Ange Pitou Denkwürdigkeiten eines Arztes 3. Александр Дюма

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Название Ange Pitou Denkwürdigkeiten eines Arztes 3
Автор произведения Александр Дюма
Жанр Зарубежная классика
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Издательство Зарубежная классика
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die Kaninchen des Vaters Jeunesse.«

      Die Hoffnungen der Tante Angélique waren mehr als erfüllt. Sie nahm, bebend vor Freude, die zwei unglücklichen Tiere, untersuchte ihren unversehrt gebliebenen Balg und schloß sie in ihre Speisekammer ein, die in ihrem Leben keine Vorräte gesehen hatte, wie die, die sie enthielt, seitdem es Pitou eingefallen war, sie zu verfolgen.

      Dann forderte sie mit ziemlich sanftem Tone Pitou auf, sich niederzulegen; das ermüdete Kind that dies auf der Stelle, ohne ein Abendbrot zu verlangen, was ihn vollends aufs beste in der Meinung seiner Tante stellte. Zwei Tage nachher wiederholte Pitou seinen Versuch, und er war diesmal noch glücklicher als das erste Mal. Er fing drei Kaninchen.

      Zwei nahmen den Weg nach dem Wirtshause zur goldenen Kugel, das dritte den nach dem Pfarrhause. Die Tante Angélique trug sehr Sorge für den Abbé Fortier, der sie seinerseits den guten Seelen des Kirchspiels empfahl.

      So gingen die Dinge drei bis vier Monate. Die Tante Angélique war entzückt, und Pitou fand seine Lage erträglich. Doch ein unerwarteter Umstand, auf den man indessen gefaßt sein mußte, machte der Tante einen Strich durch die Rechnung und unterbrach die Expeditionen des Neffen.

      Es war ein Brief von Doktor Gilbert, datiert von New-York, angekommen. Als der philosophische Reisende den Fuß auf den Boden Amerikas setzte, vergaß er seinen kleinen Schützling nicht. Er schrieb an Meister Niguet, um sich zu erkundigen, ob seine Vorschriften befolgt worden seien, und um den Vollzug des Vertrags, wenn man dies nicht gethan, oder seinen Bruch zu fordern, wenn man diese Vorschriften nicht befolgen wollte.

      Der Fall war ernster Natur. Die Verantwortlichkeit des Notars stand auf dem Spiel: er fand sich bei der Tante Pitou ein und stellte sie, den Brief des Doktors in der Hand, über den Vollzug des Vertrags zur Rede.

      Man konnte nicht zurückweichen; jede Entschuldigung mit schlechter Gesundheit wurde durch das Aussehen von Pitou Lügen gestraft. Pitou war groß und mager; aber die jungen Bäume des Waldes waren auch groß und mager, was sie nicht verhinderte, sich äußerst wohl zu befinden.

      Mademoiselle Angélique verlangte acht Tage, um ihren Geist auf die Wahl des Standes vorzubereiten, den sie ihren Neffen wollte ergreifen lassen.

      Pitou war ebenso traurig als seine Tante. Das Gewerbe, das er trieb, kam ihm vortrefflich vor, und er wünschte sich kein anderes.

      Während dieser acht Tage war weder von der Vogeltränke, noch vom Wildern mehr die Rede. Ueberdies befand man sich im Winter, und im Winter trinken die Vögel überall. Dann war Schnee gefallen, und beim Schnee wagte es Pitou nicht, seine Schlingen zu legen. Der Schnee bewahrt den Eindruck der Sohlen, und Pitou besaß ein paar Füße, das dem Vater La Jeunesse die schönste Aussicht gab, innerhalb vierundzwanzig Stunden zu erfahren, wer der Dieb gewesen, der den seiner Obhut anvertrauten Bezirk entvölkert.

      Während dieser acht Tage wuchsen der alten Mademoiselle die Klauen wieder. Pitou hatte seine Tante Angélique von einst wiedergefunden, diejenige, welche ihm so sehr Furcht eingeflößt, und die das Interesse, diese mächtige Bewegkraft ihres ganzen Lebens, einen Augenblick Sammetpfoten hatte machen lassen. Je näher man dem Ziele rückte, desto mürrischer wurde die Laune der alten Mademoiselle, dergestalt, daß am fünften Tag Pitou wünschte, seine Tante möchte sich sogleich für irgend einen Stand entschließen, gleichviel welcher es wäre, wenn nur nicht der eines Schmerzendulders, den er bei der alten Mademoiselle einnahm.

      Plötzlich erschloß sich ein Gedanke in diesem so grausam bewegten Kopf. Dieser Gedanke gab ihr die Ruhe wieder, die sie seit sechs Tagen verloren hatte. Er bestand darin, daß sie den Abbé Fortier bat, den armen Pitou unentgeltlich in seine Klasse aufzunehmen und ihm das von Seiner Hoheit, dem Herzog von Orleans, im Seminar gestiftete Stipendium zu verschaffen. Das war eine Lehre, die der Tante Angélique nichts kostete, und Herr Fortier, abgesehen von den Krammetsvögeln, den Amseln und den Kaninchen, mit denen ihn die alte Frömmlerin seit sechs Monaten überhäufte, war dem Neffen der Vermieterin seiner Kirchenstühle etwas mehr schuldig, als jedem andern. So unter der Glocke gehalten, trug Ange in der Gegenwart ein und versprach für die Zukunft.

      Ange wurde in der That beim Abbé ohne irgend eine Bezahlung aufgenommen. Es war ein braver Mann, dieser Abbé; nicht im geringsten interessiert, gab er seine Wissenschaft denen, die arm am Geiste, sein Geld denen, die arm am Körper; aber unlenkbar in einem einzigen Punkt: die Solécismen brachten ihn außer sich, die Barbarismen machten ihn wütend. In diesem Fall kannte er weder einen Freund, noch einen Feind, weder einen Armen, noch einen Reichen, weder einen bezahlenden Schüler, noch einen nicht bezahlenden. Er schlug mit unbestechlicher Unparteilichkeit und mit einem lacedämonischen Stoicismus, und da er einen starken Arm hatte, so schlug er tüchtig. Das war den Eltern bekannt; es hing von ihnen ab, ihre Kinder zum Abbé Fortier zu bringen oder nicht; brachten sie ihre Kinder aber dahin, so mußten sie sie gänzlich seiner Willkür überlassen; denn auf alle mütterlichen Reklamationen antwortete der Abbé mit dem Wahlspruch: Wer gut liebt, der züchtigt gut, den er auf den Handgriff seiner Rute und auf den Stiel seiner Schulgeißel hatte gravieren lassen.

      Ange Pitou wurde also auf die Empfehlung seiner Tante unter die Schüler des Abbés Fortier aufgenommen. Ganz stolz auf diese Aufnahme, die Pitou viel weniger angenehm war, begab sich die alte Andächtlerin zu Meister Niguet und benachrichtigte ihn, sie habe sich nicht nur mit den Absichten des Doktors Gilbert in Einklang gesetzt, sondern dieselben sogar übertroffen. Der Doktor hatte in der That für Ange Pitou ein ehrenhaftes Gewerbe verlangt. Sie gab ihm viel mehr als dies, da sie ihm eine ausgezeichnete Erziehung gab; und wo gab sie ihm diese Erziehung? In derselben Pension, wo Sebastian Gilbert, für den er fünfzig Livres bezahlte, die seinige erhielt.

      Es ist nicht zu leugnen, Ange erhielt seine Erziehung gratis, aber es war keine Notwendigkeit vorhanden, dies dem Doktor Gilbert mitzuteilen; und teilte man es ihm mit, so kannte man die Unparteilichkeit und die Uneigennützigkeit des Abbés Fortier. Wie sein erhabener Meister, öffnete er die Arme und sprach: Lasset die Kindlein zu mir kommen! Nur waren diese zwei Hände, die das Ende der zwei väterlichen Arme bildeten, die eine mit einer Sprachlehre, die andere mit einem Bündel Ruten bewaffnet, so daß meistens, ganz im Gegenteil zu Jesus, der die Kinder in Thränen empfing und getröstet wegschickte, der Abbé Fortier die armen Kinder voll Angst auf sich zukommen sah und weinend wegschickte.

      Der junge Schüler trat in die Klasse ein, mit einer Truhe unter dem Arm, ein hornenes Tintenfaß in der Hand und ein paar Federstümpfe hinter dem Ohr. Die Truhe war bestimmt, um, so gut es eben ging, das Pult zu ersetzen. Das Tintenfaß war ein Geschenk vom Krämer, und die Federstümpfe hatte Mademoiselle Angélique aufgelesen, als sie am Tage vorher Meister Niguet ihren Besuch machte.

      Ange Pitou wurde mit jener sanften Brüderlichkeit empfangen, die bei den Kindern entsteht und bei den Männern sich fortpflanzt, nämlich mit Hohngelächter. Die ganze Klasse machte sich über ihn lustig. Zwei Schüler mußten zur Strafe zurückbleiben wegen seiner gelben Haare, und zwei andere wegen seiner sonderbaren Kniee, die wir schon mit einem Worte berührt haben. Diese zwei letzteren sagten, die Beine von Pitou gleichen Brunnenseilen, an die man einen Knoten gemacht. Das Wort fand eine günstige Aufnahme, machte die Runde um die Tafel, erregte die allgemeine Heiterkeit und folglich Aerger beim Abbé Fortier.

      Als er am Mittag wegging, nachdem er vier Stunden in der Klasse gewesen war, hatte Pitou, ohne daß er ein Wort an jemand gerichtet, ohne daß er etwas anderes gethan, als hinter seinem Pult gegähnt, sechs Feinde in der Klasse und zwar sechs umso erbittertere Feinde, als er kein Unrecht gegen sie hatte. Sie leisteten auch auf den Ofen, der in der Klasse den Altar des Vaterlandes vorstellt, den feierlichen Eid, die einen, ihm seine gelben Haare auszuraufen, die andern, ihm seine fayenceblauen Augen grün zu schlagen, die letzten, ihm seine vorwärts gebogenen Kniee gerade aufzurichten.

      Pitou wußte daraus nichts von diesen feindseligen Gesinnungen. Als er die Schule verließ, fragte er einen seiner Nachbarn, warum sechs von ihren Kameraden zurückbleiben, während sie weggehen.

      Der Nachbar schaute ihn von der Seite an, nannte ihn einen boshaften Anzeiger und entfernte sich, ohne ein Gespräch mit ihm anknüpfen zu wollen.

      Pitou fragte sich, wie er, der nicht ein einziges Wort während der ganzen Klasse gesagt, ein boshafter Anzeiger sein könne. Doch während der Dauer eben dieser Klasse hatte er entweder durch die Schüler oder