Название | Franz Kafka – Das Schloss |
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Автор произведения | Franz Kafka |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738028560 |
Seine Auffassung der hiesigen Behörden fand K. zunächst beim Vorsteher sehr bestätigt. Der Vorsteher, ein freundlicher, dicker, glattrasierter Mann, war krank, hatte einen schweren Gichtanfall und empfing K. im Bett. „Da ist also unser Herr Landvermesser“, sagte er, wollte sich zur Begrüßung aufrichten, konnte es aber nicht zustande bringen und warf sich, entschuldigend auf die Beine zeigend, wieder zurück in die Kissen. Eine stille, im Dämmerlicht des kleinfenstrigen, durch Vorhänge noch verdunkelten Zimmers fast schattenhafte Frau brachte K. einen Sessel und stellte ihn zum Bett. „Setzen Sie sich, setzen Sie sich, Herr Landvermesser“, sagte der Vorsteher, „und sagen Sie mir Ihre Wünsche.“ K. las den Brief Klamms vor und knüpfte einige Bemerkungen daran. Wieder hatte er das Gefühl der außerordentlichen Leichtigkeit des Verkehrs mit den Behörden. Sie trugen förmlich jede Last, alles konnte man ihnen auferlegen und selbst blieb man unberührt und frei. Als fühle das in seiner Art auch der Vorsteher, drehte er sich unbehaglich im Bett. Schließlich sagte er: „Ich habe, Herr Landvermesser, wie Sie ja gemerkt haben, von der ganzen Sache gewusst. Dass ich selbst noch nichts veranlasst habe, hat seinen Grund erstens in meiner Krankheit und dann darin, dass Sie so lange nicht kamen, ich dachte schon, Sie seien von der Sache abgekommen. Nun aber, da Sie so freundlich sind, mich selbst aufzusuchen, muss ich Ihnen freilich die volle, unangenehme Wahrheit sagen. Sie sind als Landvermesser aufgenommen, wie Sie sagen, aber, leider, wir brauchen keinen Landvermesser. Es wäre nicht die geringste Arbeit für ihn da. Die Grenzen unserer kleinen Wirtschaften sind abgesteckt, alles ist ordentlich eingetragen. Besitzwechsel kommt kaum vor und kleine Grenzstreitigkeiten regeln wir selbst. Was soll uns also ein Landvermesser?“ K. war, ohne dass er allerdings früher darüber nachgedacht hätte, im Innersten davon überzeugt, eine ähnliche Mitteilung erwartet zu haben. Eben deshalb konnte er gleich sagen: „Das überrascht mich sehr. Das wirft alle meine Berechnungen über den Haufen. Ich kann nur hoffen, dass ein Missverständnis vorliegt.“ „Leider nicht“, sagte der Vorsteher, „es ist so, wie ich sage.“ „Aber wie ist das möglich“, rief K. „ich habe doch diese endlose Reise nicht gemacht, um jetzt wieder zurückgeschickt zu werden.“ „Das ist eine andere Frage“, sagte der Vorsteher, „die ich nicht zu entscheiden habe, aber wie jenes Missverständnis möglich war, das kann ich Ihnen allerdings erklären. In einer so großen Behörde wie der gräflichen kann es einmal vorkommen, dass eine Abteilung dieses angeordnet, die andere jenes, keine weiß von der anderen, die übergeordnete Kontrolle ist zwar äußerst genau, kommt aber ihrer Natur nach zu spät, und so kann immerhin eine kleine Verwirrung entstehen. Immer sind es freilich nur winzigste Kleinigkeiten wie z. B. Ihr Fall. In großen Dingen ist mir noch kein Fehler bekannt geworden, aber auch die Kleinigkeiten sind oft peinlich genug. Was nun Ihren Fall betrifft, so will ich Ihnen, ohne Amtsgeheimnisse zu machen – dazu bin ich nicht genug Beamter, ich bin Bauer und dabei bleibt es –, den Hergang offen erzählen. Vor langer Zeit, ich war damals erst einige Monate Vorsteher, kam ein Erlass, ich weiß nicht mehr von welcher Abteilung, in welchem in der den Herren dort eigentümlichen kategorischen Art mitgeteilt war, dass ein Landvermesser berufen werden solle, und der Gemeinde aufgetragen war, alle für seine Arbeiten notwendigen Pläne und Aufzeichnungen bereitzuhalten. Dieser Erlass kann natürlich nicht Sie betroffen haben, denn das war vor vielen Jahren und ich hätte mich nicht daran erinnert, wenn ich nicht jetzt krank wäre und im Bett über die lächerlichsten Dinge nachzudenken Zeit genug hätte. – Mizzi“, sagte er, plötzlich seinen Bericht unterbrechend, zu der Frau, die noch immer in unverständlicher Tätigkeit durch das Zimmer huschte, „bitte, sieh dort im Schrank nach, vielleicht findest du den Erlass.“ „Er ist nämlich“, sagte er erklärend zu K., „aus meiner ersten Zeit, damals habe ich noch alles aufgehoben.“ Die Frau öffnete gleich den Schrank. K. und der Vorsteher sahen zu. Der Schrank war mit Papieren vollgestopft. Beim Öffnen rollten zwei große Aktenbündel heraus, welche rund gebunden waren, so wie man Brennholz zu binden pflegt; die Frau sprang erschrocken zur Seite. „Unten dürfte es sein, unten“, sagte der Vorsteher, vom Bett aus dirigierend. Folgsam warf die Frau, mit beiden Armen die Akten zusammenfassend, alles aus dem Schrank, um zu den unteren Papieren zu gelangen. Die Papiere bedeckten schon das halbe Zimmer. „Viel Arbeit ist geleistet worden“, sagte der Vorsteher nickend, „und das ist nur ein kleiner Teil. Die Hauptmasse habe ich in der Scheune aufbewahrt und der größte Teil ist allerdings verloren gegangen. Wer kann das alles zusammenhalten! In der Scheune ist aber noch sehr viel.“ „Wirst du den Erlass finden können?“ wandte er sich dann wieder zu seiner Frau, „du musst einen Akt suchen, auf dem das Wort Landvermesser blau unterstrichen ist.“ „Es ist zu dunkel hier“, sagte die Frau, „ich werde eine Kerze holen“, und sie ging über die Papiere hinweg aus dem Zimmer. „Meine Frau ist mir eine große Stütze“, sagte der Vorsteher, „in dieser schweren Amtsarbeit, die doch nur nebenbei geleistet werden muss. Ich habe zwar für die schriftlichen Arbeiten noch eine Hilfskraft, den Lehrer, aber es ist trotzdem unmöglich, fertig zu werden, es bleibt immer viel Unerledigtes zurück, das ist dort in jenem Kasten gesammelt“, und er zeigte auf einen anderen Schrank. „Und gar, wenn ich jetzt krank bin, nimmt es überhand“, sagte er und legte sich müde, aber doch auch stolz zurück. „Könnte ich nicht“, sagte K., als die Frau mit der Kerze zurückgekommen war und vor dem Kasten kniend den Erlass suchte, „Ihrer Frau beim Suchen helfen?“ Der Vorsteher schüttelte lächelnd den Kopf: „Wie ich schon sagte, ich habe keine Amtsgeheimnisse vor Ihnen, aber Sie selbst in den Akten suchen zu lassen, so weit kann ich denn doch nicht gehen.“ Es wurde jetzt still im Zimmer, nur das Rascheln der Papiere war zu hören, der Vorsteher schlummerte vielleicht sogar ein wenig. Ein leises Klopfen an der Tür ließ K. sich umdrehen. Es waren natürlich die Gehilfen. Immerhin waren sie schon ein wenig erzogen, stürmten nicht gleich ins Zimmer, sondern flüsterten zunächst durch die ein wenig geöffnete Tür: „Es ist uns kalt draußen.“ „Wer ist es?“ fragte der Vorsteher aufschreckend. „Es sind nur meine Gehilfen“, sagte K., „ich weiß nicht, wo ich sie auf mich warten lassen soll, draußen ist es zu kalt, und hier sind sie lästig.“ „Mich stören sie nicht“, sagte der Vorsteher freundlich, „lassen Sie sie hereinkommen. Übrigens kenne ich sie ja. Alte Bekannte.“ „Mir aber sind sie lästig“, sagte K. offen, ließ den Blick von den Gehilfen zum Vorsteher und wieder zurück zu den Gehilfen wandern und fand aller drei Lächeln ununterscheidbar gleich. „Wenn Ihr aber nun schon hier seid“, sagte er versuchsweise, „so bleibt und helft dort der Frau Vorsteher einen Akt suchen, auf dem das Wort Landvermesser blau unterstrichen ist.“ Der Vorsteher erhob keinen Widerspruch. Was K. nicht durfte, die Gehilfen durften es, sie warfen sich auch gleich auf die Papiere, aber sie wühlten mehr in den Haufen, als dass sie suchten, und während einer eine Schrift buchstabierte, riss sie ihm der andere immer aus der Hand. Die Frau dagegen kniete vor dem leeren Kasten, sie schien gar nicht mehr zu suchen, jedenfalls stand die Kerze sehr weit von ihr. „Die Gehilfen“, sagte der Vorsteher mit einem selbstzufriedenen Lächeln, so, als gehe alles auf seine Anordnungen zurück, aber niemand sei imstande, das auch nur zu vermuten, „sie sind Ihnen also lästig, aber es sind doch Ihre eigenen Gehilfen.“ „Nein“, sagte K. kühl, „sie sind mir erst