Название | Die Inzestscheu |
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Автор произведения | Sigmund Freud |
Жанр | Зарубежная классика |
Серия | |
Издательство | Зарубежная классика |
Год выпуска | 0 |
isbn |
An Boden und Örtlichkeit ist der Totem nicht gebunden; die Totemgenossen wohnen von einander getrennt und mit den Anhängern anderer Totem friedlich beisammen3.
Und nun müssen wir endlich jener Eigentümlichkeit des totemistischen Systems gedenken, wegen welcher auch das Interesse des Psychoanalytikers sich ihm zuwendet. Fast überall, wo der Totem gilt, besteht auch das Gesetz, daß Mitglieder desselben Totem nicht in geschlechtliche Beziehungen zu einander treten, also auch einander nicht heiraten dürfen. Das ist die mit dem Totem verbundene Exogamie.
Dieses streng gehandhabte Verbot ist sehr merkwürdig. Es wird durch nichts vorbereitet, was wir vom Begriff oder den Eigenschaften des Totem bisher erfahren haben, man versteht also nicht, wie es in das System des Totemismus hineingeraten ist. Wir verwundern uns darum nicht, wenn manche Forscher geradezu annehmen, die Exogamie habe ursprünglich – im Beginn der Zeiten und dem Sinne nach – nichts mit dem Totemismus zu tun, sondern sei ihm irgend einmal, als sich Heiratsbeschränkungen notwendig erwiesen, ohne tieferen Zusammenhang angefügt worden. Wie immer dem sein mag, die Vereinigung von Totemismus und Exogamie besteht und erweist sich als eine sehr feste.
Machen wir uns die Bedeutung dieses Verbots durch weitere Erörterungen klar.
a) Die Uebertretung dieses Verbotes wird nicht einer sozusagen automatisch eintretenden Bestrafung der Schuldigen überlassen wie bei den anderen Totemverboten (z. B. das Totemtier nicht zu töten), sondern wird vom ganzen Stamme aufs energischeste geahndet, als gelte es, eine die ganze Gemeinschaft bedrohende Gefahr oder eine sie bedrückende Schuld abzuwehren. Einige Sätze aus dem Buch von Frazer4 mögen zeigen, wie ernst solche Verfehlungen von diesen, nach unserem Maßstabe sonst recht unsittlichen Wilden behandelt werden.
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Auf dem Psychoanalytischen Kongreß in Nürnberg 1910. Der mit dem Vortrag Betraute war der seither verstorbene, hochbegabte C. Honegger. Jung selbst und seine Schüler (Nelken, Spielrein) haben die damals zuerst berührten Gesichtspunkte seither in anderen Arbeiten weiter verfolgt. (Vgl. Jung »Wandlungen und Symbole der Libido,« Jahrbuch für psychoanalytische und psychopathologische Forschungen, Ban
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Auf dem Psychoanalytischen Kongreß in Nürnberg 1910. Der mit dem Vortrag Betraute war der seither verstorbene, hochbegabte C. Honegger. Jung selbst und seine Schüler (Nelken, Spielrein) haben die damals zuerst berührten Gesichtspunkte seither in anderen Arbeiten weiter verfolgt. (Vgl. Jung »Wandlungen und Symbole der Libido,« Jahrbuch für psychoanalytische und psychopathologische Forschungen, Band III, 1911).
2
Frazer, Totemism and Exogamy, Bd. I, p. 53. The totem bond is stronger than the bond of blood or family in the modern sense.
3
Dieser knappste Extrakt des totemistischen Systems kann nicht ohne Erläuterungen und Einschränkungen bleiben: Der Name Totem ist in der Form
Wie kamen die vorzeitlichen Menschen nur dazu, sich einen Totem beizulegen, d. h. die Abstammung von dem oder jenem Tier zur Grundlage ihrer sozialen Verpflichtungen und, wie wir hören werden, auch ihrer sexuellen Beschränkungen zu machen? Es gibt darüber zahlreiche Theorien, deren Übersicht der deutsche Leser in Wundt's Völkerpsychologie (Bd. II, Mythus und Religion) finden kann, aber keine Einigung. Ich verspreche, das Problem des Totemismus demnächst zum Gegenstand einer besonderen Studie zu machen, in welcher dessen Lösung durch Anwendung psychoanalytischer Denkweise versucht werden soll.
Aber nicht nur, daß die Theorie des Totemismus strittig ist, auch die Tatsachen desselben sind kaum in allgemeinen Sätzen auszusprechen, wie oben versucht wurde. Es gibt kaum eine Behauptung, zu welcher man nicht Ausnahmen oder Widersprüche hinzufügen müßte. Man darf aber nicht vergessen, daß auch die primitivsten und konservativsten Völker in gewissem Sinne alte Völker sind und eine lange Zeit hinter sich haben, in welcher das Ursprüngliche bei ihnen viel Entwicklung und Entstellung erfahren hat. So findet man den Totemismus heute bei den Völkern, die ihn noch zeigen, in den mannigfaltigsten Stadien des Verfalls, der Abbröckelung, des Überganges zu anderen sozialen und religiösen Institutionen, oder aber in stationären Ausgestaltungen, die sich weit genug von seinem ursprünglichen Wesen entfernt haben mögen. Die Schwierigkeit liegt dann darin, daß es nicht ganz leicht ist zu entscheiden, was an den aktuellen Verhältnissen als getreues Abbild der sinnvollen Vergangenheit, was als sekundäre Entstellung derselben gefaßt werden darf.
4
Frazer, l. c. Bd. I., p. 54.
2
Frazer, Totemism and Exogamy, Bd. I, p. 53. The totem bond is stronger than the bond of blood or family in the modern sense.
3
Dieser knappste Extrakt des totemistischen Systems kann nicht ohne Erläuterungen und Einschränkungen bleiben: Der Name Totem ist in der Form
Wie kamen die vorzeitlichen Menschen nur dazu, sich einen Totem beizulegen, d. h. die Abstammung von dem oder jenem Tier zur Grundlage ihrer sozialen Verpflichtungen und, wie wir hören werden, auch ihrer sexuellen Beschränkungen zu machen? Es gibt darüber zahlreiche Theorien, deren Übersicht der deutsche Leser in Wundt's Völkerpsychologie (Bd. II, Mythus und Religion) finden kann, aber keine Einigung. Ich verspreche, das Problem des Totemismus demnächst zum Gegenstand einer besonderen Studie zu machen, in welcher dessen Lösung durch Anwendung psychoanalytischer Denkweise versucht werden soll.
Aber nicht nur, daß die Theorie des Totemismus strittig ist, auch die Tatsachen desselben sind kaum in allgemeinen Sätzen auszusprechen, wie oben versucht wurde. Es gibt kaum eine Behauptung, zu welcher man nicht Ausnahmen oder Widersprüche hinzufügen müßte. Man darf aber nicht vergessen, daß auch die primitivsten und konservativsten Völker in gewissem Sinne alte Völker sind und eine lange Zeit hinter sich haben, in welcher das Ursprüngliche bei ihnen viel Entwicklung und Entstellung erfahren hat. So findet man den Totemismus heute bei den Völkern, die ihn noch zeigen, in den mannigfaltigsten Stadien des Verfalls, der Abbröckelung, des Überganges zu anderen sozialen und religiösen Institutionen, oder aber in stationären Ausgestaltungen, die sich weit genug von seinem ursprünglichen Wesen entfernt haben mögen. Die Schwierigkeit liegt dann darin, daß es nicht ganz leicht ist zu entscheiden, was an den aktuellen Verhältnissen als getreues Abbild der sinnvollen Vergangenheit, was als sekundäre Entstellung derselben gefaßt werden darf.
4
Frazer, l. c. Bd. I., p. 54.