichnis

      Immer nicht an Mond und Sterne

       mag ich meine Blicke hängen –:

       Ach man kann mit Mond und Sternen,

       Wolken, Felsen, Wäldern, Bächen

       allzuleichtlich kokettieren,

       hat man solch ein schelmisch Weibchen

       stets um sich wie Phanta Sia.

      Darum senk ich heut bescheiden

       meine Augen in die Tiefe.

       Hier und da ein Hüttenlichtlein;

       auch ein Feuer, dran sich Hirten

       nächtliche Kartoffeln braten –

       wenig sonst im dunklen Grunde.

       Doch! da drunten seh ich eine

       goldgeschuppte Schlange kriechen ...

      Hocharomatisches Erspähnis!

       Kommst du wieder, trautes Gestern,

       da