Zinsen sind verlorenes Geld. Otfried Müller

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Название Zinsen sind verlorenes Geld
Автор произведения Otfried Müller
Жанр Изобразительное искусство, фотография
Серия
Издательство Изобразительное искусство, фотография
Год выпуска 0
isbn 9783737516273



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senken zu können, müssen die Produktionskosten gesenkt werden. Da die wenigsten Volkswirtschaften irgendeinen Einfluss auf die international gültigen Rohstoffpreise nehmen können, bleiben den Unternehmen als Hilfe in der Not im Wesentlichen nur die verstärkte Rationalisierung und die Senkung der Lohnkosten. Beides geht zu Lasten der Arbeitnehmer und erzeugt eine soziale Krise, denn die verstärkte Rationalisierung setzt Arbeitskräfte frei. Immerhin sind die Rationalisierung und die Lohnkürzungen geeignet, die Stückkosten zu senken, und dadurch können die Unternehmen ihre Waren zu geringeren Preisen verkaufen.

      Aber auch der Staat muss seine Kosten senken. Man wird vom Staat fordern, dass er Staatsangestellte entlässt oder ihre Löhne senkt und Ausgaben für Gesundheit, Bildung und andere Staatsaufträge kürzt. Damit steckt der Staat in der Zwickmühle. Denn einerseits soll er sparen, andererseits soll er helfend einspringen, um soziale Härten zu mildern. Notfalls sollte er sich sogar verschulden, um angesichts der sozialen Krise helfen zu können.

      Die andere Möglichkeit, die Preise der eigenen Produkte gegenüber dem Ausland zu senken, ist die Abwertung der eigenen Währung. Wir stellen uns dazu vor, die Währungseinheit des erfundenen Landes Teuerland heiße ein Pfund, und für ein Pfund bekommt man einen US-Dollar. Ein heimischer, teuerländischer Teppich soll 100 Pfund kosten, und wenn dieser Teppich exportiert wird, dann kann ihn ein Amerikaner für 100 Dollar kaufen. Umgekehrt soll ein amerikanischer Laserdrucker 100 Dollar kosten, der auf dem teuerländischen Markt für 100 Pfund angeboten wird. Diese Preise sollen als angemessen gelten, so dass bei einem ausgeglichenen Handel Einfuhr und Ausfuhr ebenfalls ausgeglichen sind.

      Wenn nun in Teuerland die Inflation einsetzt, steigt dort das Preisniveau so weit an, dass der Teppich eventuell 200 Pfund kostet. Wegen des Umtauschkurses Dollar gegen Pfund von 1:1 kostet der Teppich in den USA dann 200 Dollar, das ist für den amerikanischen Markt viel zu teuer, und daher kauft kein US-Amerikaner diesen Teppich. Der Export nach den USA ist hierdurch schwer behindert, bzw. er kommt ganz zum Erliegen. Andererseits kostet der amerikanische Laserdrucker nach wie vor 100 Dollar, das bedeutet, er ist auf dem teuerländischen Markt für 100 Pfund zu haben. Dagegen kostet ein teuerländischer Drucker unter dem Einfluss der Inflation mittlerweile 200 Pfund. Gemessen am inflationär erhöhten Lohn- und Preisniveau in Teuerland gilt ein Laserdrucker für nur 100 Pfund als besonders preiswert. Daher kaufen die Teuerländer bevorzugt die amerikanischen Drucker.

      Weder die teuerländischen Teppichhersteller noch die teuerländischen Druckerhersteller können unter diesen Umständen ihre Produkte im gewohnten Umfang verkaufen. Ihr Umsatz bricht ein. Sie schränken daher ihre Produktion ein und entlassen Arbeitskräfte. Das wiederum führt zu einer geringeren teuerländischen Kaufkraft, was einen zusätzlichen Rückgang der Nachfrage nach Produkten jeglicher Art zur Folge hat, die Rezession in Teuerland verstärkt sich. So weit hatten wir den Fall vorher schon diskutiert.

      Der Import billiger Waren nach Teuerland ist inflationsbedingt sprunghaft angestiegen, während der Export eigener Produkte fast abgestorben ist. Wegen des gestiegenen Warenimports aus den USA fließt Geld aus Teuerland in die USA ab, gleichzeitig kommt wegen des zusammengebrochenen Teppichexports nach den USA kein Geld mehr aus den USA nach Teuerland zurück. Die umlaufende Geldmenge in Teuerland nimmt deshalb beständig ab. Die Leistungsbilanz von Teuerland weist ein bedenkliches Defizit auf, und die Teuerländer können mittlerweile in den USA nur noch über Kredit einkaufen, sofern sie überhaupt noch Kredit auf dem Finanzmarkt bekommen.

      Zur Lösung des akuten Problems kann Teuerland seine Währung abwerten. Angenommen, das Pfund wird im Verhältnis 1:2 abgewertet, dann bekommt man für ein (neues) Pfund nur noch einen halben Dollar, bzw. für einen Dollar bekommt man 2 (neue) Pfund. Der teuerländische Teppich kostet zwar weiterhin 200 Pfund, weil man aber für 1 Dollar jetzt 2 Pfund bekommt, kostet der Teppich jetzt wieder 100 Dollar. Das ist der Kaufpreis, den ein Amerikaner vor der Inflation bezahlen musste. Der Export teuerländischer Teppiche nimmt also wieder den alten Umfang an. Für einen Teuerländer kostet der amerikanische Laserdrucker nach wie vor 100 Dollar, nach der Abwertung sind das aber jetzt 200 (neue) Pfund. Das ist derselbe Preis, den man auch für einen heimischen, teuerländischen Drucker bezahlen muss, so, wie es vor der Inflation war. Der Import amerikanischer Drucker geht also wieder auf den Stand vor der Inflation zurück. Die Abwertung der eigenen Währung unterstützt den Export eigener Produkte und erschwert den Import fremder Erzeugnisse.

      Die Teuerländer kaufen neben den importierten amerikanischen Druckern auch wieder heimische, eigene Drucker. Die teuerländischen Druckerhersteller erhöhen die Druckerproduktion und stellen wieder neue Arbeitskräfte ein. Die teuerländischen Teppichhersteller exportieren wieder Teppiche, sie erhöhen die Teppichproduktion und stellen ebenfalls neue Arbeitskräfte ein. Wegen des wieder belebten Teppichexports fließt wieder Geld ins Land und wegen des reduzierten Imports von Druckern fließt weniger Geld in die USA ab. Die Leistungsbilanz ist wieder ausgeglichen. Die Wirtschaft Teuerlands hat sich erholt.

      Wenn es Teuerland nun auch noch schaffen sollte, seine Produktivität auf den gleichen Stand wie die USA zu bringen, ist die Erholung seiner Wirtschaft von Dauer, andernfalls nur vorübergehend. Denn bei weiterhin zu geringer Produktivität bleiben die Stückkosten der teuerländischen Wirtschaft nach wie vor zu hoch, und die Inflation in Teuerland besteht weiterhin. Deshalb muss Teuerland seine Währung nach einiger Zeit erneut abwerten. Die Notwendigkeit der ständigen, wiederkehrenden Abwertung ist das Kennzeichen einer sogenannten weichen Währung.

      Vielleicht will Teuerland das Handelsproblem aber über Schutzzölle lösen und erhebt Zölle auf amerikanische Waren. Einfuhrzölle drosseln zwar den Import von amerikanischen Druckern nach Teuerland, das ist gewollt, aber den teuerländischen Teppichherstellern hilft das wenig, der Export nach dem Ausland wird dadurch keineswegs beflügelt. Im Gegenteil. Einfuhrzölle auf der einen Seite lösen in aller Regel auch Einfuhrzölle auf der anderen Seite aus. Anstatt den bisherigen Freihandel beizubehalten, riskiert Teuerland einen Handelskrieg, der nicht nur den Export teuerländischer Teppiche behindert, sondern die gesamte teuerländische Wirtschaft belastet.

      Außerdem setzen Einfuhrzölle oder Schutzzölle die falschen Anreize für die teuerländischen Unternehmen. Anstatt verstärkte Anstrengungen zu unternehmen, die eigene Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen, dämpfen Einfuhrzölle die Bereitschaft der teuerländischen Unternehmen, die eigene Produktivität zu erhöhen. - Nein, Einfuhrzölle machen die teuerländische Wirtschaft nicht wettbewerbsfähiger, sondern verzögern nur die erforderliche Anpassung an die internationalen Wettbewerbsbedingungen.

      Auch Streiks verstärken inflationäre Tendenzen. Viele Gewerkschafter, die bei Arbeitskämpfen schnell mit Streiks bei der Hand sind, berücksichtigen diesen Zusammenhang vielleicht nicht immer ausreichend. Bei Streiks wird nicht gearbeitet, - das ist ja auch der Zweck eines Streiks. Dadurch wird die Warenproduktion vermindert, ohne dass gleichzeitig auch die Nachfrage nach diesen Waren vermindert würde. Nach dem Streik steht also der ungebrochenen Nachfrage nach diesen Waren ein vermindertes Angebot davon gegenüber. Dieses durch den Streik geschaffene Ungleichgewicht erhöht tendenziell die Preise dieser Waren. Es ist die Frage, ob das immer im Interesse der Streikenden liegt.

      Das Gegenstück zur Inflation, die Deflation, ist noch schlimmer. Die Deflation entsteht, wenn ständig weniger Geld im Umlauf ist, als es das angebotene Sozialprodukt erfordert. Ist zu wenig Geld vorhanden, dann ist die Kaufkraft gering, das dämpft die Nachfrage nach Sozialprodukt, und ungenügende Nachfrage drückt die Preise nach unten. Die Gewinne brechen ein, so dass die Unternehmen ihre Investitionen kürzen oder ganz einstellen. Dies führt zusätzlich zu einer geringeren Produktion. Die Unternehmen schränken ihre Produktion ein, um sie der gefallenen Nachfrage anzupassen. Eine gedrosselte Produktion benötigt aber auch weniger Arbeitskräfte, daher wird zunächst Kurzarbeit eingeführt, später werden Arbeitskräfte entlassen. Mit der steigenden Arbeitslosigkeit nimmt die Kaufkraft noch weiter ab, und daher wird noch weniger gekauft.

      Teilweise halten sich die Haushalte mit ihrem Kauf zurück, weil sie auf weiter fallende Preise warten, teilweise fehlt wegen der Massenarbeitslosigkeit schlicht die erforderliche Kaufkraft, um den Konsum hochzuhalten. Der Teufelskreis aus fallender Nachfrage und fallender Produktion mit einer weiter um sich greifenden Arbeitslosigkeit schließt sich.

      Ziel einer sinnvollen Wirtschaftspolitik muss es daher sein, so viel