Kettenwerk. Georgian J. Peters

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Название Kettenwerk
Автор произведения Georgian J. Peters
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783991075400



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als er sie aus dem Augenwinkel verlor, versuchte er mit aller Kraft, die Lähmung zu bekämpfen. Sekunden später gelang es ihm.

      „Ja, ich hab’s auch gesehen“, antwortete er gefasst. Bei diesen Worten und Georgies monotonem Tonfall erschrak Kessie: „Hast du denn keine Angst gehabt?“

      „Quatsch, nur am Anfang … hast du nicht gesehen? Die haben uns doch gar nicht bemerkt!“

      „Na ja, das stimmt“, antwortete Kessie verwirrt, doch gleich darauf hob er hell die Stimme, „aber Angst hab’ ich große gehabt! Und … und … und hast du die Hölzer in ihren Köpfen gesehen?“

      „Ja, hab’ ich. Aber ich hatte keine Angst … die wollten nichts von uns.“

      „So was hab’ ich nur mal im Fernsehen gesehen“, gestand Kessie fast ehrfürchtig, „so ein Horrorfilm … den durfte ich aber nicht zu Ende sehen, das wollte meine Mama nicht.“

      „Das war aber kein Film“, stieß Georgie aus.

      „Stimmt … ja.“

      Georgie sah in die andere Richtung, aus der der Uniformierte und die Hunde gekommen waren: „Weißt du, was ich jetzt wissen will?“, und mit dem Zeigefinger wies er in die Richtung, „wo kamen die bloß her?“ Am Wochenende ist hier doch alles verschlossen, überlegte Georgie bei sich, es gibt nur drei Eingänge. Drei verriegelte, schwere Eisentore … na ja, und der geheime Durchgang, aber den kennen nur wir. Wie kann jemand hier ’rein, wenn er nicht einen Schlüssel hätte?

      Eine Mauer ummantelte das Werk in einer Höhe von drei Metern, auf der Glasscherben einzementiert waren. Gebogene Stahltrosse, die an ihren Enden einen deutlichen Knick nach innen machten, ragten alle drei Meter vom Sims empor. Sie waren mit Stacheldraht bespannt.

      „Die müssen schon hier drinnen gewesen sein!“, kombinierte Georgie, „oder der hat einen Schlüssel.“

      „Nee, das glaub’ ich nicht“, entgegnete Kessie, „der braucht keine Schlüssel.“

      „Was meinst du damit?“

      „So wie der aussah?“, und während er das sagte, bückte er sich nach dem knallroten Seil. Dann zog er den Schlitten ganz dicht zu sich heran, als hätte er die Befürchtung, der Schlitten könnte ihm auf demselben unerklärlichen Weg abhandenkommen.

      „Kessie“, Georgie musterte seinen Freund mit einem ernsten Blick, einem Blick, für einen Achtjährigen sehr untypisch, „du sagst niemand’, was wir grad gesehen haben … Hast du verstanden?“

      „Ja, aber … ja, ja, schon gut … Tu’ ich …“

      „Schwör’, dass du nix sagst!“

      „Was soll denn das?“

      „Los, schwör’!“, und mit den dicken Fausthandschuh schlug er ihm hart vor die Brust.

      „Ja, ja, ich schwör’“, ergab sich Kessie reflexartig und hob ehrfürchtig die rechte Hand.

      „Das ist jetzt unser größtes Geheimnis!“, entschied Georgie, während er sich nach allen Seiten umdrehte, als ob er sich nochmals vergewissern wollte, dass kein unnötiger Zeuge auftauchte.

      Seither hing ihm eine entsetzliche Vorahnung im Nacken.

      Wortlos setzten sie sich in Bewegung.

      Ihr Weg führte sie jetzt endlich zum nahe gelegenen, werkseigenen Rodelberg … einem riesig ausladenden Sandhügel, der bereits im Sommer hochgezogen wurde, um einen Trennungswall zwischen zwei Werkshallen zu schaffen.

      Es hörte nicht auf zu schneien.

      Er öffnet die finsteren Gründe und bringt

      heraus das Dunkel an das Licht.

      Er nimmt weg den Mut der Obersten des Volkes

      im Lande und macht sie irre auf einem Umwege,

      da sein Weg ist, dass sie in der Finsternis

      tappen ohne Licht; und macht sie irre wie die

      Trunkenen.

      Altes Testament, Hiob

      Kapitel 12,Vers 22,24+25

      Im Arbeitszimmer

      Georgies Geburtstagsparty

      22. Mai 1976

      – 22:05 Uhr –

      Kapitel 7

      Heaven Must Be Missing An Angel von Tavares hämmerte aus den selbstgebauten Lautsprecherboxen und alle, die sich eben noch im Flur aneinander rieben, stürmten das Wohnzimmer kommandogleich. Die Empfangsdiele war schlagartig leer und Kessie konnte problemlos das Arbeitszimmer erreichen.

      Er stieß die Tür auf. Lauthals wurde er von seinen Freunden begrüßt. „Überraschung!“

      „Hee, das ist ja’n Ding. Ihr seid ja doch schon da … Hab’ Euch gar nicht kommen sehen!“ Genau vier Jahre war es jetzt her, da er sie zuletzt getroffen hatte.

      „Du bist’s ja wirklich!“, scherzte Ulli, „also … wenn wir uns noch seltener sehen, dann gehste glatt als Gerücht durch, Mann!“

      Flüchtig streifte Kessies Blick die jungen Männer, als wollte er sich zunächst vergewissern, ob er jeden einzelnen sofort wiedererkannte. Natürlich war ihm nicht bewusst, dass Holmi Georgie oft besuchte. Die Isestraße lag auf seinem Weg zur Arbeit. Zweimal täglich fuhr er an Georgies Wohnung vorbei und manchmal stieg er aus. Er arbeitet im Freihafen beim Zoll. In den letzten Jahren legte er unnötig an Gewicht zu. Ihm fehlte der sportliche Ausgleich. Tatsächlich war er jetzt massiger als Tommi, der seine Pfunde dagegen stark reduzieren konnte. Nur Georgie und Ulli kannten den Grund für das strenge Abnehmen: Tommi hatte eine Freundin. Ellen.

      Vor drei Jahren kam sie in sein Leben und erreichte, was seine Mutter in all den Jahren nicht erreicht hatte – einen stattlichen, zwar immer noch breiten, aber nicht mehr so massigen jungen Mann aus ihm zu modulieren. Und noch etwas fiel Kessie an Tommi auf. Er trug die dunkelblaue Schirmmütze nicht mehr. Stattdessen bedeckte ein grünschwarzes, schrill beschriftetes Baseballcap seinen roten Haarschopf.

      SKOAL Tobacco Co. United States. Eine echte Amimütze. Auch die College-Jacke wertete ihn extrem auf … ebenfalls fett beschriftet: A 23 DETROIT, Illinois HIGH-SCHOOL.

      Kessie war beeindruckt.

      „Sag’ jetzt nix …“, grinste Ulli, „setz’ dich einfach zu uns!“

      Ulli sah gut aus. Er hatte eine sportliche Figur und eine aufrechte Haltung. Jedoch vermisste Kessie ein wichtiges Detail an ihm und er brauchte nicht lange zu rätseln: Ulli trug nicht mehr den hellbeigen Parka. Von Georgie wusste er, dass Ulli und er noch während der Schulzeit in eine Sportschule für asiatisches Kampftraining eingetreten waren. Dort trainierten sie zweimal die Woche.

      Auf seine unvergleichliche Art, die ihn gerade in seinem Beruf so auszeichnete, begrüßte Kessie die Jungs mit dem Händedruck eines stumpfen Holzfällers.

      „Hey, was soll das werden“, grinste Ulli süffisant, zog die Hand zurück, die er ihm hingehalten hatte, packte ihn an den Armen und zog ihn zu sich heran, dann umarmte er ihn freundschaftlich: „Nun entspann’ dich erstmal und mach ’n Schwätzchen mit uns. Na komm! Wow, und plötzlich hör’ ich nix mehr …“, schüttelte er plötzlich den Kopf. Immer noch derselbe Spaßvogel, stellte Kessie fest.

      „Deine Hose hat so schreiende Farben, Mann?“ Er sah mit weitaufgerissenen Augen an ihm hinab, trat einen Schritt zurück und schlug sich dann auf die Schenkel.

      Kessie zwang ein trockenes Lächeln in seine Mundwinkel, wobei er einen Blick mit Georgie tauschte, der ihn zu fixieren schien, was ihn für Sekunden verunsicherte.

      Mit einem ungelenken Griff zur Weinbrandflasche erhob sich Holmi: „Setz’ dich erst mal! Ich schenk’ ein.“

      Auch er ließ auf vertraute Merkmale