Unter Palmen und Buchen. Dritter Band.. Gerstäcker Friedrich

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Название Unter Palmen und Buchen. Dritter Band.
Автор произведения Gerstäcker Friedrich
Жанр Зарубежная классика
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Издательство Зарубежная классика
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Honoratiorentöchtern, und allerdings hatte man hier die Wahl, denn der Ball glich wirklich weit eher einer Art von Maskerade, als einem gewöhnlichen Tanzvergnügen.

      Alle Stände schienen vertreten, und vom feinsten Ballcostüm an, das besonders ein junger, neu eingetroffener Arzt zur Schau trug und mit seiner weißen Weste und Cravatte, wie Strümpfen und Schuhen, wie vollkommen tadellosen Frack Aufsehen erregte, bis zu dem Bauer mit dem dreieckigen Hut, die kurze qualmende Pfeife im Munde oder Doctor Polzig in Wasserstiefeln, war Alles vertreten.

      Ebenso bei den Damen; einige der jungen Mädchen und Frauen, unter ihnen Schrader's Tochter und die Frau Becher, hatten wirklich geschmackvolle Balltoilette gemacht, mit der sie in jedem Casino hätten erscheinen können. Nur die um die Taille gebundenen weißen Taschentücher gaben Zeugniß der gemischten Gesellschaft, da die wenigsten Herren Handschuh trugen. Die Bauermädchen dagegen verschmähten selbst diesen Schutz gegen kleine Unbequemlichkeiten des Lebens, und ihre weißen großen Taschentücher an einem Zipfel in den sonngebrannten arbeitstüchtigen Händen haltend und hin und herschlenkernd, prangten sie in all dem Schmuck ihres heimischen Dorfes, mit silbernen Ketten und Ohrringen, mit großen Bändern auf den Hauben, oder auch bunte Tücher um den bloßen Kopf gebunden – aber Alle trugen Strümpfe, obgleich sie die sonst nur Sonntags in der Kirche an die Füße brachten, und Alle sahen vergnügt und glücklich aus. Dazwischen aber bewegten sich auch die Handwerkerstöchter in schlichten Kattunkleidern, mit natürlichen Blumen im Haar, und manche schmucke, niedliche Gestalt war unter ihnen. Ja selbst die Dienstmädchen hatten vollkommen freien Zutritt zu dem Ball und manche »Honoratiorentochter« »schimmelte« an der Wand, während sich ihre jugendfrischere Magd mit den jungen Herren lustig im Kreise schwenkte.

      Aber keine Unordnung fiel vor; wenn auch einmal Einer der jungen wilden Burschen einen hellen Juchzer mit »unse Kirmeß« in der Erinnerung an die heimathlichen Freuden ausstieß; sie Alle wußten, daß sie dabei auf Ordnung halten mußten. Der junge Braunhofer, ein Bauernsohn, hatte der Frau Becher nicht zu viel versprochen, wenn er ihr sagte, sie solle keine Furcht haben, und in harmloser Lustigkeit verbrachte das fröhliche Völkchen seinen Abend.

      Der englischen Gerichtsbarkeit war das ebenfalls bekannt. Hatte das eine englische Wirthshaus im Ort einmal Tanzmusik, so mußte die ganze Polizei die Nacht auf den Beinen sein und war selbst dann oft nicht im Stande, einen Tumult zu verhüten. Hielten die Deutschen dagegen Ball, so sah man keinen Policisten auf der Straße oder in der Nachbarschaft, und nur zuweilen kam die Behörde selber mit der Cigarre im Munde und einem ganz vergnügten Gesicht, um ein wenig zuzusehen, oder wohl selber einen Tanz zu wagen.

      Der junge Benner war übrigens an dem Tage einer der fleißigsten Tänzer gewesen, und dabei nicht etwa wählerisch in seinen Ansprüchen an Rang oder Stand. Am allermeisten tanzte er sogar mit einem jungen Mädchen, einer reizenden Blondine. Sie war ein bildhübsches Kind, aber nur eine Schusterstochter, die bei dem Apotheker Schrader in Dienst stand, und Madame Schrader selber fühlte sich so entrüstet darüber, daß sie ihm, als er auch sie einmal aufforderte, mit gerümpfter Nase den Rücken drehte und meinte, sie »wolle ihre Jette nicht berauben.«

      Jetzt war Pause. Benner hatte seine Tänzerin zum Büffet geführt, wo sie ein Glas Punsch mitsammen tranken, und schlenderte dann Arm in Arm mit dem früheren Lieutenant Krowsky im Saal herum.

      »Du scheinst Dich zu amüsiren,« sagte dieser, der sich seinerseits ziemlich zurückgehalten hatte. Er war erst kurze Zeit in der Colonie und an das wunderliche Leben noch nicht gewöhnt.

      »Und weshalb nicht?« lachte Benner, »zu was Anderem sind wir hier? Mir kommt Australien immer wie so eine Art unterseeische Stadt, wie eine Traumwelt vor, in die uns das Schicksal geworfen hat, und wir machen jetzt den hiesigen Meerweibchen den Hof, wie wir es früher den Baronessen und Comtessen gemacht haben.«

      »Ja,« sagte Krowsky, »so würde ich es mir auch gefallen lassen, wenn ich die Gewißheit hätte, daß ich morgen früh in meinem Bett daheim wieder aufwachte, aber – hol' mich der Teufel, Benner, ich glaube, wir haben einen verflucht dummen Streich gemacht, daß wir uns hierher verloren, und ich wenigstens sehe noch gar kein Ende ab, wie wir wieder mit Ehren wegkommen wollen.«

      »Wieder wegkommen?« lachte Benner trotzig, »und wer denkt daran? Das frühere Leben haben wir abgeschüttelt – für Deutschland sind wir doch todt und begraben – die Oberwelt will uns nicht wieder und kann uns nicht gebrauchen, so jetzt denn mit beiden Füßen in dies tolle Treiben hineingesprungen und durchgeschwommen – es kann eben Nichts helfen.«

      »Ja, das ist Alles recht schön und gut,« seufzte der Lieutenant, »wenn nur eben die Erinnerung nicht wäre.«

      »Bah!« lachte der junge Baron trotzig, – »Erinnerung! Kannst Du selber zurück? – Bist Du im Stande, daheim wieder in die alten, einmal verlassenen Verhältnisse einzutreten?«

      »Wenn ich's wäre, Benner, bei Gott, ich bliebe keine Stunde länger in dem verwünschten Lande – aber es geht nicht.«

      »Nun also,« rief sein Kamerad, »den Kopf hoch und diese holzköpfigen Bauern nicht merken lassen, daß wir uns nur im Geringsten hier außer unsrer Sphäre fühlen. Was die können, können wir auch, und ich wenigstens will ihnen beweisen, daß ich mich nicht vor dem australischen Leben fürchte – ich heirathe und werde australischer Familienvater.«

      »Du bist verrückt,« lachte Krowsky – »wen? eine der reichen Bauerstöchter? Da kannst Du erleben, daß Bauer Hinz oder Kunz dem Herrn Baron von Benner kurz ab den Stuhl vor die Thür setzt, weil er seine Tochter nicht will eine Mesalliance machen lassen, – d. h. weil sie Geld hat und Du nichts.«

      »Und glaubst Du, daß ich mich dem aussetzen würde? – Ich will das Geld der lumpigen Bauern nicht; ich brauche es nicht und kann ihnen – und denen daheim beweisen, daß ich selber im Stande bin, meinen eigenen Hausstand zu gründen. – Ich heirathe des Schusters Tochter – meine Tänzerin.«

      »Du bist toll,« rief Krowsky, – »des Apothekers Dienstmagd? Und glaubst Du, daß Deine Familie das zugeben würde?«

      »Meine Familie?« lachte Benner bitter vor sich hin, »die hochadelige Sippschaft, wie sie die Nasen rümpfen und wüthen und schimpfen werden, und die Tante, die Staatsdame, hahaha! Könnte ich nur dabei sein, wenn sie's erführen – wie sie die Hände zusammenschlagen und in ihrem Kaffeeklatsch die entsetzliche Neuigkeit besprechen, daß der Sohn des Regierungspräsidenten, der Enkel des Ministers, ein Dienstmädchen geheirathet hat.«

      »Aus Dir spricht der Punsch heute Abend,« sagte Krowsky ruhig, weil er ihn durch weiteren Widerspruch nur noch mehr in der tollen Idee zu bestärken fürchtete, – »morgen reden wir weiter darüber – da beginnt der Tanz wieder; ich habe die tolle Wirthschaft übrigens satt und werde nach Hause gehen und mich schlafen legen. Kommst Du mit?«

      »Ich denke gar nicht d'ran,« lachte Benner, »jetzt geht die Lust erst los, und ich bin bei meiner Braut auch auf den Cotillon engagirt.«

      »Benner, mach' keinen Unsinn,« sagte Krowsky, »und setz' dem armen Mädel nicht etwa gar tolle Dinge in den Kopf – Du willst doch nicht ewig in Australien bleiben?«

      »Will ich nicht?« rief Benner trotzig, »und glaubst Du, daß ich hier solche Arbeit verrichtete, wenn ich nicht fest entschlossen dazu wäre? Sobald ich Geld genug zusammen habe, um mir nur hundert Schafe zu kaufen, werde ich Stationshalter, und in zehn Jahren bin ich ein reicher Mann – aber da beginnt der Tanz.« – Und während sich Krowsky, wirklich des Gewirres müde, der Thür zuarbeitete, um an die frische Luft zu kommen, suchte Benner seine Tänzerin wieder auf und gab sich mit wahrhaft ausgelassener Fröhlichkeit dem Vergnügen hin.

      Zweites Capitel.

      Jung gefreit; hat's Niemand gereut?

      Wochen waren seit dem letzten Ball vergangen und Krowsky und Benner indessen oft zusammengewesen. Beide bedurften auch einander gegenseitig, denn mit wem Anderen hätten sie sich aussprechen können, wer anders hätte sie verstanden oder ihre verschiedenen Lebensansichten getheilt? Aber nie kam der Lieutenant auf jene Andeutung zurück, die ihm Benner am Ballabend gemacht, und die er natürlich für ein nur im halben Rausch gethanes Prahlen hielt. Benner konnte sich solcher Art doch auch wahrlich nicht den Rückweg in die