Pitaval des Kaiserreichs, 5. Band. Hugo Friedländer

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Название Pitaval des Kaiserreichs, 5. Band
Автор произведения Hugo Friedländer
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Год выпуска 0
isbn 9783754958339



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      Vors.: Einmal sollen Sie auch gesagt haben, als eine der Damen sich beschweren wollte: den Referenten im Ministerium geht das einen Dreck an, und der Minister kann mir sonst was. (Stürmische Heiterkeit.)

      Angekl.: Das ist frech gelogen.

      Staatsanw.: Es werde ihm gemeldet, daß draußen, nachdem die Zeugen abgetreten waren, zwei Zeugen, die Baumeisterschen Eheleute, über die Wagner hergefallen seien und sie bearbeitet hätten. Er bitte, anordnen zu wollen, daß die drei Zeugen isoliert werden. Der Vorsitzende traf eine diesbezügliche Verfügung.

      Der Vorsitzende fragte darauf die Angeklagte, ob sie auch bestreite, am Montag früh gesagt zu haben: »Ist noch keine von den alten Luders verreckt, hat noch keine der Teufel geholt?«

      Angekl.: Ich habe mich wohl erkundigt, ob alle Damen wohl sind oder dergleichen. Vors.: Sie sollen auch wiederholt gesagt haben: »wir dürfen die alten Laster und Schachteln hier drinnen halten, wenn sie draußen genug herumgeh ... haben.«

      Angekl.: Das ist nicht wahr.

      Vors.: Sie sollen die alten Damen überhaupt sehr schlecht behandelt und sie am Essen verkürzt haben.

      Angekl.: Das ist unwahr.

      Vors.: Sie werden überhaupt als gemütsroh, boshaft, gehässig und zanksüchtig geschildert.

      Angekl.: Ja, von allen denen, die mich vernichten wollen.

      Vors.: Wer soll denn ein Interesse haben, Sie zu vernichten? Ist es richtig, daß Sie auch geäußert haben: »Es ist Zeit, daß eine verreckt und Platz macht, damit meine Schwester hereinkann?«

      Angekl.: Meine Schwester sehnt sich noch gar nicht nach dem Stift, vielleicht wenn sie älter ist, aber jetzt noch nicht.

      Vors.: Sie haben behauptet, daß die Wagner immer betrunken war. Das soll unwahr sein. Wenn sie immer betrunken gewesen wäre, hätte sie nicht eine so gute Krankenpflegerin sein können.

      Angekl.: Sie hatte ja die alten Damen nur zu pflegen, zu Bett zu bringen und zu reinigen. Die Wagner soll schon in der Frühe Bier statt Kaffee aus der Kaffeetasse getrunken haben.

      Vors.: Davon ist nichts bekannt.

      Angekl.: Die Wagner will Sonntag abend gemerkt haben, daß sie Gift genossen habe, es sollen Vergiftungserscheinungen bei ihr aufgetreten sein. Weshalb hat sie alsdann erst am folgenden Tage ärztliche Hilfe gesucht.

      Vors.: Sie wußte doch nicht, daß sie Salzsäure genossen hat. Sie fühlte sich unwohl und hatte gemerkt, daß etwas im Kaffee war. Haben Sie am Sonntag abend schon gewußt, daß die Wagner unpäßlich war?

      Angekl.: Nein.

      Vors.: Trotzdem wunderten Sie sich, als Sie am nächsten Morgen hörten, daß die Wagner auf sei und den Dienst verrichtete. Und als dann die Wagner umfiel und der Arzt kam, sagten Sie: »Die hat gewiß Salzsäure in den Kaffee getan, es ist schon so eingerichtet, daß sie wegkommt.« Niemand wußte etwas von Salzsäure, und nur Sie konnten es wissen, wenn Sie die Salzsäure hineingetan hatten.

      Angekl.: Bitte, ich bin unschuldig, ich habe das nicht gesagt.

      Vors.: Ich halte es Ihnen ja nur vor. Wenn das aber wahr ist, was die Zeugin behauptet, dann haben Sie sich damit verraten.

      Angekl.: Die Zeugin irrt sich.

      Auf Vorhalten ihres Verteidigers erklärte die Angeklagte am Schluß ihres Verhörs: Sie gebe zu, Ausdrücke, wie: Die Stiftsdamen und das Stift möge der Teufel holen, die alten Luder mögen verrecken u.a. gebraucht zu haben. Sie habe es im Vorverfahren mit Rücksicht auf das Stift und, weil sie die Stellung zu verlieren fürchtete, geleugnet.

      Vors.: Ich habe Ihnen viele Ausdrücke vorgehalten, geben Sie die jetzt alle zu?

      Angekl.: Ja.

      Vert. Rechtsanwalt Dr. v. Pannwitz: Auch die Äußerungen zur Wagner über die Prinzessin und den Minister?

      Angekl.: Diese nicht.

      Es begann hierauf die Zeugenvernehmung. Köchin Anna Schwarz stand dabei, als die Wagner einen Schluck aus ihrer Kaffeetasse nahm. Sie setzte sofort ab und sagte: »Pfui, da ist etwas drin.« Von den Stiftsfräulein könne keine als Täterin in Betracht kommen.

      Vors.: Wie war das mit den drei Bierflaschen am Sonntag?

      Zeugin: Es fehlten drei Flaschen Bier, am Tage vorher hatten Maler die Kellertür angestrichen. Ich äußerte zur Vorsteherin den Verdacht, daß die Maler das Bier getrunken hätten. Als die Vorsteherin trotzdem die Wagner beschuldigte, hat letztere mit der Beschwerde beim Ministerium gedroht. Am nächsten Tage hat die Vorsteherin gesagt: Die Wagner will zum Ministerium gehen, weil »wir« sie verdächtigt, die Flaschen ausgetrunken zu haben.

      Vors.: Sie hatten den Verdacht aber gar nicht ausgesprochen?

      Zeugin: Nein.

      Vors.: War die Wagner imstande, die drei halben Flaschen auszutrinken?

      Zeugin: Sie hat schon ganz gern mal Bier getrunken. Die Oberin war sehr aufgeregt und wurde ganz bleich, als die Wagner sagte, sie wolle ins Ministerium gehen. Dem anderen Dienstmädchen, der Magdalena Sgoff, war es aufgefallen, daß die Vorsteherin schon zu einer Zeit, als noch niemand daran dachte, von Salzsäure gesprochen habe.

      Vors.: Sie sollen auch etwas wissen davon, daß die Wagner Halluzinationen hatte. Es soll ihr einmal ein Hund im Traum erschienen sein.

      Zeugin: Jawohl, die Wagner hatte geträumt, ein Hund habe sie zerrissen, den Traum hatte sie uns erzählt. Die Zeugin gab weiter an, daß die Vorsteherin sich öfter geäußert habe, die Wagner müsse hinausgebracht werden; ehe sie nicht krank werde, bekomme man sie nicht hinaus. Vert.: Ich muß noch einmal auf den Traum mit dem Hunde zurückkommen. Hat die Wagner diesen Traum nicht dreimal gehabt?

      Zeugin: Das weiß ich nicht.

      Vert.: Die Wagner soll fortwährend davon gesprochen haben, so daß sich die Beier, die mit ihr in der Kammer zusammenschlief, fürchtete. Einmal soll die Wagner diese Vision auch bei wachem Zustand gehabt haben; die beiden Mädchen sollen vor Angst so geschwitzt haben, daß sie die Wäsche wechseln mußten. (Heiterkeit.)

      Zeugin: Das weiß ich nicht.

      Vert.: Hat die Wagner nicht erzählt, daß ihr Onkel auf sie geschossen habe, weil sie zum Katholizismus übergetreten war.

      Zeugin: Ich weiß nicht mehr, ob er schießen wollte oder geschossen habe.

      Vert.: Erzählte die Wagner nicht auch, daß ihr Großvater am Tage ihres Übertritts gelähmt worden sei?

      Zeugin: An ihrem Firmungstage, so erzählte sie, habe den Großvater der Schlag getroffen. Ihre Mutter sei gelähmt worden.

      Vert.: Alles an demselben Tage?

      Zeugin: Das weiß ich nicht.

      Vert.: Erzählte sie nicht auch, daß sie vordem in einem protestantischen Hause gedient habe und daß dort die Tochter einmal einen Hasen mit dem Fell gebraten habe. (Stürm. Heiterkeit.)

      Zeugin: Ja, das hat sie erzählt.

      Die zweite Zeugin, Dienstmädchen Magdalena Sgoff, bekundete ebenfalls, daß die Vorsteherin mehrfach geäußert habe, sie möchte die Wagner los werden; ehe sie nicht krank werde, bekomme man sie aber nicht hinaus. Sie habe mit der Zunge den Kaffee auch gekostet und sich sofort erbrechen müssen. Sie habe der Vorsteherin nichts gesagt, denn sie habe sich sogleich gedacht, daß es niemand anders gewesen sein könne wie die Vorsteherin. Aufgefallen sei ihr am nächsten Morgen, als die Vorsteherin sagte: »So, die Minna ist auf, ich habe gedacht, sie ist im Bett.« Ebenso sei ihr aufgefallen, daß die Vorsteherin von Salzsäure sprach, als es noch niemand wußte. Als wir am Montag vormittag Dr. Eisenberg holen ließen, war die Vorsteherin in der Kirche. Bei der Rückkehr sagte sie zu mir: »Ich war in der Kirche und habe andächtig gebetet: Herr Gott, wie Du willst. Jetzt haben wir's g'schafft, jetzt hab'n wir sie draußen.«

      Vors.: