Название | Die erste Liebe |
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Автор произведения | Иван Тургенев |
Жанр | Русская классика |
Серия | |
Издательство | Русская классика |
Год выпуска | 0 |
isbn |
– Junger Mann, junger Mann, sagte plötzlich eine Stimme neben mir: – ist es denn erlaubt, fremde junge Damen zu belauschen?
Ich fuhr zusammen und blieb stumm stehen . . Neben mir, hinter dem Zaune, stand ein Mann mit kurzgeschnittenem, schwarzem Haar und blickte mich höhnisch lächelnd an. In demselben Augenblicke wandte sich auch das junge Mädchen nach mir um . . Ich wurde ein Paar große, graue Augen aus einem lebhaften Gesichte gewahr, das plötzlich erzitterte, vom raschen Lachen bewegt, weiße Zähne sehen ließ und gar komisch die Brauen emporzog . . . Feuerroth raffte ich meine Flinte vom Boden aus und stürzte, von lautem, aber nicht spöttischem Lachen begleitet, auf mein Zimmer, warf mich auf mein Bett und bedeckte mein Gesicht mit den Händen. Das Herz pochte gewaltig in meiner Brust; es war von Beschämung und zugleich von Freudigkeit erfüllt: eine bis dahin unbekannte Erregung hatte sich meiner bemächtigt.
Nachdem ich mich erholt hatte, brachte ich mein Haar in Ordnung, bürstete mich rein und begab mich hinunter zum Thee. Das Bild des jungen Mädchens schwebte mir immer vor Augen; das Herz pochte nicht mehr, aber ich empfand einen Druck darin, der mich wonnig bewegte.
– Was hast Du? fragte mich plötzlich mein Vater – Hast Du eine Krähe geschossen?
Ich wollte ihm Alles erzählen, hielt jedoch an mich und lächelte blos vor mich hin.
Vor dem Schlafengehen drehte ich mich, ich weiß selbst nicht weswegen, drei Mal auf einem Beine herum, rieb mir Pomade in’s Haar, legte mich dann zu Bette und schlief die ganze Nacht hindurch wie todt. Noch vor Tagesanbruch erwachte ich auf einen Augenblick, streckte den Kopf in die Höhe, blickte wie verzückt umher, und – schlief wieder ein.
III
»Wie fang’ ich es nur an, ihre Bekanntschaft zu machen?« war mein erster Gedanke, als ich endlich erwacht war. Vor dem Thee begab ich mich in den Garten, näherte mich jedoch dem Zaune nicht gar so sehr und – bekam Niemand zu Gesicht. Nach dem Thee ging ich einige Male die Gasse vor dem Landhause aus und ab – und schielte von Weitem nach den Fenstern . . . Mir däuchte, ich hätte ihr Gesicht hinter dem Vorhange erblickt und erschrocken entfernte ich mich rasch. »Ich muß aber doch ihre Bekanntschaft machen,« dachte ich, indem ich ziellos auf der Sandfläche, die sich vor Neskuschni hinzog, umherging . . . »wie aber? Das ist die Frage.« Ich gedachte der geringsten Einzelheiten bei unserem gestrigen Zusammentreffen: besonders erinnerte ich mich deutlich, wie sie über mich gelacht hatte . . . Doch während ich noch hin- und hersann und verschiedene Pläne schmiedete, hatte schon das Schicksal über mich entschieden.
In meiner Abwesenheit hatte meine Mutter von der neuen Nachbarin einen Brief bekommen; er war auf grauem Papier geschrieben und mit braunrothem Siegellack, der ausschließlich für Postpakete und etwa noch zum Verpichen billiger Weinsorten gebraucht wird, versiegelt. In diesem Briefe, der fehlerhaft und unsauber geschrieben war, bat die Fürstin meine Mutter, sie möchte ihr Protection erweisen, da meine Mutter, so schrieb die Fürstin, mit einflußreichen Personen bekannt sei, von denen der Fürstin und derer Kinder Schicksal abhänge, da sie nämlich in sehr ernste Processe verwickelt sei. »Ich wände mich an Ihnen, schrieb sie, als Dahme von Adel zu eine Dahme von Adel und gleicherzeitich freue ich mich diese Gelegenheit zu benutzen.« Zum Schlusse bat sie meine Mutter um die Erlaubniß, ihr ihre Aufwartung machen zu dürfen. Ich traf meine Mutter in schlechter Gemüthsstimmung: mein Vater war gerade nicht zu Hause und sie hatte Niemanden, den sie um Rath fragen konnte. Einer »Dame von Adel« und noch dazu »einer Fürstin,« keine Antwort zu gehen, wäre unmöglich gewesen – wie aber sollte sie antworten – darüber war meine Mutter unschlüssig. Ein französisches Billet schreiben, dünkte ihr nicht passend, in der russischen Rechtschreibung aber war meine Mutter auch nicht stark – sie wußte es – und wollte sich keine Blöße geben. Meine Ankunft erfreute sie, sie befahl mir, sogleich zur Fürstin zu gehen und derselben mündlich zu erklären, sie wäre stets bereit Ihrer Durchlaucht nach Kräften Beistand zu leisten und lasse sie bitten, sich doch gegen ein Uhr zu ihr zu bemühen. Die unerwartet schnelle Erfüllung meiner geheimen Wünsche versetzte mich in Freude und Schrecken zugleich: ich ließ indessen Nichts von der Verwirrung merken, die sich meiner bemächtigt hatte, sondern begab mich zuerst auf mein Zimmer, um eine neue Halsbinde und einen neuen Rock anzulegen: zu Hause ging ich noch in der Jacke und zurückgeschlagenem Hemdkragen einher, was mir immer sehr peinlich war.
IV
Im engen und unsaubern Vorzimmer der fürstlichen Wohnung, das ich, unwillkürlich am ganzen Leibe zitternd, betrat – begegnete mir ein alter, ergrauter Diener mit dunklem, bronzefarbenem Gesichte, mürrischen kleinen Augen und so tiefen Furchen auf Stirn und Schläfen, wie ich deren in meinem Leben nicht gesehen habe. Er hielt eben auf einem Teller einen abgenagten Häringsgrat, und fragte, kurz angebunden, indem er mit dem Fuße die Thür in’s andere Zimmer ausstieß: was wünschen Sie? – Ist die Fürstin Sassekin zu Hause? fragte ich.
– Bonifacius! kreischte eine weibliche Stimme hinter der Thür.
Der Diener wandte mir schweigend den Rücken zu, wobei die stark mitgenommene Rückenseite seiner Livrée, mit einem vereinzelten braungewordenen Knopfe, sichtbar wurde und entfernte sich, nachdem er den Teller auf den Fußboden gestellt hatte.
– Warst Du im Polizeiquartal? fragte dieselbe Stimme. Der Diener brummte Etwas als Antwort. – Was? . . . Es ist Jemand da? ließ sie sich wieder hören . . . Der junge Herr aus dem Nachbarhause? – Nöthige ihn herein.
Bemühen Sie sich in’s Gastzimmer, sagte der Diener, der wiederum vor mir stand, indem er den Teller vom Boden aufhob. Ich nahm mich zusammen und trat in das »Gastzimmer.«
Es war ein enges und nicht besonders reinliches Gemach, in welches ich trat, mit ärmlichen, gleichsam in aller Eile umher aufgestellten Möbeln. Am Fenster saß auf einem Armstuhle, an welchem die eine Lehne fehlte, eine Frau von ungefähr fünfzig Jahren, ohne Haube und nicht hübsch von Gesicht, in einem alten grünen Kleide und mit einem bunten, wollenen Tuche um den Hals. Ihre kleinen, schwarzen Augen waren scharf auf mich gerichtet. Ich näherte mich ihr und grüßte sie.
– Habe ich die Ehre, die Fürstin Sassekin zu sprechen?
– Ich bin die Fürstin Sassekin; Sie sind wohl der Sohn des Herrn W . . .?
– Ganz richtig. Ich bin im Auftrage meiner Mutter gekommen.
– Nehmen Sie Platz, ich bitte. Bonifacius! wo sind meine Schlüssel, hast Du sie nicht gesehen?
Ich theilte der Mme. Sassekin die Antwort meiner Mutter auf ihren Brief mit. Sie hörte mir, mit den dicken rothen Fingern auf dem Fensterrahmen trommelnd, zu, und als ich zu Ende war, blickte sie mir abermals scharf in’s Gesicht.
– Sehr wohl; ich werde nicht ermangeln, zu kommen, sagte sie endlich. Wie sind Sie aber noch jung! Wie alt, wenn ich fragen darf?
– Sechzehn Jahre, gab ich, unwillkürlich stockend, zur Antwort.
Die Fürstin langte aus ihrer Tasche einige beschriebene, beschmutzte Papiere hervor, hielt dieselben dicht vor die Nase und begann darin herumzublättern.
– Ein schönes Alter, jagte sie auf einmal, indem sie sich auf ihrem Sitze