Religionen – ausgedient und überflüssig. Josef Müller

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Название Religionen – ausgedient und überflüssig
Автор произведения Josef Müller
Жанр Философия
Серия
Издательство Философия
Год выпуска 0
isbn 9783737500111



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Kraft und Schnelligkeit ausgestattet, damit diese ihre bevorzugten Beutetiere fangen und fressen können. Und er hat prächtige Beutetiere mit ungeheurer Kraft und Schnelligkeit ausgestattet, damit diese ihren Fressfeinden entkommen können. In jedem Einzelfall kann aber immer nur eines der beiden Tiere überleben. Entweder verhungert das prächtige Raubtier, weil es das prächtige Beutetier nicht fangen konnte, oder das prächtige Beutetier wird gefressen, weil das prächtige Raubtier es doch erbeuten konnte. Die Frage ist nur: Auf welcher Seite steht Gott?

      Wie dem auch sei – unmittelbar nach der erfolgreich überstandenen Sintflut fordert Gott zur Krönung des Ganzen Noah auf, ihm ein Großteil der zuvor mühsam geretteten Tiere zum Dank für den glücklichen Ausgang der Rettungsaktion als Brandopfer darzubringen.

       Und Noah baute Jahwe einen Altar; und er nahm von allem reinen Vieh und von allem reinen Gevögel und opferte Brandopfer auf dem Altar. Und Jahwe roch den lieblichen Geruch [der brennenden Kadaver]. Und Gott segnete Noah und seine Söhne [wohlgemerkt: nur ihn und seine Söhne, nicht deren Frauen!] und sprach zu ihnen: „Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde.“ (1. Mose 8, 20-21; 9, 1)

      Mit folgerichtiger Logik, göttlicher Vernunft oder auch nur einigermaßen gesundem Menschenverstand hatte diese Vorgehensweise ja wohl kaum etwas zu tun. Zuerst verlangt Gott von Noah, für die Arterhaltung sämtlicher Tiere zu sorgen, und nachdem dies unter größten Strapazen gelungen war, lässt er von allen reinen Tieren mindestens ein Paar einfach verbrutzeln. Hätte er nicht gleich anordnen können, dass Noah von den koscheren Tieren nur jeweils sechs statt sieben Paare retten soll?

      Was soll`s – alle nicht geopferten Tiere wurden jedenfalls nach der glücklich überstandenen Sintflut zunächst in die wohlverdiente Freiheit entlassen. Der Haken war nur, die Arche strandete, wie nicht anders zu erwarten, auf der Bergspitze, die nach dem Rückgang des Hochwassers als Erste aus dem Wasser ragte. Dieser Gipfel gehörte zu dem im heutigen Anatolien gelegenen Berg Ararat und der ist immerhin majestätische 5.137 Meter hoch. Wie die Mitglieder der Familie Noah dort im ewigen Schnee und Eis ohne Sauerstoffgeräte überleben konnten, ist ein weiteres unerklärliches Phänomen.

       Und die Wasser nahmen gar sehr überhand auf der Erde, und es wurden bedeckt alle hohen Berge, die unter dem ganzen Himmel sind. Fünfzehn Ellen [ca. 6 ½ m] darüber nahmen die Wasser überhand, und die Berge wurden bedeckt. (1. Mose 7, 19-20)

      Da zu dieser vorchristlichen Zeit auch bereits der 8.848 Meter hohe Mount Everest, von dem Noah natürlich noch nie etwas gehört hatte, existierte, muss die gesamte Erde sogar mehr als achttausendachthundertvierundfünfzig Meter unter Wasser gestanden haben. Jetzt muss man allerdings wissen, dass die Temperatur auf dem Mount Everest auch im Juli, dem wärmsten Monat im Jahr, durchschnittlich nur minus 19°C beträgt und in den übrigen Monaten Spitzenwerte von bis zu minus 60°C erreicht werden. Bei diesen Temperaturen wäre die gesamte Wasserfläche, die sogar für den Mount Everest „Land unter“ bedeutet hätte, in kürzester Zeit zu einer mehrere kilometerdicken Eisfläche erstarrt. Da diese Eisfläche während der restlichen Existenzdauer unseres Planeten wohl nie mehr aufgetaut wäre, würde Noah und seine Familie mit Sicherheit noch heute und bis in alle Ewigkeit tiefgefroren und bestens konserviert in der Arche sitzen. Da sogar der gigantische Ararat noch ca. 3.700 Meter unter diesem Eismantel gelegen hätte, wäre es mit dem von Gott ersonnenen neuen Menschengeschlecht wohl nichts geworden.

      Wider jegliche Logik ist die Arche der Familie Noah nicht im Himalaya, sondern auf dem Ararat gestrandet. Aber auch in dieser, ebenfalls noch absolut menschenfeindlichen Höhe, mussten die Insassen sodann gezwungenermaßen sehr lange ausharren, denn das ehemalige Trockene bildete ja nunmehr den Grund eines unvorstellbar riesigen und mindestens fünftausend Meter tiefen Meeres. Aus diesem, die gesamte Erde bedeckenden gewaltigen Ozean, ragte zunächst nur der Gipfel des höchsten Berges (also der Ararat, weil der Mount Everest ja noch völlig unbekannt war) hervor, und auch dieser erst, nachdem die tobenden Wasser zurückgegangen waren.

      Jetzt fragt man sich aber: Wenn zum damaligen Zeitpunkt die Landmassen der gesamten Erde mindestens fünftausend Meter unter – seltsamerweise flüssigem – Wasser lagen, wohin ist dieses Wasser dann nach der Sintflut abgeflossen? Mangels irdischer oder auch außerplanetarischer Auffangbecken könnte logischerweise nur eine Verdunstung des Wassers den Konflikt gelöst haben. Was andererseits aber bedeuten würde, dass das Trockene in der vorher bekannten Form erst nach Jahrmillionen wieder aufgetaucht wäre. Dass die Familie Noah unter diesen Umständen trotzdem ein neues Menschengeschlecht hervorgebracht hat, verdient höchste Anerkennung. Irgendwie hatten sie, allen Naturgesetzen zum Trotz, mit der Hilfe Gottes sämtliche Barrikaden überwunden, denn die Wasser gingen erstaunlich schnell zurück – wohin auch immer.

       Und die Wasser hatten überhand auf der Erde hundertfünfzig Tage. Und Gott gedachte des Noah und allen Getieres und allen Viehes, das mit ihm in der Arche war; und Gott ließ einen Wind über die Erde fahren, und die Wasser sanken. Und im siebten Monat, am siebzehnten Tage des Monats, ruhte die Arche auf dem Gebirge Ararat. Und die Wasser nahmen fort und fort ab bis zum zehnten Monat; im zehnten Monat, am Ersten des Monats, wurden die Spitzen der Berge sichtbar. Und im zweiten Monat, am siebenundzwanzigsten Tage des Monats, war die Erde trocken. (1. Mose, 7, 24 – 1. Mose 8, 1, 4-5, 14)

      Den Kletteramateuren ist es sogar gelungen, aus dem eigentlich nur von bestausgerüsteten Extrembergsteigern zu bezwingenden Hochgebirge abzusteigen. Das gelang auch dem sechshundertjährigen Noah und seiner sicher nicht viel jüngeren Ehefrau. Da kann man nur tief beeindruckt und ergriffen konstatieren: Respekt!

      Die Abermillionen Tiere haben ebenfalls alle überlebt und sind wohlbehalten – die bereits beispielhaft erwähnten Schnecken wahrscheinlich erst nach etlichen Jahrzehnten – in der Ebene angekommen. Das gilt erstaunlicherweise auch für die wechselwarmen Kreaturen, die damals wohl konditionell besser drauf waren, als ihre aktuellen Nachkommen. Würde man heute zum Beispiel eine Eidechse in fünftausend Meter Höhe aussetzen, würde sie mit Sicherheit augenblicklich einen Kälteschock erleiden, tiefgefrieren und nie mehr auftauen.

       Die biblische Arche-Erzählung hält schon lange nicht mehr einem naturalistischen Kontext stand. Bereits im siebzehnten Jahrhundert wurde es notwendig, den neuen Kontinent Amerika mit seinen menschlichen und tierischen Bewohnern, sowie die neu entdeckten Kreaturen Asiens und Afrikas mit der wörtlichen Bibel-Interpretation zu vereinen. Weiterhin gab es Erklärungsbedarf für die Neuverteilung der Tierwelt, die sich ja nach der Sintflut zunächst auf einem Punkt konzentrierte. Dieses Dilemma hat die Kirche den Skeptikern wie folgt zu erklären versucht: Nach der Zerstörung des Turmes von Babel [davon später mehr] hat Gott die Menschen über die gesamte Erde vertrieben, wobei jedes Volk „seine“ Tiere mitnahm in eine neue Heimat. Diese abenteuerliche Darstellung wurde aber bereits im Jahr 1646 von Sir Thomas Browne klassisch gekontert, als er fragte: „Warum nahmen dann die Eingeborenen Nordamerikas Klapperschlangen mit, und keine Pferde?“

      Wie die glücklich und wohlbehalten im Tal angekommenen Tiere dort sodann auch weiterhin überleben konnten, ist wiederum nur durch ein Wunder zu erklären. Zwischen den Raubtieren und ihren potenziellen Beutetieren muss es wohl ein Friedensabkommen, also eine Art „Nichtangriffspakt“ gegeben haben, denn die Beutetiere, zumindest die, von denen es nur jeweils ein Paar gab, durften von den Raubtieren natürlich im Hinblick auf die Erhaltung der Art nicht gefressen werden. Andererseits hatten die Beutetiere sicher ebenfalls nichts zu lachen, da ihnen das „grüne Kraut“, das ja vollständig der Naturkatastrophe zum Opfer gefallen war, auch für sehr lange Zeit fehlte.

      Es ist wohl anzunehmen, dass zum Beispiel die eine oder andere Raubkatze unter Missachtung des Gebotes der Stunde trotzdem eine Antilope gerissen hat. Erstens, weil sie sonst verhungert wäre und zweitens, weil es ganz einfach ihrem Charakter entsprach. Die Vorstellung eines lammfrommen Löwen, der seine potenziellen Beutetiere trotz eines vor Hunger rebellierenden Magens gnädig verschont, ist einfach absurd. Viele Pflanzenfresser wiederum, die irgendwie den Raubkatzen entkommen konnten, werden andererseits mit höchster Wahrscheinlichkeit gleichfalls dem fehlenden Nahrungsangebot zum Opfer gefallen sein. Sie hätten natürlich alles gefundene Grünzeug fressen