Die Colonie: Brasilianisches Lebensbild. Erster Band.. Gerstäcker Friedrich

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Название Die Colonie: Brasilianisches Lebensbild. Erster Band.
Автор произведения Gerstäcker Friedrich
Жанр Зарубежная классика
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Издательство Зарубежная классика
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er den beiden Herren begegnete, lüftete er den Hut mit einer sehr förmlichen, aber auch sehr vornehmen Verbeugung, und ging dann, ohne Miene zu einem weitern Gruße zu machen, stolz vorüber.

      »Und wer war das?«

      »Der Baron Jeorgy, seinem Berichte nach aus einer sehr alten Familie, der mit der Idee herüber kam, brasilianischer Pflanzer zu werden. Er übernahm eine allerliebst gelegene Colonie – Sie müssen heute Morgen daran vorbei gekommen sein.«

      »Ah, das Haus da oben auf dem Berge, wo ein reizendes junges Paar von brasilianischer Abstammung wohnt?«

      »Ganz recht, Köhler's Chagra, wie der Platz jetzt heißt – und er verwirthschaftete das Gut in unglaublich kurzer Zeit dermaßen, daß es zuletzt wenig mehr als eine Wildniß war. Er mußte es endlich verkaufen, denn es trug ihm nicht einmal mehr die Kosten, und natürlich konnte Niemand weiter daran schuld sein als der Director, da ihm dieser noch dazu nicht einmal mehr Geld darauf vorstrecken wollte. Er ist seit der Zeit wüthend auf mich, nach Art solcher Leute aber auch um so viel höflicher geworden, und ärgert sich nur, daß ich von seinen Verleumdungen gegen mich nicht die geringste Notiz nehme.«

      »Guten Morgen, Herr Director!« unterbrach in diesem Augenblicke ein junger Mann das Gespräch, der sie überholt hatte und rasch an ihnen vorüberschritt. Er grüßte dabei sehr ehrfurchtsvoll, schien sich aber nicht lange in seines Vorgesetzten Nähe aufhalten zu wollen, dem er vielleicht unerwartet in den Wurf gelaufen, denn er bog rasch in die nächste Querstraße ein und verschwand in einem der Gärten.

      »Der junge Herr,« sagte Könnern, »scheint stark gefrühstückt zu haben. Sein ganzes Äußere sah wenigstens danach aus.«

      »Ein anderer Fluch unserer Colonie,« seufzte Sarno, »das war unser Schullehrer.«

      »Der Schullehrer? Er kann höchstens zweiundzwanzig Jahre alt sein.«

      »Und nicht allein ist er trotzdem, sondern gerade deshalb Schullehrer,« sagte der Director; »unser deutscher Bauer ist nämlich von Haus aus und von klein auf so daran gewöhnt worden, den »Schulmeister« als ganz untergeordnete Persönlichkeit zu betrachten und danach natürlich auch die Erziehung seiner Kinder zu bemessen, daß ihn für diese jeder Milreis reut, den er ausgeben soll, und er förmlich gezwungen werden muß, die Kinder in die Schule zu schicken. Das Loos eines Schullehrers ist aber in keinem Lande der Welt beneidenswerth, und nur daheim, wo Leute von Jugend auf dazu erzogen werden und dann später keine andere Laufbahn mehr einschlagen können, finden sich immer genügende Kräfte. Hier dagegen, wo Jeder sein Brod weit besser und sorgenfreier verdienen kann, der nur irgend seine Knochen gebrauchen will, denkt gar Niemand daran, sich zu dem fatalen und außerdem noch schlecht gelohnten Amte eines Schullehrers herzugeben, der nicht nothgedrungen muß. Das aber sind denn meist junge Leute, Studenten oder Handlungsdiener, die einen angeborenen Abscheu vor Hacke und Spaten haben, und nur, um nicht zu verhungern, sich gerade für so lange der »Beschäftigung« eines Schullehrers unterziehen, als sie nichts Anderes und Besseres zu unternehmen wissen. So wie sie aber etwas Besseres finden, kann man sich auch fest darauf verlassen, daß sie der Gemeinde kündigen – manchmal gehen sie sogar ohne Kündigung fort, und wie nachtheilig ein so steter Wechsel – den eigentlichen mangelhaften Unterricht nicht einmal gerechnet – auf die Kinder wirken muß, läßt sich ja denken und liegt klar zu Tage.«

      »Zu Zeiten trifft es sich, daß wir trotz allem Dem einen ordentlichen Mann, wenigstens für Monate oder ein halbes Jahr, in der Schule haben. Dieses Mal freilich meldete sich, als die Kinder schon drei Wochen ohne den geringsten Unterricht gewesen waren, ein möglicher Weise irgendwo durchgebrannter Handlungsdiener für die Stelle, die man ihm auch »auf Probe« überließ, und da der gute Mann den brasilianischen Wein merkwürdiger Weise trinken kann, benutzt er jeden freien und nicht freien Augenblick, um über die Stränge zu schlagen.«

      »Und auf die Art,« lachte Könnern, »warten beide Parteien gegenseitig, ob sie einander nicht bald wieder los werden können?«

      »Allerdings,« erwiederte der Director, »hier aber haben wir jetzt das Ziel unseres Spaziergangs – das Auswanderungshaus erreicht, das ich doch heute Morgen einmal besuchen und Ihnen gleich zeigen wollte. Hier sehen Sie die Einwanderer untergebracht, welchen, der furchtbaren Nachlässigkeit unserer Provinzialregierung zufolge, noch keine Colonie – d. h. kein eigenes Land für ihre Arbeit – angewiesen werden konnte, und die hier auf Staatskosten gefüttert werden müssen, bis Ihr Freund die nöthigen Landstrecken für sie vermessen haben wird. Aber treten wir ein. Sie sehen da Alles viel besser, als ich es Ihnen sagen könnte.«

      Könnern sah vor sich ein langes, fast ovales Gebäude, aus Pfählen oder eingerammten Stämmen aufgerichtet, und theils mit Schindeln, theils mit Ziegeln, an einigen Stellen sogar mit Schilf und Reisig nothdürftig gedeckt, um das herum es von den abenteuerlichsten Gestalten wimmelte. Alle waren Deutsche, darüber blieb dem Fremden auch nicht der geringste Zweifel, denn die flachsköpfigen Kinder nicht allein, nein, Männer und Frauen selbst in ihren alten heimischen Trachten verläugneten ihr Vaterland nicht einen Augenblick.

      Ihre Beschäftigung war aber ziemlich genau dieselbe wie die jenes Theiles, den der Director in seine eigene Wohnung genommen hatte, nur daß hier entschieden mehr Männer einquartiert schienen. Der innere weite Raum, wo nicht die unpraktischen riesigen Auswanderer-Kisten aufgeschichtet standen, war mit ihnen ordentlich angefüllt, denn in der heißen Tageszeit hatten sie den Schatten des luftigen Gebäudes gesucht, während die Frauen hier und in der Sonne draußen arbeiten konnten, so viel sie eben Lust hatten.

      Als der Director übrigens mit dem Fremden den innern Raum betrat, erhoben sich die Meisten von ihrem rauhen Lager und nahmen die Mützen ab, denn der »Herr Director« war ja die erste Person in der Colonie, und mit dem durften sie es also schon nicht verderben.

      »Nun, Leute,« sagte Herr Sarno nach der ersten flüchtigen Begrüßung, »nun werdet ihr bald Euer Land bekommen können, denn heute hat die Regierung endlich Jemanden hergesandt, der Euren Grund und Boden vermessen soll. Haltet Euch nur bereit, daß einige Familien von Euch gleich ausrücken können, so wie eine Anzahl von Colonien vermessen ist. Ihr werdet das Herumliegen hier wohl auch satt haben?«

      »Na, es geht, Herr Director,« lachte der eine Mann; »wenn wir's im Leben nicht schlechter kriegen, läßt sich's aushalten – aber froh wollen wir doch sein, wenn wir einmal wieder für uns arbeiten dürfen. Das faule Leben hat auch keine rechte Art und eigentlich schon ein Bißchen zu lange gedauert.«

      »Hier geht's auch schmählich eng zu,« sagte ein Anderer, »beinah wie auf dem Schiff, und der Müller da drüben, der macht sich mit seiner Familie auch noch so breit, daß wir Anderen lieber hinaus vor die Thür möchten, damit der große Herr nur Platz hat.«

      »Ja, Du darfst auch noch räsonniren, Du Lumpenkerl,« erwiederte eine tiefe Baßstimme aus der Ecke, »wenn wir lauter solch Gesindel wären, wie…«

      »Ruhe!« unterbrach ihn der Director, »haltet mir Frieden hier, das sag' ich Euch, denn der Erste der Streit anfängt, wird ohne Weiteres auf das nächste Schiff gesetzt und wieder aus der Colonie geschickt. Wir wollen hier Frieden haben, und wer sich dem nicht fügen will, mag gehen.«

      »Aber der Müller…«

      »Haltet Euer Maul!« fuhr ihn der Director an; »wenn Ihr eine gegründete Klage habt, so wißt Ihr, an wen Ihr Euch damit wenden sollt, und zu welcher Zeit, und daß Ihr dann Eure Zeugen mitzubringen habt. Einfache Klatschereien will ich und werd' ich nicht anhören. Was fehlt denn der Frau da, die dort in der Ecke liegt?«

      »Schlecht ist ihr's,« sagte eine andere Frau, die neben ihr saß und ihr gerade aus einem großen Topfe zu trinken gab; »sie hat sich den Magen verdorben an den vielen Apfelsinen.«

      »Ist denn der Doctor heute noch nicht hier gewesen?«

      »Der Doctor? Ja, der kommt schon lange nicht, wenn man ihm nicht erst das Haus einläuft,« sagte eine andere Frau; »meine Kathrine, der war's gestern auch so elend zu Muthe – daß er auch nur einmal nach ihr gesehen hätte – und wie ich ihn darum gebeten habe!«

      »So?« sagte der Director, »nun, in einer halben Stunde soll er hier sein, das verspreche ich Euch – wie viele von Euch haben denn in der Woche mit am Wege gearbeitet?«

      Keine