Nach Amerika! Ein Volksbuch. Fünfter Band. Gerstäcker Friedrich

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Название Nach Amerika! Ein Volksbuch. Fünfter Band
Автор произведения Gerstäcker Friedrich
Жанр Зарубежная классика
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Издательство Зарубежная классика
Год выпуска 0
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Fremden:

      »Kehrt Euch nicht an die Alte; sie ist still und gutmüthig, nur hier,« setzte er leiser, mit dem Finger auf die eigene Stirn deutend hinzu, »nicht ganz richtig. Wenn wir allein sind laß ich sie ruhig gehn, nur wenn Fremde zu mir kommen, was freilich selten genug geschieht, muß sie in ihrer Ecke bleiben und darf mir sie nicht stören. Aber hier,« setzte er lauter hinzu, »ist wenigstens ein Imbiß für Euch. Da ist ein Stück Brod und Käse, den ich neulich von Vincennes mitgebracht, und ein guter Brandy, der Euch wahrscheinlich mehr noth thut als alles Andere; das Wasser wird auch jetzt heiß sein – ja es kocht sogar schon – und ich mach' Euch indessen einen Grog zurecht. Setzt Euch nur zum Tisch und langt zu.«

      Hopfgarten war wirklich durch die ungewohnte Anstrengung nicht allein flau geworden, sondern hatte sogar eine Art Heißhunger bekommen, dem er etwas bieten mußte. Nur der Hund war ihm im Wege, der ihn noch immer lauernd und tückisch anschaute. Was that überhaupt der Köter hier im Haus?

      »Der Hund thut Euch Nichts,« sagte der Alte ruhig, »er ist nur Fremde nicht gewohnt.«

      »Wenn ich mich aber gerührt hätte, wie Ihr draußen wart, wär' er mir auf den Leib gesprungen,« sagte Hopfgarten mürrisch.

      »S' ist ein alter Hund,« lächelte der Alte, »und hat keinen Zahn mehr im Maul, thut auch nur manchmal so als ob er böse wäre. Die Zeiten sind vorbei wo er Leute gebissen hat, und Ihr könnt zu ihm gehn und ihn streicheln, er wird es sich ruhig gefallen lassen.«

      Hierzu bezeigte der Deutsche übrigens keine rechte Lust, folgte aber der wiederholten Einladung, am Tische Platz zu nehmen, und schnitt sich ein tüchtiges Stück Brod und Käse ab, während der alte Jude mit dem Glas zum Feuer niederkauerte, aus einem Papier etwas hineinschüttete, und dann Wasser darauf goß.

      »So,« sagte er, als er es zum Tisch zurückbrachte und es dem Gast vorsetzte, »nun thut Euch selber so viel Brandy zu als Ihr mögt, macht den Grog aber ein wenig scharf, es wird Eueren Gliedern wohl thun, und böse Folgen von solchem Nachtmarsch abhalten.«

      »Was habt Ihr da im Glase, Freund?« sagte Hopfgarten, dieses gegen den Schein des Feuers haltend.

      »Zucker und Wasser – der Zucker ist gut, und nimmt dem Brandy die Schärfe.«

      »Ich trinke nicht gern Zucker,« sagte der Deutsche, den ein eigens wunderliches Mistrauen beschlich, »wenn es Euch recht ist, misch ich mir den Trank selber.«

      »Nicht gern Zucker? – ist es doch das Beste dran,« sagte der Alte, »kostet's nur erst, es wird Euch schon schmecken.«

      Hopfgarten beharrte übrigens darauf, den Satz fortzugießen, und stand dann selber auf, schwenkte das Glas mit heißem Wasser aus, füllte von diesem wieder ein, und goß sich dann Brandy aus der Flasche zu.

      »Mehr, Freund, mehr,« mahnte ihn der Alte, »das ist nicht halb genug, und nähme Euch nicht einmal das Frösteln vom Leib – noch mehr – lieber Gott, meine Alte da trinkt stärkeren Grog, wenn ich's ihr gebe.«

      »Ich danke, ich danke,« rief aber Hopfgarten, die Flasche abwehrend, aus der ihm der Alte, als er sie hingestellt, noch selber anfing nachzugießen; »ich bin starke Getränke nicht gewohnt, und bekomme danach am andern Morgen Kopfschmerzen.«

      »Für morgen steh' ich Euch,« lachte der Alte in sich hinein, »der Brandy ist vortrefflich und macht Niemandem Kopfschmerzen.«

      Den Deutschen überlief es wirklich jetzt mit einem eigenen unbehaglichen Frösteln, das er freilich immer noch den nassen Kleidern zuschrieb, der Brandy schmeckte aber gut, und nach kurzer Prüfung und mit einem raschen Entschluß trank er den Inhalt auf einen Zug hinab – ha wie das brannte.

      »Aber nun legt Euch auch schlafen,« mahnte der Alte, während er Brod und Brandy wieder vom Tisch abräumte, und an seine Stelle brachte, »es ist spät in der Nacht, und auf den Trunk werdet Ihr, trotz des harten Lagers das ich Euch bieten kann, gut ruhen. Hier am Feuer wird der beste Platz für Euch sein; ehe wir uns hinlegen werf ich dann noch ein paar Stücken auf, und bis die niedergebrannt sind liegt Ihr ohnedieß warm. Die Nächte werden jetzt schon recht frisch, ja kalt.«

      Hopfgarten, froh endlich seine todtmüden Glieder einmal wieder ausstrecken zu können, legte seinen Reisesack, der am Feuer indeß schon etwas abgetrocknet war, so hin, daß er ihn zum Kopfkissen gebrauchen konnte, und der Alte hatte ihm eine wollene Decke und ein Schaaffell zum Lager gebracht, wobei er bedauerte ihm nicht mehr Bettzeug bieten zu können, da er selber seit gestern noch Besuch bekommen. »Aber ich bring' Euch noch 'was die Füße warm zu halten,« setzte er hinzu, »das ist die Hauptsache, und gegen Morgen werdet Ihr schon fühlen wie wohl das thut.« Er nahm dabei einen alten leinenen Sack, der hinter dem Stuhl am Feuer gelegen und, wie es Hopfgarten vorkam, eine Menge dunkler Flecken trug, ihn dann aber zu den Füßen des sich eben auf seinem etwas harten Lager behaglich ausstreckenden Gastes öffnend, forderte er diesen auf dahinein seine Füße zu stecken.

      »Dahinein in den Sack?« – rief Hopfgarten erstaunt – »weshalb?«

      »Ihr sollt einmal sehn wie warm Euch das die Füße hält.«

      »Ich will ihn lieber darüber decken; das ist eben so gut.«

      »Nicht halb so gut, nicht um hundert Procent,« rief der Alte, und versuchte den Mund des geöffneten Sacks selber um die Füße zu bringen, die Hopfgarten aber zurückzog, und sich jetzt auf das Entschiedenste weigerte der Aufforderung Folge zu leisten. Es war ihm ein gar so unheimliches Gefühl seine Füße in einem Sack zu wissen, dessen er sich in der Dunkelheit, wenn er hätte rasch aufspringen wollen, gar nicht so schnell entledigen konnte.

      Auch das Drängen des finster aussehenden Mannes beunruhigte ihn – was zum Henker, lag dem Burschen so sehr daran, seine Füße in den engen Sack hinein zu bekommen? – Wie der Jude übrigens sah daß sein Gast sich dem Verlangen unter keiner Bedingung fügen wollte, ließ er nach mit Drängen, und legte ihm nur den Sack noch auf die Füße drauf, schürte das Feuer, sah nach der Thür und ging dann nicht etwa selber zu Bett, sondern setzte sich am Kamin in den niederen Rohrstuhl, legte das eine Bein über das andere und faltete die Hände um das rechte, aufgehobene Knie und starrte nachdenkend in die Flamme.

      Hopfgarten schloß die Augen und versuchte zu schlafen, aber – es ging nicht; das Feuer brannte nach und nach nieder und er konnte die noch immer am Kamin sitzende Gestalt nicht mehr ordentlich erkennen, aber er fühlte daß ihre Blicke auf ihm hafteten, und daß jede seiner Bewegungen, daß jeder Athemzug beobachtet, belauscht wurde – weshalb? – Er lag noch eine halbe Stunde, und es wurde ihm sonderbar unbehaglich zu Muthe – und der Geschmack den er dabei im Munde hatte – der mußte von dem Brandy herrühren – wie eigenthümlich metallisch das schmeckte – und im Kopf fing es ihm an zu drehen und zu arbeiten – wie schwer und bleiern seine Augenlider wurden. Er fühlte noch einmal neben sich, wo seine Pistolen lagen, aber er hatte selber kein Vertrauen zu ihnen – sie waren naß geworden und hätten jedenfalls versagt. Wenn er sie nur vorher in Stand gesetzt – er hatte kein Mistrauen zeigen wollen und würde jetzt doch Gott weiß was darum gegeben haben, nicht so überrücksichtsvoll gewesen zu sein.

      Und was hinderte ihn daran selbst jetzt noch aufzuspringen und das Versäumte nachzuholen? dem Gerüsteten, mit der Waffe Versehenen würde der Mann, was auch sonst seine Absicht gewesen, nicht gewagt haben entgegen zu treten. Er wollte aufstehn, aber er vermochte es nicht mehr – die Glieder versagten ihm den Dienst, über seine Augen legte es sich wie ein Schleier und er fühlte wie sich der Schlaf – ein gewaltsamer, nicht zurückzudrängender Schlaf – seiner bemächtigte.

      Wie lange er sich in einem solchen Halbtraum befand wußte er nicht, wohl aber daß er gegen diese unnatürliche Ruhe mit allen Kräften seiner Seele ankämpfte, und ihr doch am Ende erlegen wäre, wenn nicht, vielleicht gerade zur rechten Zeit, ein Geräusch von außen, ihm geholfen hätte sie zu bewältigen.

      Der Jude, der im Stuhl am Feuer saß, regte sich leise und geräuschlos nur, es ist wahr, aber er bewegte sich doch, hob sich langsam empor, und stand jetzt, das Gesicht noch immer dem Fremden zugewandt, mit dem Rücken nach den kaum noch glimmenden Kohlen hin, vor dem Kamin. Wieder schloß Hopfgarten die Augen, und suchte das fatale Bild, das ihm die dunkle Gestalt heraufbeschwor, von sich zu schütteln, als er die leisen, schleichenden Schritte