Название | Anarchistische Analysen zur Gegenwart |
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Автор произведения | Jörg Djuren |
Жанр | Изобразительное искусство, фотография |
Серия | |
Издательство | Изобразительное искусство, фотография |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783750247031 |
Ein Beispiel für das Zweite ist das Europäische Patentamt, kurz EPA.
Das EPA hat einen eigenen Haushalt, der sich aus seinen Einnahmen aus einem Anteil an den Patentgebühren ergibt, über den es autonom verfügt. EPA-MitarbeiterInnen haben DiplomatInnenstatus und sind nicht der der nationalen Gerichtsbarkeit unterstellt. Das EPA verfügt über eine eigene Gerichtsbarkeit bzgl. Einsprüchen in Patentrechtsstreitigkeiten, deren Entscheidungen national anerkannt werden müssen. Das EPA beschäftigt bevorzugt MitarbeiterInnen, die nicht aus dem Land ihres Hauptsitzes Deutschland kommen. Mitglieder der Kotrollgremien des EPA sind in nicht unbeträchtlicher Zahl, nach Beendigung ihrer Tätigkeit, als führende MitarbeiterInnen des EPA wiederzufinden.
In einem etwas polemischen Kommentar wurde in der Presse dem EPA auch schon empfohlen als autonomer Staat die Mitgliedschaft in der EU zu beantragen.
Das EPA ist also eine multinationale bürokratische institutionelle Struktur, die exekutive und juridikative Funktionen für einen Teilbereich der Gesellschaft in sich vereint und mit nicht unbeträchtlichem Erfolg versucht für diesen Teilbereich auch die Legislative zu kontrollieren. Die Behörde ist dabei zum Teil strukturiert und agiert wie ein multinationaler Konzern, der eigene Standortentscheidungen herbeiführt, sich neue Märkte (durch die Ausweitung des Patentbegriffes) erschließt und wachstumsorientiert arbeitet. Das EPA bricht dabei mit der Erteilung fragwürdiger Patente systematisch EU-Recht und setzt die Interessen multinationaler Konzerne auch gegen die Interessen der EU8 durch.
Interessanterweise ist einer der Sitze des EPA in Berlin Kreuzberg (Ecke Lindenstraße/Glitschiner Str.), diese mit hauptverantwortliche Institution für die Ausweitung genetischer Patente scheint aber die autonome Linke nicht zu interessieren.
Die Multinationalen Institutionellen Strukturen, kurz MIS, unterscheiden sich in einer Reihe von strukturellen Fakten von traditionellen Konzernen und staatlichen Institutionen.
- Für die MIS ist nicht nur das traditionelle Kapital (Geld, Grundvermögen, Besitz an Produktionsmitteln, ..) ausschlaggebend, sondern das Kapital einer MIS kann auch wesentlich aus symbolischen oder rechtlichen Kapital bestehen, z.B. aus dem Recht Patente erteilen zu dürfen, wie das EPA. Dieses Kapital wird auch offensiv zur Ausweitung des Einflußbereiches, also zur weiteren Kapitalakumulation eingesetzt. Im Fall des EPA wird das Patentrecht in diesem Sinn instrumentalisiert.
Außerdem werden die Kapitalarten flexibel in einander umgewandelt. So transformiert das EPA seine Patentierungsbefugnis in Geld und politischen Einfluß. Gefängniskonzerne in den USA setzen Geld in politischen Einflußnahme um mit der sie wiederum auf Gesetzesverfahren Einfluß nehmen können, die ihre exekutiven Machtbefugnisse ausweiten, die sie wiederum in Geld umsetzen können. Die MIS Katholische Kirche ist ein anderes Beispiel für die virtuose Umwandlung unterschiedlicher Kapitalarten, hier wird symbolisches Kapital in Geld und politische Einflußnahme umgewandelt und dies wieder zur Ausweitung des symbolischen Kapitals genutzt. Ein Beispiel für die Transformation von Kapitalarten ist auch die Generierung von Markennamen.
- Ein anderes Merkmal der MIS ist ihre geringe territoriale Bindung. So nutzt das EPA Standortentscheidungen um auf EU-Länder Druck auszuüben. Bei multinationalen Konzernen ist dies sowieso üblich.
Dies ist nur mit dem großen Anteil von nicht vom Produktionsstandort abhängigen Kapitalarten, z.B. einem Markennamen, zu begreifen. Im Extrem führen dies Konzerne wie Nike vor, die andere Firmen für ihre Marke produzieren lassen. Aber auch Wissen und Patente und hochqualifizierte Angestellte, die primär an den Konzern gebunden sind, sind solche standortunabhängigen Kapitalarten. Sie stellen eine wesentliche Erweiterung der klassischen Produktionsmittel, der Produktionsmaschinen, der Fabrik, die an einen Standort gebunden war, dar.
- Die MIS zeichnen sich durch eine starke Identifikation ihrer WissensarbeiterInnen mit dem Konzern aus. Nationalstaatliche oder regionale Bindungen der mittleren und höheren Angestellten sind demgegenüber irrelevant. Es wird Englisch gesprochen und MitarbeiterInnen wechseln häufiger den Ort. Diese Personalpolitik ist durchaus als bewußte Maßnahme zur Unterbindung des Aufbaus alternativer nicht auf den Konzern oder die Institution bezogener Sozialstrukturen anzusehen.
Zum Teil übernehmen MIS auch weitere Funktionen für ihre MitarbeiterInnen. Z.B. gilt dies für Rohstoffkonzerne in einigen Regionen Afrikas, in denen sie semistaatliche Strukturen von Schulen bis hin zu Militärapparaten aufgebaut oder von anderen MIS angemietet haben.
- MIS agieren primär mit Bezug auf andere MIS, sie stehen untereinander in Wechselwirkung, in Bündnissen und Konfrontationen. Noch müssen sie Rücksicht nehmen auf die mächtigeren Staaten der Welt. Noch gibt es starke Bindungen an Nationen. Dies wird aber nicht so bleiben. Zur Zeit werden die MIS von nationalstaatlichen Strukturen ausgehend aufgebaut. Dies ist vergleichbar der Phase des Absolutismus in der die Adelsgesellschaft den Nationalstaat begründete. Doch irgendwann wird es zur Ablösung kommen und zu den ersten Kriegen von MIS gegen Staaten und von MIS untereinander. Kriege nicht mehr unbedingt um reale Territorien sondern um virtuelle Einflußgebiete, z.B. Patenansprüche, Markennamen9 oder Fernsehkanäle, so absurd das heute klingen mag.
- Für die MIS spielt die Ausweitung von Patentrechten, z.B. auf schon lange existierende Nutzpflanzen, die Ausweitung von exekutiven Befugnissen und die Absicherung von Urheberrechtsansprüchen eine ähnliche Rolle, wie der Zugriff auf Land, Ressourcen und Arbeitskräfte für die Kapitalisten im Umbruch vom Mittelalter zur Neuzeit. Es geht hier um eine ursprüngliche Kapitalakumulation, um die Enteignung von Allgemeingut und entsprechend groß ist die Bereitschaft dies auch gewaltförmig durchzusetzen.
Die steigende Bedeutung z.B. des Urheberrechtes für die MIS läßt sich auch heute schon im Alltag beobachten.
Z.B. in der aktuellen10 Kampagne der Zukunft Kino Marketing in der BRD unter dem Titel "hart aber gerecht", in der offensiv Folter als Bestrafung für Urheberechtsverletzungen legitimiert wird. So wird in einem Werbespot 'witzig' die Vergewaltigung von Jugendlichen in Gefängnissen als angemessene Bestrafung für das Raubkopieren von Filmen angepriesen. Diese Form extralegaler Bestrafung ist eindeutig ein Bruch der UN-Folterkonvention. Die ZKM tritt also in diesem 'Witz' dafür ein, das Urheberrecht höher als die Menschenrechtscharta anzusetzen. Finanziert wird dies von der Filmförderungsanstalt, einer Bundesanstalt öffentlichen Rechts, in deren Aufsichtsgremium Vertreter der Parteien und auch die evangelische und katholische Kirche sitzen.
Zu befürchten ist das aus diesem 'Witz' in Zukunft bei Zuspitzung der Interessenlagen ernst wird.
Dies ist keine notwendige Entwicklung. AnarchistInnen stehen vor der Aufgabe sowohl den Nationalstaat wie die MIS zu bekämpfen, ohne sich für eine Seite instrumentalisieren zu lassen. Auch der Niedergang der USA und Deutschlands wäre, wenn er mit entsprechenden Machtzuwächsen für MIS verbunden wäre, kein Grund zum Feiern. Die Ablösung der Nationalstaaten durch MIS verschärft heute schon die Herrschaftsverhältnisse und sozialen Bedingungen. Falls dies so weiterläuft wird sich die Situation weiter verschlechtern.
Gute MIS gibt es ebensowenig wie gute Staaten oder einen guten Kaiser. Dies gilt auch für Groß-NGO's und einen Weltgerichtshof. Die Alternative liegt nicht bei Attac sondern bei Peoples Global Action, der Zusammenarbeit an der Basis.
Elite-Klone - das neue Subjekt der Macht
Die Umbrüche in der Gesellschaft führen auch zu einem neuen internationalem Subjekt der Macht. Das alte bürgerliche Machtsubjekt war weiß, männlich, Unternehmer, Arzt, Architekt, Ingenieur, usw.. Sein sozialer Status hing wesentlich mit seiner Verortung in einer Stadt oder einer Region zusammen. Der Status setzte soziale Beziehungen zu anderen Bürgern der Stadt, Region, voraus. Kontakte die unter anderem sie, seine 'Haus'Frau, zu pflegen hatte, eine Kompetenz, die auch ihr Status verlieh. Der Status war damit örtlich gebunden. Auch die Sozialisation der Kinder erfolgte