Nach Amerika! Ein Volksbuch. Fünfter Band. Gerstäcker Friedrich

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Название Nach Amerika! Ein Volksbuch. Fünfter Band
Автор произведения Gerstäcker Friedrich
Жанр Зарубежная классика
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Издательство Зарубежная классика
Год выпуска 0
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Seebald eben beschäftigt war Spähne zusammenzusuchen.

      »Olnitzki, was um des Heilands Willen sollen die dunklen Worte,« bat aber die Frau indessen in Todesangst, »es ist irgend etwas Entsetzliches vorgefallen; das Du mir noch verschweigst, und Deine Reden künden Schlimmeres.«

      Die Frau war ein paar Schritte auf ihn zu getreten, und stand jetzt, den zitternden Körper an dem Tisch stützend, mit bleichen eingefallenen Wangen, die Augen bittend und angstvoll auf ihn geheftet, ihm gegenüber. Zu viel des Jammers hatte sie die letzte Zeit durchlebt, und der Körper begann unter der überbürdeten Last zusammenzubrechen in Gram und Noth.

      »Dunkle Worte,« murmelte der Mann ärgerlich, »hab' ich dunkle Worte gesprochen? – so war's nicht gemeint, ich wollte deutlich sein – ich habe Haus und Feld verkauft, und morgen magst Du, was Du an Kleidern und Geschirr hast – der ganze Bettel geht auf den kleinen Karren – zusammenpacken und Dich dann oben d'rauf setzen – wir gehn nach Texas.«

      »Nach Texas?« rief die Frau entsetzt – » ich? – jetzt? wo ich kaum im Stande bin die Stube entlang zu kriechen, fort in die Welt? dieß Haus – so ärmlich es ist, doch unsere Heimath – das Grab meiner Kinder verlassen – weiter – nur immer weiter in die Wildniß zu ziehn in Noth und Elend? Nie – nie Olnitzki, so wahr mir Gott helfe, folg' ich Dir dahin.«

      »Du folgst mir nicht?« rief da der, von dem übermäßigen Genuß des starken Trankes überdieß Betäubte, wild von seinem Lager und auf die ihn zitternd erwartende Gattin zuspringend, »Du hast einen Willen, Weib, das an meine Sohlen geheftet mir überall im Wege war, wo ich die Arme frei gebrauchen könnte? – aber ich weiß schon wo der Wind her weht – die Mamsell Schwester, die aus den Wolken hier hereingeschneit, und die Du Dir zu Hülfe gerufen wider Deinen Mann, hat Dich so keck gemacht – Du willst nicht?« wiederholte er sie mit einem verächtlichen Blicke messend, »Ding Du, das sich mit einem Willen brüstet.«

      »Olnitzki,« sagte da die Frau, durch die verächtliche Behandlung des Trunkenen in ihrem krankhaften Zustand mehr gereizt, als sie es durch die härtesten Worte vielleicht geworden, »ich habe ertragen, was ein Mensch ertragen kann – geduldet, was zu dulden möglich ist, und den festen Willen dabei, mit Dir auszuharren in Freud und Leid, wie ich Dir bis jetzt gefolgt bin, was auch daraus kommen möge – aber das was Du jetzt von mir forderst übersteigt meine Kräfte. Ich weiß was mir dort bevorstände – ich habe es hier schon einmal durchgemacht – ich weiß daß ich es nicht ertragen würde und sage es Dir hier jetzt frei und offen – nach Texas – in die Wildniß – fort von den Gräbern meiner Kinder, einem neuen furchtbaren Leben entgegen folg ich Dir nicht.«

      »Folgst Du mir nicht? – und leiden, dulden?« zischte der Mann verächtlich zwischen den Zähnen durch, »zu was seid Ihr da? – fort mit Dir – hinaus, daß ich Dich nicht mehr sehe; Dein Anblick vergiftet mir den schönen Tag.«

      »So tödte mich – morde mich wie Du Dein Kind gemordet,« rief die Frau, der fieberhafte Röthe über die Wangen lief, während sie den fast durchsichtig weißen, von hellblauen, peinlich klar hervortretenden Adern durchzogenen Arm gegen den Gatten drohend ausstreckte.

      »She devil!« knirschte der Bube zwischen den Zähnen durch, und die schwache Gestalt des Weibes mit seiner Faust packend, warf er sie zurück daß sie gegen den massiven Bettpfosten anstieß, und mit einem lauten Aufschrei zusammenbrach.

      »Wie gefällt Ihnen das Landleben, Fräulein von Seebald,« sagte Soldegg, als er sie draußen an dem Holzplatz einholte, wo abgehauene Stücken und Klötze wild zerstreut umherlagen, »sehr romantisch, wie?«

      Amalie erröthete bis in den Nacken hinab – sie fühlte den Spott, der in den Worten lag, den sie in früheren Tagen auch vielleicht verdient, der aber auch jetzt dafür um so herzloser von des Mannes Lippen klang. Keine Zeit war jedoch in diesem Augenblick für Empfindelei – irgend etwas mußte in der Stadt vorgefallen sein, das Olnitzki, und durch ihn die Schwester, traf, und das von dem Mann vielleicht zu erfahren, blieben ihr nur die wenigen Minuten, die sie allein hier mit ihm war. Ohne deshalb auf seine Frage zu antworten sagte sie rasch:

      »Sie kommen mit Olnitzki jetzt von Little Rock?«

      »Jetzt? – ja,« sagte Soldegg, »und freue mich wahrhaftig aufrichtig eine alte Reisegefährtin hier ganz unerwarter Weise gefunden zu haben; apropos – hahahaha – Sie hätten vor ein paar Monaten dabei sein sollen, wie ich Herrn von Hopfgarten in einem kleinen Städtchen in Indiana traf – hahahaha – ich muß jetzt noch lachen, es war zu komisch – «

      »War er schon vorher in solcher Stimmung?« frug Amalie, die kaum verstand was er erzählte.

      »Hopfgarten? – Gott bewahre,« lachte Soldegg wieder, ihre Frage misverstehend – »ernsthaft wie ein Quäker kam er Abends, naß und ausgehungert in ein Wirthshaus, in dem ich am Feuer saß und redete mich als seinen Reisegefährten Henkel an.«

      »Sie verstehn mich nicht – «

      »Sie hätten dabei sein sollen was er für ein Gesicht machte, als ich mich zum Spaß für meinen Zwillingsbruder ausgab – es war göttlich.«

      »Aber ich spreche von Olnitzki!«

      »Von Olnitzki? – was von dem? – er hat sich einen Rausch angetrunken,« sagte Soldegg gleichgültig, sehr vorsichtig dabei eins der Stück Hickoryholzes aufnehmend und in seinen linken Arm legend. »Lieber Himmel die Leute wollen Alle spielen, aber nicht verlieren, und wenn ihnen das auch einmal passirt, verlieren sie gleich den Kopf dazu; schreien und toben und verschwemmen sich das kleine Bischen Verstand, das ihnen noch geblieben, in Whiskey – das Albernste was der Mensch überhaupt auf der Welt thun kann.«

      »Olnitzki hat gespielt, ich weiß es – ich dachte mir es wenigstens,« lenkte sie ein, »aber um was?«

      »Um was?« lachte Soldegg, sich das Stück Holz auf die Schulter hebend und nach dem Hause umdrehend, »um was man gewöhnlich spielt, um Geld, und als das fort war um Schweine, und dann um Rinder, dann um Pferde, und wie das Alles fort war, um Äcker und Haus.«

      »Heiland der Welt – und hat – «

      »Verloren natürlich,« sagte Soldegg, gleichgültig zurück gegen das Haus zuschreitend, als ein gellender Schrei von dorther tönte. »Hallo,« rief er, einen Augenblick halten bleibend und dort hinüberhorchend, »was ist das?« Aber schon flog Amalie an ihm vorbei der Thüre zu, und während er ihr langsamer und kopfschüttelnd folgte, murmelte er leise vor sich hin: »der tolle Bursche wird noch irgend ein Unheil anrichten mit seinem verdammten Whiskeytrinken. Daß doch, sonst ganz vernünftige Leute albern genug sind, eines so erbärmlichen Gaumenkitzels wegen ein Vieh aus sich zu machen, und sich den Händen ihrer Nebenmenschen willig zu überliefern. S'ist, das wenigste zu sagen, dumm.«

      Damit trat er in das Haus und trug das Holz, ohne sich weiter um das was im Innern vorging anscheinend zu bekümmern, an's Kamin.

      »Was um Gottes, Jesu Willen ist geschehn, Sidonie,« rief Amalie, neben ihr knieend und die sich eben wieder Aufrichtende unterstützend, »Du blutest am Schlaf – wer hat – «

      »Ich bin gefallen,« murmelte leise die Frau, »und habe – und habe mir wahrscheinlich an der scharfen Bettecke hier weh gethan – es ist Nichts – es wird gleich vorüber gehn – ängstige Dich nicht meinethalben, Amalie.«

      »Zu viel – zu viel!« rief aber die Schwester, jetzt in Thränen ausbrechend, während sie neben der Unglücklichen knieen blieb und sie mit ihren Armen umschlang; »nein, nein Du darfst nicht hier bleiben, ich nehme Dich fort von hier mit mir – zurück zu Vater und Mutter – zurück zu Menschen. Er hat Dich elend genug gemacht, das weiß ja Gott – er soll Dich nicht auch noch morden.«

      »Fräulein Schwägerin!« fuhr da Olnitzki, der mit untergeschlagenen Armen und fest und finster zusammengezogenen Brauen am Kamin stand, drohend gegen das Mädchen auf, »ich bitte Sie zu überlegen was Sie sprechen, und verbitte mir jedes Wort, das mich oder mein Weib betrifft, und einer Einmischung gleicht in unser Leben. Ich will Ihnen übrigens auch beiläufig bemerken,« fuhr er mit tückischem Lächeln fort, »daß wir Sie morgen auf kurze Zeit im alleinigen Besitz des Hauses lassen, dessen künftigen Eigenthümer ich Ihnen das Vergnügen habe hier in Herrn