Nach Amerika! Ein Volksbuch. Fünfter Band. Gerstäcker Friedrich

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Название Nach Amerika! Ein Volksbuch. Fünfter Band
Автор произведения Gerstäcker Friedrich
Жанр Зарубежная классика
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Издательство Зарубежная классика
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kennen mich nicht mehr?« lächelte die Kleine, »ich bin Rebecca Rechheimer, aus dem Zwischendeck der Haidschnucke, und der alte Mann ist mein Onkel, dem wir unsere Ankunft meldeten, und der mich hat zu sich kommen lassen ihm die Wirthschaft zu führen. Erst gestern Abend hat mich sein Sohn von Vincennes, wohin ich von New-Orleans aus mit dem Dampfboot gefahren bin, hierher gebracht; aber ich hatte keine Ahnung daß der Fremde, der noch so spät in der Nacht gekommen, ein so guter Bekannter wäre.«

      Der alte Mann, mit dem seine Nichte nur Deutsch sprach, und der es auch verstand und ihr gebrochen darauf antwortete – er lebte seit zwanzig Jahren zwischen Amerikanern – kam jetzt auch herbei und begrüßte seinen Gast freundlich. – Hopfgarten hatte kaum das Herz ihm in's Auge zu sehn – er mußte sich dann mit zum Frühstück niedersetzen, an dem der Sohn des Alten, ein junger hübscher Bursche von vielleicht vierundzwanzig Jahren, ebenfalls Theil nahm, und erfuhr nun daß dieser auf seinem kleinen Krämerwagen noch heute Morgen nach Vincennes zurückfahre, wohin ihm, wenn er das wünsche, mit Vergnügen ein Platz zu Diensten stehe. Hopfgarten nahm das mit Freuden an und konnte dann in Vincennes die nächste Cincinnati Post erwarten, seine Reise durch die Prairieen von Illinois nach St. Louis hin mit mehr Bequemlichkeit fortzusetzen.

      Als der kleine Wagen endlich vorfuhr verlangte Hopfgarten zu wissen was er schuldig sei, der Alte war aber unter keiner Bedingung zu bewegen auch nur einen rothen Cent für Mahl oder Nachtlager anzunehmen – Beides sei spärlich genug gewesen, meinte er, und Hopfgarten lag jetzt das Bekenntniß seines schändlichen Mistrauens wieder auf der Zunge – aber er schluckte es nochmals hinunter, und dankte nur mit herzlichem Händedruck dem alten, bei Tag gar nicht so übel aussehenden Burschen.

      Gerade als sie abfahren wollten kroch die alte Frau aus ihrem Winkel vor, und nickte ihnen freundlich aber mit etwas stumpfsinnigem Lächeln nach, und Rebecca stand in der Thür und winkte ihnen ein Lebewohl und eine glückliche Fahrt durch den Wald zu.

      Der Weg war grundschlecht, bei hellem Tag konnten sie jedoch die schlimmsten Plätze leicht umgehn. Noch waren sie übrigens keine fünf Miles gefahren, und eben erst in Sicht des nächsten Gasthauses, das die Postpassagiere am letzten Abend erreichen wollten, als sie den zusammengebrochenen Postwagen mitten in der Straße liegen fanden, und Hopfgarten dankte seinem Gott die Gastfreundschaft des alten Juden in Anspruch genommen zu haben; er hatte es nicht bereut.

      Ob sie gleich auf dem jetzt weit besser werdenden Wege sehr scharf gefahren, erreichten sie doch erst ziemlich spät in der Nacht das, schon am Rand der Prairie, wenn auch noch östlich vom Wabasch gelegene Vincennes, wo der junge Mann seinen Begleiter einlud bei ihm abzusteigen, und so lange bei ihm zu bleiben als es ihm gefiele. Der Reisende lehnte das aber freundlich dankend ab; er wollte die Gastfreundschaft der Leute nicht misbrauchen, wo er ein gutes, oder doch wenigstens ein mittelmäßiges Wirthshaus haben konnte, noch dazu da er die Sitten und Gebräuche der Amerikaner hier ganz im Inneren des Landes jedenfalls in einem Hotel besser zu beobachten im Stande war, als in dem Privathaus eines Landsmanns.

      Im Wabasch Hotel, wohin ihn der junge Mann daher, als dem besten der Stadt, jetzt fuhr, war noch Licht; wie aber der Wagen vor der Thür hielt, kamen nicht etwa geschäftige Kellner gesprungen dem Fremden sein Gepäck abzunehmen, und ihm die Bequemlichkeiten anzuweisen deren er bedurfte oder die er verlangte, und für die er Willens war zu bezahlen. Niemand bekümmerte sich um ihn, und er durfte seinen Reisesack und seine Decke selber in die Hand nehmen und damit in das bar- oder Schenkzimmer kommen, wo ein schläfriger Bursche, mit einem halbgefüllten Glas Brandy hinter der Bar stand, und eben zu überlegen schien ob er das für sich eingeschenkte Glas auch austrinken, oder vielleicht wieder in die Flasche zurückschütten solle. Als der Fremde übrigens auf ihn zukam, entschloß er sich doch zu dem ersteren, und hob das Glas.

      Hopfgarten trat an den Schenkstand hinan und frug, schon etwas an den indolenten Charakter dieser Art Leute gewöhnt, ob er die Nacht da ein Bett, oder noch besser ein kleines Zimmer für sich bekommen könne. Der barkeeper hörte ihm, das Glas bis beinah an die Lippen gebracht, ruhig zu, trank dann langsam, erst einen kleinen Schluck, wie um die Güte des »Stoffes« zu prüfen, dann einen größeren, und dann den Rest durch ein plötzliches Überstürzen des Gefäßes, spühlte dieses in einem unter dem Tisch stehenden Kübel aus, trocknete es ab und sagte, während er es mit der Flasche wieder an seinen Platz stellte:

      »Ich denke so.«

      »Es freut mich ungemein Ihren Gedanken begegnet zu sein,« lächelte Hopfgarten, den die Ruhe des Burschen amüsirte, »würden Sie dann wohl auch so freundlich sein diesen Reisesack und diese Decke auf jenen mir zu bestimmenden Platz zu spediren und indessen Sorge zu tragen, daß ich vor allen Dingen ein eben solches Glas Brandy, wie Sie gerade eingegossen, und etwas Warmes zu essen bekommen könnte?«

      Die ironische Höflichkeit, mit der diese Worte gesprochen wurden, machte jedenfalls einen größeren Eindruck auf den jungen Burschen – der den Fremden ganz erstaunt ansah und nicht recht wußte woran er mit ihm war – als es irgend etwas anderes gemacht haben konnte; er setzte ihm wenigstens die Flasche wie ein reines Glas rasch auf den Schenktisch, sich selber zu bedienen, nahm dann, mit weit mehr Bereitwilligkeit als er bis dahin gezeigt, die Sachen in Empfang, und wieß den Fremden an »zum Feuer zu gehn« bis er Essen für ihn bestellt haben würde.

      Dem Rathe folgend schritt Hopfgarten gegen das ziemlich breite Kamin, in dem ein lustiges Feuer loderte, und an dem drei oder vier andere Fremde, oder Insassen des Hauses, Platz genommen hatten. Nur der Eine von ihnen war jedenfalls auch ein Reisender, denn er trug, was Hopfgarten im Vorübergehn flüchtig bemerkte, die bunten Kamaschen, die nur aus einem Stück um den unteren Theil des Beines geschlagenen wollenen Zeugs bestehn, und die der Deutsche schon mehrfach im Inneren des Landes an Reitern bemerkt hatte.

      Mit einem freundlichen »Guten Abend«, der von den am Kamin Sitzenden, und ihm bereitwillig Platz Machenden, höflich erwiedert wurde, trat der Deutsche zur Flamme, über der er sich erst – ein höchst wohlthuendes Gefühl wenn Einen fröstelt – das Innere der Hände wärmte, und wandte sich dann zu den übrigen Zimmergenossen, wenigstens erst einmal zu sehn mit wem er zusammen war, als er auch in demselben Augenblick einen lauten Ausruf des Staunens nicht unterdrücken konnte, denn vor ihm saß – derselbe Mann mit den wollenen Kamaschen, aber gar nicht auf ihn achtend und ruhig nachdenkend in's Feuer sehend – Henkel.

      »Herr Henkel!« rief er ganz überrascht aus, indem er ihm die Hand entgegenstreckte, »wie, in aller Welt, kommen Sie hierher?«

      Der also Angeredete, ohne selber im Mindesten das Erstaunen des Fremden zu theilen, sah erst seinen Nachbar, und dann den Sprecher an, dessen auf ihm haftender Blick aber nicht misverstanden werden konnte, und erwiederte dann ruhig, ohne jedoch die dargebotene Hand anzunehmen, in Englischer Sprache:

      »Sie irren sich wahrscheinlich in der Person, mein Herr, und halten mich für Jemand der ich nicht bin; ich wenigstens habe nicht das Vergnügen Sie zu kennen.«

      »Mich nicht kennen?« rief Hopfgarten jetzt im höchsten Erstaunen aus, indem er nach seitwärts einen Schritt von dem Feuer zurücktrat, dessen Schein voll auf den Mann fallen zu lassen, »ich bitte Sie um tausend Gottes Willen – «

      »Wenn mein Bruder nicht gerade jetzt, und schon seit längerer Zeit in Europa wäre,« lächelte dieser da, »so würde ich jedenfalls glauben daß Sie mich für ihn hielten, was mir auch fast der ausgesprochene Name beweisen will – kommen Sie von Europa?«

      »Herr Du mein Gott,« rief aber Hopfgarten, sich mit beiden Händen an die Stirn fühlend, aber jetzt auch in Englischer Sprache, die der Fremde immer noch beibehielt, »wach' ich denn oder träum' ich – wenn Sie nicht Henkel wären, hätten Sie einen Doppelgänger, der Ihnen in Ansehn, Größe, Gestalt, Sprache, Haltung auch auf das tz gliche – wie heißen Sie denn?«

      »Soldegg!« sagte der Fremde ruhig.

      »Soldegg?« rief Hopfgarten auf's Neue erstaunt aus, »in Europa Henkel und in Amerika Soldegg? – derselbe Name stand unter dem Brief.«

      Der Fremde erröthete leicht, sagte aber noch immer ruhig lächelnd:

      »Ich sehe schon wie es ist – Sie kennen meinen Zwillingsbruder, der jetzt in Deutschland lebt, und halten mich für den.«

      »Sie