Название | Der Geist von King Valley |
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Автор произведения | Zsolt Majsai |
Жанр | Языкознание |
Серия | Geschichten einer Kriegerin |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783956673399 |
„Aber ich bin negativ? Ja, ist klar.“
„Würdest du denen das ganze Geld auf einmal geben?“
„Mama, wir reden doch nicht von Millionen! Sicher ist das viel Geld, aber ich glaube schon, dass die damit nicht auf die Pferderennbahn gehen.“
„Wieso ausgerechnet Pferderennbahn?“
Ich zucke die Achseln. „Da kann man doch so schön Geld loswerden. Wisst ihr was? Ich nehme jetzt Danny und wir fahren nach Hause. Macht doch mit dem Geld, was ihr wollt. Dieses Straßenfest interessiert mich nicht.“
„Und Geister?“
Ich bin bereits aufgestanden und erstarre. „Geister?“
„Bei den Charons spukt es.“
„Es spukt?“
„Ja, die haben jetzt einen Poltergeist“, sagt mein Vater.
„Seit wann?“
„Seit dem Wochenende.“
Ich lasse mich wieder auf die Couch sinken. Was ist das denn für eine Scheiße? Ich entdecke am Samstag den zugewachsenen Kellereingang und kurz darauf spukt es im Haus nebenan? Wenn das ein Zufall ist, dann …
„Haben wir jetzt dein Interesse geweckt?“, erkundigt sich mein Vater.
„Insbesondere, weil ich was gefunden habe.“
„Was hast du gefunden?“, fragt meine Mutter und wechselt einen Blick mit meinem anderen Elternteil.
„Einen kaum zugänglichen Kellereingang zu einem Haus, das es nicht mehr gibt. Könnte die 66 gewesen sein.“
„Ich dachte, Hausnummer 66 hat es nie gegeben?“
„Nun ja, das ist nur eine Annahme der Charons“, bemerkt mein Vater. „Vielleicht hat es die Hausnummer doch gegeben und wurde durch irgendetwas zerstört.“
„Und die Geister der ehemaligen Bewohner treiben auf einmal ihr Unwesen bei Charons?“ Mama schüttelt den Kopf. „Tut mir leid, mein Schatz, aber das ist mir ein wenig zu kitschig.“
„Auf jeden Fall gibt es die Überreste, die ich nur entdeckt habe, weil Danny meinte, einer Katze hinterher jagen zu müssen. Und das konnte er nur, weil ich wegen des Straßenfestes mal eine andere Strecke gegangen bin.“
„Aha!“, ruft meine Mutter triumphierend. „Da haben wir es, das Straßenfest ist schuld!“
„Natürlich, was denn sonst?“, erwidere ich achselzuckend. „Ist das nicht die einzige Daseinsberechtigung von Eltern, an allem schuld zu sein, was ihre Kinder nervt?“ Insgeheim habe ich fast einen Herzschlagsaussetzer, weil ich nahe daran war zu sagen, sie seien an allem schuld, was ihren Kindern zustößt. Aber ich liebe meine Eltern, auch wenn sie ab und zu wirklich ganz schön nerven können. Und auf diese Weise an Norman erinnern wollte ich sie nicht. Zumal es ja auch nicht stimmt. Unabhängig davon, dass Norman die Sache etwas anders sieht. Das allerdings wissen meine Eltern nicht und von mir werden sie es auch nie erfahren.
„Fiona?!“ Meine Eltern starren mich verwundert an.
„Was?“
„Redest du nicht mehr mit uns?“, fragt meine Mutter. „Ich habe dich gefragt, ob du ernsthaft glaubst, dass da ein Geist ist in dieser Ruine.“
Ich nicke langsam. „Ich denke schon. Als ich da war, hatte ich für einen Moment das Gefühl, etwas hätte mich berührt. Wie ein leiser Windhauch. Ich habe dem keine weitere Bedeutung zugemessen, aber nun sehe ich es etwas anders.“
„Ich gehe davon aus, du wirst nicht zu den Charons gehen und ihnen sagen, du möchtest dich mal mit dem Geist unterhalten“, sagt mein Vater. „Selbst wenn die Charons an Geister glauben, was sie neuerdings jedenfalls zu tun scheinen, könnte es schwer für dich werden, ihnen zu erklären, wieso du Geister sehen kannst.“
„Das ist wohl wahr. Ich werde ohne ihr Wissens ins Haus gehen.“
„Lass dich nicht erschießen!“, entfährt es meiner Mutter.
„Keine Sorge.“ Jetzt muss ich doch grinsen. „Ich berichte euch dann, wie es gelaufen ist. Und jetzt schwimme ich nach Hause.“
So abwegig ist das gar nicht, wie ich dann feststellen muss, als ich fast knöcheltief im Wasser zum Auto wate. Das ist nicht gut. Wenn das Wasser schon hier so steht, wie sieht es dann im Tal aus? Ich denke kurz darüber nach, Ben anzurufen. Am Ende entscheide ich mich dagegen. Entweder ist alles gar nicht so schlimm, wie ich es mir ausmale, oder er hat auch ohne mich genug zu tun. Und wenn der Regen übernatürliche Ursachen hat, erfahre ich es sowieso früher oder später.
James ist noch nicht da, also ziehe ich meine nassen Klamotten aus, stecke sie in den Trockner und gehe duschen. Ich bin gerade dabei, mich abzutrocknen, als James in einem Bademantel hereinkommt.
„Wurdest du etwa nass?“, erkundige ich mich.
„Wieso?“
„Weil du dich schon ausgezogen hast.“
„Habe ich nicht.“ Er nimmt mir das Handtuch aus der Hand und macht weiter. Gerade jetzt, wo ich bei den Beinen angekommen bin. Er überzeugt sich, dass ich mich an anderen Stellen auch gründlich trockengerieben habe.
„Wie, du hast nicht? Warst du im Bademantel arbeiten?“
„Ja“, sagt er und hebt mich hoch, bis wir auf Augenhöhe sind. Ich schlinge die Beine um ihn.
„Wie viele Häuser hast du verkauft?“
„Alle.“
„Kann ich mir gut vorstellen.“
Wie durch Zauberei öffnet sich auf einmal sein Bademantel und schon wird sein Zauberstab sichtbar.
„It's a kind of magic“, stelle ich fest.
„Kein Widerspruch.“
Dann zeigt er, was sein Zauberstab so alles kann, und ich vergesse für einen Moment den Regen, die Geister, meine schlechte Laune, alles. Na ja, fast alles.
Zum Glück hat der Regen aufgehört. Die Erde ist zwar völlig aufgeweicht, aber die Charons haben Steinplatten im Garten gelegt, ich gelange bis zum Haus, ohne wie ein Regenwurm auszusehen. Alle Lichter sind aus, um zwei Uhr nachts nicht weiter verwunderlich. Wobei, es könnte ja auch sein, dass sie nur auf der Lauer liegen, um den Geist zu erwischen. Die Ausrüstung dafür kann man sogar mieten. Sie würden ganz schön blöd gucken, wenn ich in der Geisterfalle zappelte. Das sollte ich also lieber vermeiden.
Ich warte ein paar Minuten und lausche. Also, wenn sie wirklich auf der Lauer liegen, dann haben sie echte Geisterjägerqualitäten. Was ich ihnen eher nicht zutraue, daher beschließe ich, nicht länger zu warten.
Die Charons haben eine Alarmanlage, das weiß ich. Allerdings ist die nicht auf Krieger ausgelegt, die unbedingt ins Haus wollen. Ein Dachfenster ist einen Spaltbreit geöffnet. Gewöhnliche Einbrecher würden gar nicht erst bis dahin kommen, aber ich bin ja nicht gewöhnlich. Nachdem ich auf dem Dach gelandet bin, laufe ich zum Fenster und verharre dann regungslos.
Nichts zu hören.
Es gelingt mir, das Fenster so weit aufzuziehen, dass ich mich durchschlängeln und auf den Boden gleiten lassen kann.
Als ich mich hochstrecke, um das Fenster zuzuziehen, taucht plötzlich ein schwarzer Schatten auf und wirft sich auf mich.
Vor einem Jahr noch hätte ich mit meinem Schrei die ganze Straße geweckt. Heute ist er sehr unterdrückt und leise, dafür bringe ich beinah reflexartig die Katze der Charons um. Vielleicht ist es sogar dieselbe, die Danny verführt hat. Sie ist genauso erschrocken wie ich und macht sich hastig davon, als ich sie loslasse. Ob Katzen eine Kriegerin erkennen können?
Ich beobachte die blutigen Striemen auf meinem Handrücken dabei, wie sie langsam verschwinden.