Название | Krieg und Frieden |
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Автор произведения | Leo Tolstoi |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783754188620 |
Mitten in seiner Erzählung, in dem Augenblick, als er gerade sagte: »Du kannst dir gar keine Vorstellung davon machen, was für ein seltsames Gefühl rasender Wut man im Augenblick einer Attacke empfindet«, trat Fürst Andrei Bolkonski ins Zimmer, welchen Boris erwartet hatte. Da Fürst Andrei es liebte, mit jungen Leuten gönnerhaft zu verkehren, und sich geschmeichelt fühlte, wenn sich jemand an ihn mit der Bitte um seine Protektion wandte, und da er gegen Boris freundlich gesinnt war, der es tags zuvor verstanden hatte, ihm zu gefallen, so war er geneigt, den Wunsch des jungen Mannes zu erfüllen. Er war jetzt gerade mit Schriftstücken von Kutusow zum Thronfolger geschickt worden und kam zu dem jungen Mann mit heran, in der Hoffnung, ihn allein zu treffen. Als er ins Zimmer trat und einen Husaren von der Linie erblickte, der Kriegsabenteuer erzählte (eine Sorte von Menschen, die Fürst Andrei nicht ausstehen konnte), lächelte er Boris freundlich zu, sah Rostow stirnrunzelnd mit halb zugekniffenen Augen an und ließ sich nach einer leichten Verbeugung müde und lässig auf das Sofa nieder. Er fühlte sich unbehaglich, weil er in schlechte Gesellschaft hineingeraten zu sein glaubte. Rostow, der dies merkte, wurde dunkelrot; indes nahm er sich das nicht weiter zu Herzen, da es ja ein fremder Mensch war. Aber als er einen Blick auf Boris warf, sah er, daß auch dieser sich des Husaren von der Linie gewissermaßen schämte. Trotz des unangenehm spöttischen Tones des Fürsten Andrei, trotz der starken Geringschätzung, die Rostow von seinem Standpunkt als Linienoffizier gegen alle diese Herren Adjutanten vom Stab hegte, zu denen offenbar auch der soeben Eingetretene gehörte, fühlte sich Rostow doch verlegen, errötete und schwieg. Boris erkundigte sich, was man beim Stab Neues wisse, und was, wenn es nicht indiskret sei, danach zu fragen, über unsere Pläne verlaute.
»Wahrscheinlich werden wir vorrücken«, antwortete Bolkonski, der augenscheinlich in Gegenwart Fremder nicht mehr sagen mochte.
Berg benutzte die Gelegenheit, um mit besonderer Höflichkeit zu fragen, ob, wie das Gerücht gehe, die Kompaniechefs bei der Linie künftig doppelte Furagegelder bekommen würden. Hierauf antwortete Fürst Andrei lächelnd, in so wichtige Staatsangelegenheiten sei er nicht eingeweiht, und Berg lachte fröhlich.
»Über Ihre Angelegenheit«, wandte sich Fürst Andrei wieder an Boris, »reden wir ein andermal« (er blickte zu Rostow hin). »Kommen Sie nach der Truppenschau zu mir; wir werden alles tun, was in unsern Kräften steht.«
Er sah sich rings im Zimmer um und wandte sich nun auch an Rostow; er würdigte dessen kindische, unbezwingbare Verlegenheit, die in Ingrimm über ging, keiner Beachtung und sagte:
»Sie erzählten ja wohl gerade von dem Kampf bei Schöngrabern? Sind Sie dabeigewesen?«
»Ja, ich bin dabeigewesen«, erwiderte Rostow grimmig, als ob er dadurch den Adjutanten zu kränken beabsichtigte.
Bolkonski bemerkte die Stimmung des Husaren recht wohl, und sie kam ihm komisch vor. Ein leises, geringschätziges Lächeln spielte um seinen Mund.
»Über diesen Kampf hört man jetzt vielerlei Erzählungen«, sagte er.
»Ja, vielerlei Erzählungen«, antwortete Rostow mit erhobener Stimme und sah mit wütenden Blicken bald Boris, bald Bolkonski an, »ja, vielerlei Erzählungen; aber unsere Erzählungen, die Erzählungen derjenigen, die selbst im feindlichen Feuer gewesen sind, unsere Erzählungen sind zuverlässig, anders als die Erzählungen der jungen Helden vom Stab, welche Auszeichnungen einheimsen, ohne etwas getan zu haben.«
»Und zu denen gehöre Ihrer Ansicht nach auch ich?« fragte Fürst Andrei in ruhigem Ton und mit einem besonders freundlichen Lächeln.
Ein sonderbar gemischtes Gefühl, ein Gefühl der Erbitterung und zugleich der Hochachtung vor der ruhigen Sicherheit dieses Mannes wurde in Rostows Seele rege.
»Von Ihnen rede ich nicht«, sagte er. »Ich kenne Sie nicht und habe, offengestanden, auch gar nicht den Wunsch, Sie kennenzulernen. Ich rede im allgemeinen von den Offizieren beim Stab.«
»Nun, hören Sie einmal zu, was ich Ihnen sagen werde«, unterbrach ihn Fürst Andrei im Ton ruhiger Überlegenheit. »Sie wollen mich beleidigen, und ich gebe gern zu, daß das eine sehr leichte Sache ist, wenn Sie nicht die genügende Selbstachtung besitzen; aber Sie müssen selbst sagen, daß Zeit und Ort dazu sehr übel gewählt sind. In den nächsten Tagen werden wir alle bei einem großen, ernsteren Duell mitzuwirken haben; und außerdem kann doch Drubezkoi, der sagt, daß er ein alter Freund von Ihnen sei, nichts dafür, daß mein Gesicht das Unglück gehabt hat, Ihnen zu mißfallen. Übrigens«, sagte er, indem er aufstand, »kennen Sie ja meinen Namen und wissen, wo ich zu finden bin. Vergessen Sie aber nicht«, fügte er hinzu, »daß ich weder mich noch Sie irgendwie für beleidigt halte, und als der ältere von uns beiden würde ich Ihnen raten, in dieser Sache nichts weiteres zu tun. Also auf Freitag, nach der Truppenschau; ich erwarte Sie, Drubezkoi; auf Wiedersehen!« rief Fürst Andrei; den beiden andern Anwesenden machte er eine Verbeugung und verließ das Zimmer.
Dem jungen Rostow fiel erst, als der Fürst schon weg war, ein, was er ihm hätte antworten sollen. Und daß er nicht darauf gekommen war, ihm dies zu sagen, machte ihn noch zorniger. Er ließ sich sogleich sein Pferd bringen und ritt, nach einem trockenen Abschied von Boris, wieder nach seinem Quartier zurück. Sollte er morgen nach dem Hauptquartier reiten und diesen Maulhelden von Adjutanten fordern oder die Sache wirklich auf sich beruhen lassen? Diese Frage quälte ihn auf dem ganzen Heimweg. Bald dachte er ingrimmig daran, mit welcher Lust er die Angst dieses kleinen, schwächlichen, hochmütigen Menschen der Mündung seiner Pistole gegenüber beobachten werde, bald wurde er sich mit Erstaunen bewußt, daß er von allen Menschen, die er kannte, keinen so lebhaft zum Freund zu haben begehrte, wie diesen verhaßten Adjutanten.
VIII
Am Tage nach dem Wiedersehen zwischen Boris und Rostow fand die Truppenschau über die österreichischen und über die russischen Truppen statt, und zwar, die letzteren anlangend, sowohl über die frischen, soeben aus Rußland eingetroffenen als auch über diejenigen, die mit Kutusow aus dem Feldzug zurückgekehrt waren. Diese Truppenschau über die verbündete achtzigtausend Mann starke Armee wurde von beiden Kaisern abgehalten; dem russischen Kaiser stand der Thronfolger, dem österreichischen der Erzherzog zur Seite.
Vom frühen Morgen an rückten die Truppen, die sich mit peinlicher Sorgfalt gesäubert und geputzt hatten, heran und nahmen auf dem weiten Feld vor der Festung Aufstellung. Hier bewegten sich Tausende von Menschenbeinen und Bajonetten mit wehenden Fahnen heran, machten auf das Kommando der Offiziere halt, schwenkten ein, gingen um andere, ähnliche Infanteriemassen in anderen Uniformen herum und stellten sich in bestimmten Abständen voneinander auf; dort kam unter gleichmäßigem Getrappel der Pferdehufe und Klirren der Waffen die schmucke Kavallerie, in blauen, roten und grünen gestickten Uniformen, mit den noch bunteren Musikern an der Spitze, auf Rappen, Füchsen und Grauschimmeln; dort kroch in lang ausgedehntem Zug, unter dem metallischen Getön der auf ihren Lafetten zitternden, wohlgesäuberten, glänzenden Kanonen und mit dem Geruch ihrer Luntenstöcke die Artillerie in den Zwischenraum zwischen Infanterie