Der Müller von Angibault. Жорж Санд

Читать онлайн.
Название Der Müller von Angibault
Автор произведения Жорж Санд
Жанр Зарубежная классика
Серия
Издательство Зарубежная классика
Год выпуска 0
isbn



Скачать книгу

mein Freund«, erwiderte Marcelle, deren wohlwollende Sinnesart sie ihre Zurückhaltung vergessen machte.

      »O, ich verlange nichts Besseres, als Ihr Freund zu sein«, sagte der Müller munter und mit einem Blicke, welcher deutlich zu verstehen gab, dass eine solche Vertraulichkeit von Seiten einer weniger jungen und schönen Person nicht sehr nach seinem Geschmacke gewesen wäre.

      ›Schon gut‹, dachte Marcelle, ›ich werde mich darnach richten.‹ Dann sagte sie noch:

      »Leben Sie wohl, mein Herr, auf Wiedersehen ohne Zweifel, denn Sie sind wohl ein Einwohner von Blanchemont?«

      »Ein naher Nachbar. Ich bin der Müller von Angibault, eine Stunde entfernt wohnend von Ihrem Schlosse, denn ich merke, dass Sie die Herrin von Blanchemont sind.«

      Marcelle hatte ihren Leuten verboten, ihr Inkognito zu verraten, indem sie unbemerkt durch das Land zu reisen wünschte. Nun aber sah sie an dem Gebaren des Müllers deutlich, dass ihre Eigenschaft als Gutsbesitzerin eben kein solches Aufsehen machte, wie sie befürchtet hatte. Ein Gutsbesitzer, welcher nicht auf seinem Gute lebt, ist ein Fremder, um welchen man sich nicht bekümmert. Der Pächter, der ihn repräsentiert und mit dem man in beständigem Geschäftsverkehr steht, ist eine weit wichtigere Person. —

      Ungeachtet ihres Vorsatzes, zu guter Zeit aufzubrechen, um vor Eintritt der Mittagshitze Blanchemont zu erreichen, sah sich Marcelle dennoch genötigt, den größten Teil des Tages in ihrer Nachtherberge zuzubringen. Alle Patachen der Stadt waren fort, weil in der Nähe ein großer Jahrmarkt abgehalten wurde, und es musste die Rückkehr eines dieser Fuhrwerke abgewartet werden. Es war gegen drei Uhr nachmittags, als Susette kam, um ihrer Gebieterin zu melden, dass eine Art von abscheulichem Korbwagen das einzige Fuhrwerk sei, welches man bis jetzt für sie habe auftreiben können. Zur großen Verwunderung ihrer vortrefflichen Zofe zauderte Frau von Blanchemont nicht, sich in die Sache zu schicken. Sie nahm einige Pakete, welche das Notwendigste enthielten, zu sich, übergab die Sorge für ihre Kalesche und ihren Koffer dem Wirt und machte sich in der klassischen Patache, diesem ehrwürdigen Zeugen der Einfachheit unserer Väter, welcher von Tag zu Tag sogar in den Hohlwegen des schwarzen Tales seltener zu werden beginnt, auf den Weg.

      Die Patache, welche zu finden Marcelle das Unglück gehabt, war von so äußerst altfränkischer Konstruktion, dass ein Altertümler sie mit Hochachtung betrachtet hätte. Sie war lang und tief, wie ein Sarg; die Räder, so hoch wie der Kasten, konnten den morastigen Gräben Trotz bieten, welche unsere Querwege durchschneiden und welche der Müller, unzweifelhaft aus Nationalstolz, zu Geleisen gemacht hatte; der Kasten selbst war weiter nichts, als ein Geflecht von Weiden, im Innern mit Kalk übertüncht, so dass bei jedem heftigeren Stoße Bruchstücke dieses Überzuges den Reisenden auf die Köpfe fielen. Ein kleines, mageres, feuriges und halsstarriges Pferd zog leicht genug diese ländliche Karosse und der Patachon, d. h. der Fuhrmann, welcher seitlings auf der Deichsel saß, war, in Betracht, dass es unsere Väter bequemer fanden, vermittelst eines Stuhles in den Wagen zu steigen, als sich in einem Fußtritt zu verwickeln, der am wenigsten Eingeengte und am wenigsten Gefährdete von der ganzen Reisegesellschaft.

      Es existiert vielleicht in unserem Lande die eine oder andere Patache von dieser Art im Besitz alter, reicher Landleute, welche nicht von ihren Gewohnheiten ablassen wollen und behaupten, dass die in Federn hängenden Wagen den Wadenkrampf verursachen.

      So lange man die gebahnte Straße verfolgte, war die Fahrt ziemlich erträglich. Der Patachon war ein roter, stumpfnasiger, frecher Bursche von fünfzehn Jahren, der sich um nichts kümmerte, sich, ohne alle Rücksicht auf die Frauen, nicht genierte, zum Antreiben des Pferdes seinen ganzen reichen Vorrat von Flüchen zu verwenden, und sich darin gefiel, die Kraft des mutigen Pony zu erschöpfen, der sein Leben lang noch keinen Hafer geschmeckt und dem der Anblick grünender Wiesen genügte, um bei gutem Mut zu bleiben. Als er sich aber im Verlauf des Weges in eine dürre Heide versetzt sah, begann er mit mehr unzufriedener, als widerspenstiger Miene den Kopf hängen zu lassen und seine Last mit einer Art Wut weiterzureißen, ohne der Unebenheiten der Straße zu achten, wodurch das Fuhrwerk in ein gefährliches Schwanken geriet.

      3. Kapitel.

      Der Bettler

      Allein noch weit schlimmer gestaltete sich die Sache, als man die sandigen Heidewege verließ und zu den kotigen und steinigen Pfaden des schwarzen Tales hinabstieg. Vom Rande der sterilen Hochebene aus hatte Frau von Blanchemont die unermessliche und wundervolle Landschaft bewundert, welche sich ihr zu Füßen ausrollte und, in duftiger Ferne mit dem Himmelsgewölbe zusammenschmelzend, von den Strahlen der ihrem Untergang sich zuneigenden Sonne mit einem blassen, goldbesäumten Violett überhaucht war. Die Gegend gehört allerdings nicht zu den schönsten von Frankreich: die Vegetation ist von keiner großen Kraft, kein bedeutender Strom durchschneidet diese Distrikte, wo sich die Sonne in keinem Schieferdach spiegelt, kein malerisches Gebirge, nichts Überraschendes, nichts Außerordentliches findet sich in dieser friedlichen Natur – aber eine grandiose Entrollung von Ackerland, eine ins Unendliche gehende Reihenfolge von Feldern, Wiesen, Gehölzen und Feldwegen, welche in das dunkle, in Bläuliche schimmernde Grün des Ganzen Abwechslung bringen, ein buntes Durcheinander von zahllosen Hecken, von in Obstgärten versteckten Strohhütten, von Pappelgruppen, von buschigen Weiden in den Niederungen, alles dieses vereinigt sich zu einer zusammenstimmenden, fünfzig Meilen weit hingedehnten Landschaft, welche man von der Höhe der Strohhüttenweiler Labreuil oder Corlay mit einem Blicke überschaut.

      Unsere Reisenden hatten sich indessen des Anblicks dieses prachtvollen Panorama nur kurze Zeit erfreuen können. Einmal in die holprichten Geleise des schwarzen Tales eingefahren, verwandelte sich die Szene. Die von hohem Buschwerk eingefassten Wege hinanklimmend und hinabfahrend und wieder hinanklimmend, konnte man den Abgründen nicht ausweichen, weil diese Wege selber Abgründe sind. Die Sonne verlieh den Bäumen, indem sie hinter denselben verschwand, ein eigentümliches, wunderlich anmutiges und wildes Aussehen, welches alle jene Täuschungen unterstützt, die in der Dämmerung Licht und Schatten mit den Sinnen und der Phantasie treiben. So lange die Sonne über dem Horizont stand, machte der rothaarige Wagenlenker seine Sache ziemlich gut, indem er den ausgefahrendsten und folglich auch holprichtsten, aber auch sichersten Weg verfolgte und das Fuhrwerk glücklich über zwei oder drei Bäche brachte, indem er sich nach den am Ufer sichtbaren Karrenspuren richtete. Aber als die Sonne untergegangen, fiel die Nacht sehr rasch auf diese Kreuz- und Querwege und der letzte Bauer, an welchen man sich fragend gewandt, versetzte sorglos:

      »Nur zu, nur zu! Ihr habt nur noch eine kleine Meile zu fahren und der Weg ist fortwährend gut.«

      Ach, das war der sechste Bauer, welcher binnen zwei Stunden den Reisenden gesagt hatte, dass sie nur noch eine kleine Meile vom Ziel ihrer Fahrt entfernt seien, und der fortwährend gute Weg war von einer Beschaffenheit, dass die Kräfte des Pferdes und die Geduld der Reisenden zugleich erschöpft waren. Marcelle selbst begann jetzt zu fürchten, umgeworfen zu werden, denn wenn auch der Patachon und sein Klepper, während es Tag war, den Weg mit vieler Geschicklichkeit gefunden hatten, so war es doch völlig unmöglich, dass sie jetzt, bei eingebrochener Nacht die tiefen Gräben vermeiden konnten, welche das durchschrittene Terrain ebenso gefährlich, als malerisch machten und euch jeden Augenblick der Gefahr aussetzen, zehn oder zwölf Fuß tief hinabzustürzen. Der Bursche, welcher noch nie zuvor im schwarzen Tal gewesen, wurde unwirsch und fluchte jedes Mal wie ein Besessener, wenn er sich genötigt sah, umzuwenden, um den Weg wieder aufzufinden, daneben klagte er über Hunger und Durst, sowie über die Müdigkeit seines Pferdes, welches er krumm und lahm schlug, und wünschte mit den Ausdrücken eines städtischen Spießbürgers diese wilde Gegend und ihre einfältigen Bewohner zu allen Teufeln.

      Mehr als einmal waren Marcelle und ihre Leute, sobald sie an eine abschüssige, aber trockene Stelle des Weges kamen, abgestiegen, allein sie konnten dann kaum fünf Minuten vorwärtsgehen, ohne an eine Stelle zu kommen, wo der Weg sich verengte und von einer dem Boden gleichen, keinen Abfluss habenden Quelle zu einer Pfütze umgewandelt wurde, welche eine zartgebaute Frau unmöglich durchwaten konnte.

      Susette, die Pariserin, wollte sich, wie sie sagte, lieber der Gefahr aussetzen, umgeworfen zu werden, als ihre Fußbekleidung in diesen Morasten stecken lassen und Lapierre, welcher sein Leben in Tanzschuhen auf gebohntem