Rudin. Иван Тургенев

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Название Rudin
Автор произведения Иван Тургенев
Жанр Русская классика
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Издательство Русская классика
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– vorzüglich auf das weibliche Geschlecht, schalt er von Morgen bis zum Abend, zuweilen sehr treffend, zuweilen ziemlich flach, immer jedoch mit Selbstbefriedigung. Er war reizbar wie ein Kind; sein Lachen, der Ton seiner Stimme, sein ganzes Wesen schien von Galle getränkt. Darja Michailowna sah ihn gern bei sich: er ergötzte sie mit seinen Ausfällen. Und in der That waren sie sehr erheiternd. Es war seine Lust, Alles zu übertreiben. Erzählte man z.B. in seiner Gegenwart von einem Unfalle – war’s nun, daß der Blitz ein Dorf in Brand gesteckt, oder daß Wasser einen Mühldamm durchbrochen, oder daß ein Bauer sich mit der Axt die Hand abgehauen hatte – jedesmal fragte er mit gesteigerter Erbitterung: »wie heißt sie?« nämlich wie das Weib heiße, das an dem Unglück Schuld sei, – denn seiner Behauptung nach brauchte man nur tiefer auf den Grund zu gehen, um zu finden, daß jegliches Unglück durch ein Weib herbeigeführt werde. Einst warf er sich auf die Kniee vor einer ihm fast unbekannten Frau, die in ihn drang, etwas zu kosten; und beschwor sie unter Thränen, aber mit sichtbarem Grimm in den verzerrten Zügen, sie wolle seiner schonen, er hätte nichts gegen sie verschuldet und werde sie künftig nie mehr besuchen. s Ein anderes Mal ging ein Pferd mit einer der Waschfrauen Darja Michailowna’s einen Berg hinunter durch, warf in einem Graben um, und hätte die Frau beinahe getödtet. Pigassow nannte später das Pferd nie anders, als das wackre, wackre Rößchen, und der Berg selbst,? wie auch der Graben, däuchten ihm überaus malerische Plätze. Pigassow hatte kein Glück im Leben gehabt – daher vorherrschend sein wunderliches Gebahren. Er war armer Aeltern Kind; die Beschäftigung seines Vaters war eine ziemlich untergeordnete gewesen, er hatte kaum lesen und schreiben gelernt und nicht an die Erziehung seines Sohnes gedacht; er hatte ihm Nahrung und Kleidung gegeben – das war Alles! Von der Mutter wurde er verhätschelt, sie starb aber früh. Pigassow verdankte seine Bildung sich selbst; zuerst besuchte er die Kreisschule, dann das Gymnasium, erlernte die französische, deutsche, ja sogar die lateinische Sprache und nachdem er mit einem vorzüglichen Zeugnisse das Gymnasium absolvirt hatte, begab er sich nach Dorpat, wo er unter fortwährendem Kampfe mit der Noth, dennoch nach drei Jahren richtig sein Triennium beendigte. Pigassow’s Fähigkeiten waren keineswegs außergewöhnlicher Art; er zeichnete sich durch Geduld und Beharrlichkeit aus, besonders stark war jedoch in ihm der Ehrgeiz, das Verlangen nach guter Gesellschaft und die Sucht, Anderen nicht nachzustehen, dem Schicksal zum Trotz. Er lernte fleißig und hatte die Dorpatsche Universität aus Ehrgeiz bezogen. Die Armuth reizte ihn auf und entwickelte in ihm Beobachtungsgeist und Verschlagenheit. Er hatte eine eigenthümliche Art sich auszudrücken; von Jugend auf hatte er sich eine besondere Art erbitterter und gereizter Beredsamkeit zu eigen gemacht. Seine Gedanken überstiegen nicht das gewöhnliche Niveau; doch war seine Rede der Art, daß er nicht bloß für einen klugen, sondern sogar für einen geistreichen Menschen gelten konnte. Nachdem er den Candidatengrad erhalten hatte, beschloß er, sich dem Gelehrtenstande zu widmen, denn es war ihm klar, daß er auf jeder anderen Laufbahn hinter seinen Gefährten zurückbleiben würde; er war bemüht, sich dieselben aus den höheren Ständen zu wählen und verstand es, sich ihnen gefällig zu zeigen, ja, er schmeichelte ihnen sogar, wenn auch immer mit Schelten. Doch da gebrach es ihm, um es einfach zu sagen, am nöthigen Stoff. Als Autodidact ohne Liebe zur Wissenschaft, wußte Pigassow im Grunde zu wenig. Er fiel bei der Disputation schmählich durch, während ein anderer Student, sein Stubengefährte, über den er sich beständig lustig gemacht hatte, ein beschränkter Kopf, der jedoch eine regelmäßige und gründliche Bildung genossen hatte, vollständigen Triumph über ihn davon trug. Dieser Unfall erbitterte Pigassow auf’s Aeußerste: er warf alle seine Bücher und Hefte in’s Feuer und trat in den Staatsdienst. Anfangs ging es nicht schlecht damit: als Beamter war er zu Allem gut, zwar nicht sehr expeditiv, dagegen aber über die Maßen selbstvertrauend und großsprecherisch; er wollte nur zu rasch s emporkommen – verwickelte sich, strauchelte und war gezwungen, seinen Abschied zu nehmen. Drei Jahre lang blieb er auf seinem wohlerworbenen Gütchen sitzen und heirathete unvermuthet eine reiche, wenig gebildete Gutsbesitzerin, die er an dem Köder seiner freien und spöttischen Manieren gefangen hatte; sein Charakter aber wurde immer verbissener und das Familienleben drückte ihn . . . Nachdem seine Frau einige Jahre mit ihm gelebt hatte, fuhr sie heimlich nach Moskau und verkaufte einem gewandten Abenteurer ihr Gut, in welchem Pigassow eben erst ein Wirthschaftsgebäude hatte erbauen lassen. Durch diesen lebten Schlag bis in’s Innerste erschüttert, fing er einen Proceß gegen seine Frau an, den er jedoch verlor . . . So lebte er nun seine Tage allein, besuchte seine Nachbarn, die er selbst in deren Gegenwart aufzog und die ihn mit einem gewissen gezwungenen und verbissenen Lachen empfingen, doch flößte er ihnen keine besondere Furcht ein, – ein Buch nahm er nie in die Hand. Er besaß nahezu hundert Seelen; seine Bauern litten nicht Noth.

      – Ah! Constantin! sagte Darja Michailowna als Pandalewski in’s Gastzimmer trat: – Kommt Alexandrine?

      – Alexandra Pawlowna lassen sich empfehlen und werden sich ein besonderes Vergnügen daraus machen, erwiderte Constantin Diomiditsch, sich nach allen Seiten hin anmuthig verbeugend, und mit dem dicken, aber weißen Hündchen, dessen Fingernägel dreieckig zugestutzt waren, sich das vorzüglich geordnete Haar leichthin streichelnd.

      – Und Wolinzow kommt auch?

      – Wird auch kommen.

      – Ihrer Ansicht nach, Afrikan Semenitsch, fuhr Darja Michailowna zu Pigassow gewendet fort, – sind also alle jungen Mädchen geziert?

      Pigassow’s Lippen verzerrten sich nach einer Seite hin und er zuckte convulsivisch mit dein Ellenbogen.

      – Ich sage, begann er in ungeduldigem Ton – er sprach im heftigsten Anfall von Erbitterung langsam und deutlich: – ich sage, daß die jungen Mädchen im Ganzen genommen – von den anwesenden, versteht sich’s, rede ich nicht . . .

      – Das hindert Sie aber nicht, auch diese im Sinne zu haben, unterbrach ihn Darja Michailowna.

      – Ich übergehe sie mit Schweigen, wiederholte Pigassow. – Alle jungen Mädchen im Allgemeinen sind in höchstem Grade geziert im Ausdrucke ihrer Gefühle. Erschrickt zum Beispiel ein junges Mädchen, erfreut oder betäubt sie Etwas, das Erste, was sie thut, ist, sie giebt ihrem Körper eine gewisse graziöse Biegung (dabei gab Pigassow seiner Gestalt eine angemessene Wendung und streckte die Arme von einander) und dann erst kreischt sie: ach! oder bricht in Lachen oder Schluchzen aus. Ein Mal übrigens – und dabei lächelte Pigassow wohlgefällig: – habe ich es bei einem außerordentlich geziemen Fräulein dahin gebracht, einen wahren, ungeheuchelten Gefühlsausdruck zu erzwingen!

      – Auf welche Weise?

      Pigassow’s Augen funkelten.

      – Ich gab ihr von hinten mit einem Espenpfahle einen Stoß in die Seite. Wie sie aufschrie! Bravo! bravo! rief ich. Das war die Stimme der Natur, das war ein natürlicher Schrei. So müssen Sie es künftig halten.

      Alle im Zimmer lachten auf.

      – Was für einen Unsinn schwatzen Sie da, Afrikan Semenitsch! rief Darja Michailowna. – Sie meinen, ich werde Ihnen glauben, Sie hätten ein Mädchen mit einem Pfahle in die Seite gestoßen!

      – »So wahr Gott lebt, mit einem Pfahle, mit einem ungeheuren, wie jene, die bei der Vertheidigung von Festungen gebraucht werden.

      – Mais c’est une hoppour ce que vous dites là, monsieur, rief mit Entsetzen Mille. Boncourt, und warf einen strengen Blick auf die lachenden Kinder.

      – Glauben Sie ihm doch nicht, sagte Darin Michailowna: – kennen Sie ihn denn nicht?

      Die entrüstete Französin konnte sich aber lange nicht beruhigen und fuhr fort, vor sich zu brummen.

      – Sie mögen mir glauben oder nicht, fuhr mit gelassener Stimme Pigassow fort: – ich betheuere aber, daß ich die reine Wahrheit gesagt habe. Wer könnte es denn besser wissen als ich? Dann werden Sie es wohl auch nicht glauben, daß unsere Nachbarin, die Tschepusow, mir selbst erzählt hat, merken Sie wohl, sie selbst hat mirs erzählt, daß sie ihren eigenen Neffen umgebracht hat?

      – Wieder eine schöne Erfindung!

      – Bitte, bitte! hören Sie und urtheilen Sie selbst. Vergessen Sie nicht, ich will sie nicht verleumden, ich habe sie sogar lieb, das heißt, so lieb man ein Weib haben kann, es ist im ganzen Hause bei ihr kein Buch auszutreiben, den Kalender ausgenommen,