Das Biest in Dir. Felix Hänisch

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Название Das Biest in Dir
Автор произведения Felix Hänisch
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Серия
Издательство
Год выпуска 0
isbn 9783967525793



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Teil von ihm darauf gefasst, falls nötig, sofort mit dem kurzen Silbermann zuzustoßen. Davon jedoch einmal abgesehen, hatte sich seine Aufmerksamkeit nun gänzlich auf die rehbraunen Augen der Zwergin gerichtet, die nur wenige Armlängen vor ihm stand.

      »Joa?«

      Ungläubig blickte Darius an der hünenhaften Gestalt empor, welche sein Sichtfeld in den hinteren Teil der Zelle komplett abdeckte. Noch immer lag das Antlitz des Fremden im Schatten und nach wie vor hatte der den Stiefel fest auf seine Brust gestemmt. Langsam und genüsslich schien der Riese den Druck zu erhöhen, sodass Darius das Atmen zusehends schwerer fiel.

      »Erkennst du mich noch?« Die tiefe Stimme des Mannes hörte sich rau an und ein kaum zu leugnender Akzent, der sich ein wenig wie Gegrunze anhörte, gab seinen Worten einen etwas dümmlichen Klang. Schließlich, als fast alle Luft aus Darius’ Lungen herausgepresst war und er das Gefühl hatte, dass ihm jeden Moment die Augen aus den Höhlen treten würden, nahm der Fremde seinen Fuß von ihm herunter.

      Doch wenn der erschöpfte Iatas geglaubt hatte, dass sein Martyrium damit vorbei wäre, so hatte er sich getäuscht. Noch bevor er in der Lage war, seinen ersten befreiten Atemzug zu machen, packte ihn eine kräftige Hand am Hals und zog ihn in die Höhe. Eine große Anzahl kleiner, grüner Schuppen zeichnete sich deutlich auf der ledrigen Haut ab. Dazu spannte sich ein breiter Metallring um das dicke Handgelenk, von dem aus eine Kette in den hinteren Teil der Zelle verlief.

      »Du hättest wohl kaum geglaubt, mich jemals wiederzusehen, nicht wahr, Mensch?«, grunzte der Riese, dessen Kopf bis kurz unter die Kerkerdecke reichte, genüsslich. Dabei hielt er Darius ohne Mühen mit einer Hand in der Luft und zog ihn ganz nah zu sich heran. Die Füße des jungen Mannes baumelten nutzlos über dem Boden, während er in die grässliche Visage des Orks blickte.

      Kleine, gelbe Augen starrten gemein und ohne Wimpernschlag aus ihren Höhlen, welche tiefer gelegen waren als die eines Menschen, da die Stirn der Kreatur erstaunlich weit nach vorn gelagert war. Diese Laune der Natur verschaffte dem grüngeschuppten Ungeheuer ein zugleich minderbemitteltes, wie auch zorniges Aussehen. Die Augen waren allerdings das einzig kleine im Gesicht des Monsters. Lange gebogene Hauer, nicht unähnlich denen eines Wildschweines, entwuchsen ihm seitlich aus dem Maul und ließen seinen ohnehin schon stattlichen Unterkiefer noch mächtiger wirken.

      Unentwegt schien ihm Speichel aus dem Maul über seine riesigen Beißwerkzeuge zu laufen, der dann in langen, klebrigen Fäden gen Boden troff. Kurz über seiner Furcht erregenden Schnauze klafften, ohne eine sichtbare Erhebung, zwei nüsternähnliche Schlitze, die der Kreatur als Nase dienten. Da das flache Riechorgan im deutlichen Gegensatz zu den riesigen Hauern stand, wirkte der gesamte Kopf des Orks seltsam deformiert.

      »Ihr zwei seid wirklich die Letzten, mit denen ich hier gerechnet hätte. Umso süßer wird meine Rache sein, wenn ich dir die Haut abziehe«, knurrte der Ork, sichtlich erfreut über den unerwarteten Besucher in seiner Zelle. Dabei verzog er seine Mundwinkel zu einem grauenhaften Lächeln.

      »Ich hab keine Ahnung, wer du bist«, keuchte Darius wahrheitsgemäß, während er sich an die Faust der Bestie klammerte, um den Druck von seinem Hals zu nehmen. »Du musst mich mit jemand anderem verwechseln.« Die letzten Worte des jungen Iatas gingen beinahe in seinem eigenen Gurgeln unter, da ihm die Luft inzwischen mehr als nur knapp wurde. Das bemerkte auch der Ork und ließ ihn mit missbilligendem Blick seiner kleinen Knopfaugen wieder zurück auf den Boden. Wie sich im nächsten Moment zeigte, tat er es jedoch nicht aus Warmherzigkeit, sondern einzig, damit Darius auch noch seine folgenden Worte mitbekam.

      »Eine Verwechslung? Ganz bestimmt nicht, Mensch ... Denk nach, du hellhäutiges Stück Dreck. Sagt dir der Name Drug irgendetwas? Ihr mögt vielleicht alle gleich aussehen, doch dein Gesicht und das deiner Schwester hat sich mir ins Hirn gebrannt.« Dabei deutete er mit der freien Hand durch die Gitterstäbe in die Nachbarzelle, wo Therry auf dem Boden saß und sich mit Hilfe der rothaarigen Elfin bereits einen großen Teil der Bandage von ihren Augen abgewickelt hatte.

      Darius vermied es, das wütende Monstrum darüber aufzuklären, dass Therry nicht seine Schwester war, geschweige denn eine Aussage über sein Gehirn zu treffen, welches bei der Rasse der Orks bekanntlich keine allzu stattliche Größe aufwies. Stattdessen ließ er sich sämtliche Ereignisse durch den Kopf gehen, bei denen er je mit dem kriegerischen Volk in Kontakt gekommen war. Und plötzlich dämmerte es ihm, als er an seinen ersten Aufenthalt im Albewald zurückdachte. Die Erkenntnis musste sich offenbar auch auf seinem Gesicht widerspiegeln, denn Drug nickte vielsagend und deutete erneut auf Therry.

      »Du hast in jener Nacht meinen Bruder getötet, Menschin. Jetzt sieh zu, wie deiner stirbt!«, bellte er, riss Darius erneut in die Höhe und stieß ihn mit dem Kopf gegen die Gitter, welche die beiden Zellen voneinander trennten, sodass sein Gesicht halb durch die schmalen Zwischenräume gedrückt wurde. Das Ungeheuer bemühte sich bewusst, nicht so viel Kraft aufzuwenden, damit das Leben seines Opfers kein allzu jähes Ende fand. Vielmehr schien es sein Anliegen zu sein, dass die Mörderin seines Bruders ihrem Gefährten ins Gesicht sehen musste, wenn das Leben langsam und unter Qualen aus ihm wich.

      »Darius? Was geht hier vor?«, keuchte Therry aufgeregt und arbeitete Drug unbewusst in die Hände, indem sie sich bemühte, den Verband um ihre Augen noch schneller abzulegen. Die Elfin, die ihr dabei anfangs noch helfend zur Hand gegangen war, starrte nun bloß noch mitleidig zu Darius herüber, in dem Wissen, dass sie, genau wie auch ihre Landsleute, nichts für ihn tun konnte. Ab und zu schien ihr Blick zwar noch Hilfe suchend in den hinteren Teil seiner Zelle zu wandern, so als erhoffte sie sich von dort ein Wunder, doch nach wie vor war der wütende Ork der Einzige, der die Gegenwart des jungen Kriegers teilte.

      »Komm zurück zu uns, Amestris!«, zischte es aus dem hinteren Teil ihres eigenen Verlieses. Als die Waldbewohnerin den Kopf drehte, sah sie ihre Familienmitglieder, mit denen sie sich den Gefängnisraum teilte und welche sie fordernd zu sich herüberwinkten. Nach wie vor hatten sich ihre Leute in der hintersten Ecke eng an die Wand gedrängt, um dort ängstlich und fest ineinander geschlungen zu verharren.

      »Überlass den Menschen sich selbst, du kannst nichts für ihn tun.« Die Stimme ihrer Mutter wurde nun eindringlicher und Amestris war klar, dass sie recht hatte. Aber obwohl ihr gar nicht wohl dabei war, so nahe an dem tobenden Ork zu stehen, fiel es ihr dann doch schwer, die aufs Übelste zugerichtete und zu ihren Füßen kniende Frau im Stich zu lassen. Schließlich gewann jedoch die furchtsame Natur der Elfin die Oberhand, welche sie dazu drängte, sich von jedweder Gefahrenquelle fernzuhalten. Während sie zurückwich, blickte sie entschuldigend zu dem Menschen hinüber, der immer stärker von dem boshaften Ork malträtiert wurde.

      »Ich habe nichts Unrechtes getan und wenn du mich nicht augenblicklich loslässt, dann reiß ich dir den Kopf ab!«, spie Darius eine Drohung aus, die er, wie sie beide wussten, unmöglich wahr machen konnte. Noch immer versuchte er, sich aus Drugs Griff zu befreien, doch der hielt ihn ohne Schwierigkeiten und mit beständiger Härte gegen das Gitter gedrückt. Bedrohlich legte die grüngeschuppte Kreatur ihm eine Pranke in den Nacken, sodass der Iatas den Druck auf seinem Genick spüren konnte, welches der Ork ihm jederzeit mit Leichtigkeit zu brechen vermochte.

      Mit fahrigen Fingern hatte Therry endlich die Binde um ihre Augen abgelöst. Sie wusste nicht, was geschehen war. Das Letzte, woran sie sich noch klar und deutlich erinnern konnte, war die Schlacht um Urgolind und eine zappelnde, wild um sich schlagende Albin, in die sie genüsslich ihre Zähne versenkt hatte. Danach war alles dunkel und von einem gleichmäßigen Pochen in ihrem rechten Auge überdeckt worden, bis sie in den Armen zweier Männer wieder zu sich gekommen war, die sie grob umhergetragen hatten.

      Ihr gesamter Körper fühlte sich seltsam taub und leicht an. Therry wusste, dass ihre Brust von einer gewaltigen Brandwunde bedeckt wurde, die Loës ihr mit seinem Drachenschwert zugefügt hatte.

      Außerdem hatte die Albin, gegen welche sie gekämpft hatte, ihr mehrfach mit einem Stein auf den Kopf geschlagen, dennoch spürte sie fast keinen Schmerz. Einzig von ihrem rechten Auge, auf dem sie nach wie vor nichts sehen konnte, strahlte mit zuverlässiger Gleichmäßigkeit ein unnachgiebiges, wenn auch noch einigermaßen erträgliches Stechen