Pitaval des Kaiserreichs, 5. Band. Hugo Friedländer

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Название Pitaval des Kaiserreichs, 5. Band
Автор произведения Hugo Friedländer
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Год выпуска 0
isbn 9783754958339



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Anhaltspunkte. Dagegen sollte sich die Oberin durch verschiedene Äußerungen verdächtig gemacht haben. Sie hatte sich deshalb Anfang März 1903 auf Grund des §229 des Strafgesetzbuches vor dem Schwurgericht des Landgerichts München I zu verantworten. Der Paragraph lautet: »Wer vorsätzlich einem anderen, um dessen Gesundheit zu schädigen, Gift oder andere Stoffe beibringt, welche die Gesundheit zu zerstören geeignet sind, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft. Ist durch die Handlung eine schwere Körperverletzung verursacht worden, so ist auf Zuchthaus nicht unter fünf Jahren und, wenn durch die Handlung der Tod verursacht worden, auf Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder auf lebenslängliches Zuchthaus zu erkennen.« Den Vorsitz des Gerichtshofs führte Oberlandesgerichtsrat Ott. Die Anklage vertrat Staatsanwalt Aull. Die Verteidigung führte Rechtsanwalt Dr. v. Pannwitz (München). Der Andrang des Publikums war ganz furchtbar. Die reservierten Plätze wurden fast ausschließlich von Damen in hocheleganten Toiletten besetzt. Die Angeklagte war ganz in Schwarz gekleidet. Sie machte einen sehr würdigen Eindruck. Als sie sich von allen Seiten mit neugierigen Blicken gemustert sah, begann sie zu weinen. Auf Befragen des Vorsitzenden gab sie an: Sie sei am 18. Januar 1848 als Tochter des verstorbenen Oberförsters v. Heusler geboren. Es habe im Stift vielfach Bier gefehlt. Als ihr das wieder am 19. Juli 1902 gemeldet wurde, habe sie nach dem Täter forschen lassen. Es wurde ihr gemeldet: die Wagner lasse sich täglich drei bis sechs, auch bisweilen acht Flaschen Bier holen. Sie habe deshalb die Wagner zur Rede gestellt und ihr gesagt: »Die Biersauferei habe ich jetzt satt.« Die Wagner habe erwidert: »Gott soll mich strafen, wenn ich das Bier getrunken habe.« Darauf sei der Wagner von den Mädchen gesagt worden: »Sag' so etwas nicht, sonst könnte dich Gott wirklich strafen.« Im weiteren äußerte die Angeklagte: Am Nachmittag, den 20. Juli 1902, bin ich, wie an jedem Sonntag, in die Kirche gegangen. Beim Weggehen habe ich die Küche abgeschlossen und den Schlüssel an den gewohnten Platz gehängt. Gleichzeitig habe ich das Klosett abgeschlossen, und zwar vorsichtshalber, weil die Wagner es schon einmal beschmutzt hatte und es am Tage vorher frisch gestrichen worden war. Als ich etwa gegen 6 Uhr abends aus der Kirche kam, öffnete mir die Wagner, ohne etwas zu sagen. Erst am folgenden Tage wurde mir mitgeteilt, daß die Wagner erkrankt sei. Der sofort herbeigerufene Dr. Eisenberg sagte mir: Es scheint ein Darmkatarrh zu sein, das beste wäre, wenn die Wagner sofort ins Krankenhaus käme. Inzwischen wurde mir gemeldet: die Wagner habe den Rest ihres gestrigen Kaffees in eine Flasche geschüttet und wolle die Flasche ins Krankenhaus mitnehmen. Ich ließ die Kaffeetasse holen, es war nur noch ein ganz kleiner Rest Kaffee in der Tasse. Ich sprach die Vermutung aus, die Wagner wolle den Kaffee unterwegs beseitigen. Einer der Herren versetzte darauf: er werde schon aufpassen. Ich reichte der Wagner zum Abschied die Hand und sagte ihr: ich werde Sie im Krankenhause besuchen. Ich ging auch am Nachmittag desselben Tages zur Wagner ins Krankenhaus. Man sagte mir dort: Es hat den Anschein, als wolle sich die Wagner berühmt machen. Vom Krankenhaus ging ich ins Ministerium, um den Vorfall zu melden.

      Vors.: Die Vorgänge werden von den Zeugen in manchen Punkten wesentlich anders dargestellt. Auf wen haben Sie denn Verdacht?

      Angekl.: Auf niemand anders als auf die Wagner selbst.

      Vors.: Welchen Anlaß sollte die Wagner gehabt haben, sich Salzsäure in ihren Kaffee zu schütten?

      Angekl.: Ich habe mir gedacht, daß sie es aus Rachsucht getan hat.

      Vors.: Es wäre doch aber ganz merkwürdig, aus Rachsucht Salzsäure zu trinken.

      Angekl.: Um mir einen Possen zu spielen.

      Vors.: Es wird doch aber niemand seine Gesundheit selbst schädigen. Die Wagner hat doch zweifellos aus ihrer früheren Tätigkeit im Krankenhause die Wirkung der Salzsäure gekannt. Sie hat sich im übrigen unmittelbar vor der Vergiftung mit ihren Kolleginnen in unbefangenster Weise unterhalten. Dieser Umstand berechtigt doch kaum zu der Annahme, die Wagner habe aus Rachsucht gegen Sie Salzsäure zu sich genommen. Wie sollte sie auch zu der Salzsäure gekommen sein, da Sie, wie Sie selbst sagen, den Abort, in dem die Salzsäure aufbewahrt war, verschlossen hatten?

      Angekl.: Das wohl, ich habe den Abort aber erst gegen 2 1/2 Uhr nachmittags abgeschlossen. Die Wagner kann sich also die Salzsäure vorher oder abends nach 6 Uhr, als der Abort wieder aufgeschlossen war, herausgeholt haben.

      Vors.: Haben Sie nicht oft geäußert, die Wagner müsse aus dem Hause?

      Angekl.: Das mag sein, weil sie so verlogen war.

      Vors.: Anfänglich sollen Sie aber sehr vertraut zu ihr gewesen sein und ihr Dinge über die Stiftsdamen und andere Personen erzählt haben, die man gewöhnlich nicht einem Dienstboten anvertraut.

      Angekl.: Das bestreite ich.

      Vors.: Sie sollen wiederholt gesagt haben: »Die Wagner wird gar nicht krank«, »Ehe die nicht krank wird, bekommt man sie nicht aus dem Hause«, »Eh die hinauskommt, gibt es noch was«.

      Angekl.: Ja, weil sie so verlogen war.

      Vors.: Im Vorverfahren haben Sie auch das bestritten. Wenn man nicht bei der Wahrheit bleibt, muß man wenigstens ein gutes Gedächtnis haben. Sie bestreiten, der Wagner vorgeworfen zu haben, daß sie drei Flaschen Bier gestohlen habe?

      Angeklagte: Das habe ich nicht gesagt.

      Vors.: Die Zeugen bekunden es aber; die Wagner soll daraufhin auch gedroht haben, sich beim Ministerium beschweren zu wollen. Das soll Sie so sehr erregt haben.

      Angekl.: Keine Idee; das hätte ihr doch wohl wenig genützt beim Minister.

      Vors.: Da sind Sie doch wohl im Irrtum. Ich glaube nicht, daß all das, was dieses Verfahren aufgedeckt hat, so ohne Eindruck geblieben wäre.

      Der Vorsitzende hielt der Angeklagten alsdann verschiedene Äußerungen namentlich über Stiftsdamen vor. So soll sie gesagt haben: Die zwei (Stiftsdamen) soll der Teufel holen und verrecken sollen sie. (Heiterkeit.)

      Angekl.: Solche Ausdrücke habe ich nicht gebraucht.

      Vors.: Einer Stiftsdame sollen Sie Salz in den Franzbranntwein, der zum Einreiben verordnet war, geschüttet haben.

      Angekl.: Ja, die Dame trank alles, selbst Spiritus, ich wollte es deshalb verhindern, daß sie den Franzbranntwein, statt ihn zum Einreiben zu benutzen, austrinkt. (Stürm. Heiterkeit.)

      Vors.: Den Stiftsdamen sollen Sie viel Schlechtes nachgesagt und sie untereinander aufgehetzt haben?

      Angekl.: Davon ist mir nichts bewußt.

      Vors.: So sollen Sie gesagt haben: Der Herr Hofrat halte es mit einer der Damen, auch zu Ihnen sei er gekommen, Sie hätten ihn aber ablaufen lassen.

      Angekl.: Das ist vollständig unwahr.

      Vors.: Weiter sollen Sie gesagt haben: Exzellenz Minister v. Feilitzsch habe auch eine von den Stiftsdamen gehabt. (Heiterkeit.)

      Angekl.: Nein.

      Vors.: Auch über Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin sollen Sie sich ehrenrührig geäußert haben.

      Angekl.: Niemals.

      Vors.: Haben Sie nicht einmal die Wagner zu einer älteren Dame hinaufgeschickt mit den Worten: Die hat wieder einen Rausch, schauen S' nach, ob sie noch nicht verreckt ist.

      Angekl.: Nein. Ob etwas passiert sei, sollte sie nachsehen.

      Vors.: Eine Reihe Zeugen wird bekunden, daß solche Äußerungen bei Ihnen gang und gäbe waren.

      Angekl.: Das ist auch unwahr.

      Vors.: In Gegenwart des Herrn Hofrats sollen Sie von der Stiftsdame Arendts, Ihrer Vorgängerin als Stiftsvorsteherin, gesagt haben: Wenn der Teufel mal die Arendts holt, dann hat er wenigstens einen guten Brocken. (Heiterkeit.)

      Angekl.: Das habe ich nicht gesagt.

      Vors.: Dann sollen Sie die Wagner beauftragt haben, eine der Stiftsdamen zu fragen, ob sie noch Jungfrau sei, weil der Arzt soviel an ihr herumkuriere. (Heiterkeit.)

      Angekl.: Nein, die Wagner hat da gelogen.

      Vors.: Und eine Stiftsdame sollen Sie als alte Offiziersh ... bezeichnet