Название | Die Colonie: Brasilianisches Lebensbild. Erster Band. |
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Автор произведения | Gerstäcker Friedrich |
Жанр | Зарубежная классика |
Серия | |
Издательство | Зарубежная классика |
Год выпуска | 0 |
isbn |
»Und was ist Ihr Geschäft? wenn man fragen darf.«
»Ich bin Feldmesser,« erwiederte Günther, »und von der Regierung hierher beordert, um die Colonien für frisch eintreffende Emigranten auszumessen.«
»Das ist gescheidt,« sagte der junge Bauer; »an vermessenem Lande fehlt's ewig, und die armen Teufel müssen sich oft Monate lang in den sogenannten Auswanderungs-Häusern herumtreiben, ehe sie eigenen Boden und eine feste Heimath bekommen. Nun, da werden Sie Arbeit genug kriegen, daran fehlt's nicht – aber essen Sie nicht mehr?«
»Wir danken,« erwiederte Günther, der bis jetzt mit seinem Gefährten wacker zugelangt, »es hat trefflich geschmeckt und war delicat. Jetzt können wir's schon bis in die Colonie hinunter aushalten.«
»Und wollen Sie schon wieder fort?« fragte die Frau freundlich, als die beiden Fremden von ihren Sitzen aufstanden und zu den Hüten griffen – »das war gar ein kurzer Besuch.«
»Wenn Sie's erlauben,« sagte der jüngere Fremde, »so komme ich schon wieder einmal her. Ich selber habe Nichts zu versäumen und werde mich doch wahrscheinlich ein paar Monate in der Nähe der Colonie herumtreiben. Daß es mir aber hier bei Ihnen gefällt, dürfen Sie mir auf mein Wort glauben. Mein Freund ist jedoch mit seiner Zeit gebunden und hat heute noch viel unten mit dem Director zu besprechen. Da draußen sind auch eben unsere Packpferde angekommen, und wir wollen deshalb lieber aufbrechen.«
»Apropos,« fragte Günther, »was für ein Mann ist der Director eigentlich? Ich habe in den anderen Colonien am Chebaja nicht gerade viel Gutes von ihm gehört.«
»Ich weiß nicht,« lachte der Mann – »es kommt wohl immer darauf an, wen Ihr fragt. Die Einen schimpfen auf ihn, die Anderen loben ihn, und Allen kann man's eben nicht recht machen auf der Welt. Er ist sehr streng, das ist wahr, und oft auch wohl ein Bißchen eigensinnig. Mit den armen Leuten geht er aber gut um und steht ihnen bei.«
»Und das ist die Hauptsache,« rief Günther – »nun, ich werde schon mit ihm fertig werden – also, herzlichen Dank für die Aufnahme. Wenn ich's einmal wieder gut machen kann, stehe ich zu Diensten!«
»Das mag vielleicht rascher geschehen, als Sie denken,« lachte der junge Bauer, »denn unsere Grenzen sind hier alle in Confusion, und ich bin schon lange darum eingekommen, die meinige ebenfalls nachsehen zu lassen. Doch darüber sprechen wir später; ich möchte Sie jetzt nicht länger als nöthig aufhalten, und komme auch vielleicht in diesen Tagen einmal nach der Colonie hinunter.«
Damit reichten er und die Frau den Fremden herzlich die Hand zum Abschied. Draußen hielten auch in der That die beiden eingeborenen Diener der Freunde, ein paar braune, rauh genug aussehende Burschen, mit drei Lastpferden, wovon zwei dem Vermesser, eins aber seinem Freunde gehörte, und gleich darauf trabte die kleine Cavalcade, welcher der junge Bauer erst noch den Weg um seine Chagra herum zeigte, diesen thalein.
Und doch war es ein wundervoller Pfad, der sie hier in die Niederung hinabführte, denn gerade an diesem Berghange zeigte sich die schon fast tropische Vegetation des Landes in ihrer ganzen Pracht und Herrlichkeit. Der Baumwuchs war allerdings lange nicht so mächtig, wie in den nördlicher gelegenen Theilen Brasiliens, aber das üppige Unterholz mit seinen zierlichen Farnpalmen und Fächern, mit seinen Lianen und Ranken bildete überall, wo es dem Blicke erlaube, einzudringen, die reizendsten Gruppen und Festons, aus denen sich die grünen, schlanken Schäfte verschiedener wilder Palmenarten keck emporhoben.
Hier und da, wo eine eingerissene Schlucht oder ein breiteres Bachbett den Blick in die Tiefe gestattete, zeigte sich dann die kleine Niederlassung im Thale mit ihren lichten Gebäuden und hellgrünen Rasenflecken, durch welche die gelben Wege wie Fäden liefen, immer in verschiedener Form und Beleuchtung, aber immer freundlich, so daß die Reiter ihre Thiere oft anhielten und ein paar Secunden schweigend auf das unter ihnen ausgebreitete Bild hinabblickten.
Da hier der Weg aber zu schmal war, oder der Regen doch in den Boden an den verschiedensten Stellen Einrisse gemacht hatte, mußten sie ihre Pferde hinter einander halten, und dadurch war die Conversation gestört. Erst weiter unten, auf der letzten Abdachung angelangt, bog der Beipfad wieder in den durch die eingefallene Brücke unterbrochenen Hauptweg ein, und jetzt hatten sie die eigentliche Colonie Santa Clara auch bald erreicht, deren Ausläufer in kleinen, allein stehenden Ansiedelungen schon bis hier herauf reichten.
»Der Platz liegt wirklich allerliebst,« sagte Günther, der bis jetzt vorangeritten war, indem er sein Pferd anhielt, um wieder neben dem Freunde zu bleiben.
»Was die Scenerie betrifft, ja,« erwiederte dieser, »aber der Boden scheint mir hier nicht besonders, und der Mais da drüben in dem Felde steht dünn und mager genug – wenigstens magerer, als ich es bis jetzt gewohnt bin zu sehen.«
»Das bessere Land wird weiter zurück in der Ebene liegen,« meinte Günther, »jedenfalls hat der Ort nicht weit zur See, und das ist schon immer ein enormer Vortheil für eine Colonie.«
»Wenn der Hafenplatz gut ist, ja; und wohin wollen wir jetzt zunächst?«
»Direct zum Director,« lachte Günther, »der wird uns dann schon die beste Auskunft geben, wo wir übernachten können. Wir müssen nun im nächsten Hause seine Wohnung erfragen.«
»Das ist nicht nöthig,« meinte sein Freund – »das Haus da drüben, wo die deutsche Fahne weht, ist jedenfalls das Wirthshaus, und das größere Gebäude daneben eben so sicher die Kirche, – wo baute der Deutsche nicht Eins neben das Andere? Außerdem steht aber dort nach Süden nur noch ein sehr großes Haus mit einer neuen Umzäunung, und dort hat natürlich auch der Director seinen Aufenthalt. Wir wollen ruhig darauf zureiten.«
»Sie können Recht haben,« lachte Günther, »aber vielleicht wohnt er doch da drüben in dem kleinen allerliebsten Gebäude, wo die vielen Orangenbäume stehen. Den Platz hätte ich mir jedenfalls zu meiner Wohnung ausgesucht.«
»Das ist sicher die Pfarrwohnung,« versicherte aber sein Kamerad; »sehen Sie nicht den breiten, betretenen Pfad, der von dort zur Kirche niederführt. Ich glaube kaum, daß der Director alle die Fährten nach der Kirche in den Sand eingedrückt hat. Folgen Sie mir nur; ich führe Sie den richtigen Weg.« Und ohne weiter eine Antwort abzuwarten, gab er seinem Pferde leicht die Sporen und sprengte, von Günther jetzt dicht gefolgt, dem vorher bezeichneten Hause zu, vor dessen Thür er anhielt und ohne Weiteres aus dem Sattel sprang.
2.
Der Director
Gerade als Günther an seines Gefährten Seite hielt und seinem Beispiele folgte, trat eine Erscheinung aus dem Hause, die beide junge Leute hier, mitten im brasilianischen Walde, wohl kaum vermuthet hatten, und die sie deshalb um so mehr überraschte; – eine Dame in vollem europäischen Putze, mit einem grün und schwarz groß carrirten Seidenkleide, sehr bedeutender Crinoline und überhaupt allem dazu Nöthigen und Gehörigen versehen, die mit sehr stolzer, fast majestätischer Haltung aus der Thür rauschte, einen Augenblick erstaunt die Fremden betrachtete und dann, mit einem leichten, kaum bemerkbaren Kopfnicken ihre Begrüßung erwiedernd, vorbei und in die kleine Stadt hinein schwebte.
»Alle Teufel,« murmelte der Jüngere der Beiden halblaut vor sich hin, als die Dame außer Hörweite war, »von allen Dingen auf der Welt hätte ich eine Crinoline hier am Allerwenigsten erwartet. Das muß die Frau oder eine Verwandte des Directors sein, denn nach einer Colonisten-Frau sieht sie doch nicht aus. Es thut den Augen aber ordentlich wohl, nach einem Stücke wilden Lebens wieder einmal auf eine so breite Fährte der Civilisation zu kommen. Diesen Anzeichen nach giebt es also hier auch jedenfalls eine haute volée; unser rauher Waldanzug schien der Dame nicht besonders zu behagen, denn sie grüßte nur sehr vornehm und nachlässig.«
»Nun, wir werden ja bald erfahren, mit wem wir es hier zu thun bekommen,« sagte Günther. »Jedenfalls müssen wir jetzt erst erfragen, ob hier der Director wirklich wohnt, und wenn so, ob er zu Hause ist. – He, Landsmann,« wandte er sich dann an einen Colonisten, dessen Äußeres, mit dem langen blauen Rocke und schmalen Kragen, dem ausgeschweiften Hute und dem Gesangbuche unter dem Arme, über sein Vaterland keinen Zweifel