Im Reich des silbernen Löwen I. Karl May

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Название Im Reich des silbernen Löwen I
Автор произведения Karl May
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783746750132



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meine Rechnung kamen. Ich machte mir den Spaß, zu verschweigen, daß ich jener Emir Kara Ben Nemsi Effendi gewesen war, und fragte:

      »War jener deutsche Emir bei diesen Thaten zugegen gewesen?«

      »Ja. Er hatte sogar an ihnen teilgenommen und niemals einem Feinde den Rücken gezeigt. Die Hadeddihn verdanken es ihm, daß sie heut noch bestehen, denn er hat sie vor einer Niederlage bewahrt, welche ihren Untergang nach sich gezogen hätte. Auch ich halte ihn in besonderem Angedenken, weil ich ihm sehr zu Dank verpflichtet bin.«

      Das war mir neu. Ich wußte mit vollster Sicherheit, daß ich diesem Dschafar nie begegnet war, ihn nie gesehen und nie etwas von ihm gehört hatte, und er sollte mir Dank schulden? Ich mochte ihn wohl fragend anblicken, denn er fuhr fort:

      »Er hat nämlich einen Verwandten von mir vom Tode errettet, indem er ihm im Kampfe half. Dann begleitete er ihn nach Bagdad und stand ihm in allen Fährlichkeiten bei, was aber leider nicht verhinderte, daß dieser Verwandte doch später überfallen und ermordet wurde.«

      Wenn man im wilden Westen von Amerika einen persischen Mirza aus der Gefangenschaft der Indianer befreit, so ist das ein Ereignis, welches man gewiß ungewöhnlich nennen darf; wenn man aber von diesem Mirza hört, daß man vorher drüben am Tigris einen Verwandten von ihm vom Tode errettet hat, dann sagt das Wort »ungewöhnlich« jedenfalls noch zu wenig. Darum entriß mir, obwohl ich hatte schweigen wollen, die Ueberraschung die schnelle Frage:

      »Einen Verwandten von Euch? – – – im Kampfe beigestanden? – – – nach Bagdad begleitet? – – – doch noch ermordet worden? Meint Ihr etwa Hassan Ardschir-Mirza?«

      Jetzt war die Reihe, zu erstaunen, an ihm. Er hielt sein Pferd an, so daß auch ich stehen blieb, warf die Arme vor Verwunderung empor und rief aus:

      »Hassan Ardschir-Mirza, der entflohene Prinz! Ihr kennt diesen Namen! Allah thut noch heut die größten Wunder! Wo habt Ihr denn von ihm gehört?«

      »Gehört? Ich habe ihn gesehen!«

      »Gesehen?!«

      »Mit ihm gesprochen!«

      »Gesprochen – – –!«

      »Und an seiner Leiche gekniet, als mich schon die Pest in ihren grausigen Armen hatte!«

      »Leiche – – –! Pest – – –!«

      »Neben ihm lag Dschanah, sein Weib, sein Stolz, zu gleicher Zeit mit ihm ermordet!«

      Es war eine sonderbare Scene. Wir standen oder vielmehr hielten voreinander und schrieen uns diese Ausrufe zu, daß Perkins hätte denken mögen, wir seien beide verrückt geworden. Dschafars Augen starrten kugelrund auf mich herab; er hatte den Mund offen und rang nach Worten, die ihm nun versagt zu sein schienen. Da machte er eine große, würgende Anstrengung und brüllte förmlich mich an:

      »Dschanah, seine Seele, seine Perle! Die war es ja, durch welche ich verwandt mit ihm bin! O, Mr. Shatterhand, ich muß Euch fragen, ob ich träume oder mich im Fieber befinde. Ihr waret bei den Haddedihn?«

      »Ja.«

      »Als Hadschi Halef Omar noch nicht zu ihnen gehörte?«

      »Ja.«

      »Ihr waret dabei, als Mohammed Emin, ihr berühmter Scheik, starb?«

      »Ich habe ihn mit begraben, ihn der mir einst Rih, meinen herrlichen Rappen schenkte. Er starb ja, als wir Hassan Ardschir-Mirza im Kampfe gegen die Kurden beistanden.«

      »Das stimmt, das stimmt! Aber dann seid Ihr ja – – – seid Ihr – –«

      Er griff sich mit der Hand an die Stirne und fuhr dann fort:

      »Da müßt Ihr doch jener Emir Kara Ben Nemsi Effendi sein!«

      »Der bin ich allerdings. Mein Vorname Karl wurde in Kara verwandelt; Ben Nemsi bezeichnete meine Nationalität, und die andern Titel Emir und Effendi gab man mir ohne Examen und Verdienst.«

      Nun folgte eine ganze Menge von Fragen, die ich beantworten mußte, bis ich die Reihe derselben mit der Bemerkung abschnitt:

      »Das ist ein Zusammentreffen, welches man kaum für möglich halten sollte; aber wir wollen uns von unserm Erstaunen nicht länger hier halten lassen. Denken wir erst an die naheliegende Pflicht und dann, wenn diese erfüllt ist, an die Vergangenheit! Wollen uns beeilen, nach dem Regenbette zu kommen.«

      »Wie Ihr wollt, Sir; aber Ihr könnt es mir glauben, daß mir die Aufregung in alle Glieder gefahren ist. Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi Effendi sind Eins, sind dieselbe Person! Was werdet Ihr mir alles erzählen müssen!«

      »Und Ihr mir auch. Ich muß natürlich bis ins kleinste wissen, wo und wie Ihr meinen kleinen, treuen Hadschi Halef gefunden habt. Jetzt aber weiter! Kommt!«

      Wir setzten den aus einem so seltenen Grunde unterbrochenen Marsch fort; es wurde uns beiden schwer, zu schweigen; aber es war wirklich besser, wenn wir unsere Gedanken jetzt nur auf die Gegenwart und ihre Forderungen richteten. Was Perkins betrifft, so schien er von unserm Erstaunen angesteckt worden zu sein, denn er machte ein Gesicht, als ob in seiner Gegenwart der Sultan von Stambul über den Kaiser von China hinweggestolpert sei.

      Meine Vorhersagung bewahrheitete sich: ich verfehlte das Regenbette nicht; nach ungefähr einer Stunde sahen wir im Osten vor uns einen dunkeln Strich erscheinen, welcher Wald bedeutete. Notabene, das Regenbette lag nördlich von dem Beaver-Creek; wir hatten aber einen Umweg nach Westen gemacht und kamen also aus dieser Himmelsrichtung nach dem Regenbette. Der Grund dazu war der, daß die Comantschen, welche sehr wahrscheinlich die gerade, direkte Linie ritten, nicht auf Spuren von uns treffen sollten.

      Es muß gesagt werden, daß der Wald am Regenbette ein längliches Viereck bildete, welches keine bedeutende Fläche bedeckte. Siebzig Indianer konnten ihn recht gut in einer Stunde so genau durchsuchen, daß sie einen darin versteckten Menschen unbedingt finden mußten. Dazu kam der Umstand, daß wir die Stelle, an welcher die Comantschen lagern würden, nicht vorher wissen konnten. Wir mochten für uns wählen, welche Stelle wir wollten, so mußten wir gewärtig sein, daß sie grad auch zu derselben kommen würden. Und selbst wenn dies nicht der Fall war, so konnten wir durch irgend einen Umstand aufgefunden, vielleicht durch das Schnauben von Dschafars Pferd verraten werden. Denn dieses Tier hatte noch keinem Westmanne gehört, und jedes ungeschulte Pferd pflegt laut zu werden, wenn andere Pferde in seine Nähe kommen. Darum antwortete ich, als Perkins mich nach unserm Verstecke fragte:

      »Wir verstecken uns nicht, sondern bleiben auf dem freien, offenen Camp, wenigstens ihr beide.«

      »Aber da werden wir ja gesehen!«

      »Nein. Diese offene Lage ist das beste Versteck, welches es unter den heutigen Verhältnissen geben kann.«

      Er, der sich am liebsten ganz verkrochen hätte, wollte Einwände erheben; da ermahnte ihn Dschafar:

      »Widersprecht ihm nicht! Seit ich weiß, daß er Kara Ben Nemsi ist, bin ich überzeugt, daß er stets das Richtige trifft.«

      »Wenn auch nicht stets, sondern möglichst oft,« berichtigte ich sein Lob. »Wir halten gleich da an, wo wir uns jetzt befinden; das ist der geeignetste Punkt für uns.«

      »Warum der geeignetste?« fragte Perkins doch. »Ich bin auch Westmann und als Scout engagiert. Ich denke, daß ich ein Wort mit dreinzureden habe.«

      »Wenn ich es Euch erlaube! Ihr wißt ja, auf welche Weise wir uns kennen gelernt haben, und ich bitte, dies nicht zu vergessen. Dennoch will ich Euch meine Gründe sagen.«

      Während sie abstiegen und die Pferde anhobbelten, fuhr ich fort: »Der Wald ist klein, und die Comantschen zählen siebzig Krieger. Sie brauchen sich gar nicht sehr zu zerstreuen, um uns zu entdecken, zumal wir nicht wissen, an welcher Stelle sie lagern werden. Unsere Pferde machen Spuren, welche nicht verschwinden, bis die Roten kommen, und ein einziges Schnauben oder gar Wiehern kann uns sehr leicht das Leben kosten.«

      »Hm, das ist wahr,« gab er ängstlich zu.

      »Nehmt