Auf fremden Pfaden. Karl May

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Название Auf fremden Pfaden
Автор произведения Karl May
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783746750170



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der mit dieser Frage der Neugierde aller zu Hilfe kam.

      Der Alte schwieg eine Weile, dann antwortete er:

      »Fragt mich nicht. Später werdet ihr es erfahren!«

      Diesem Befehle mußte Gehorsam geleistet werden, obgleich ich nicht begreifen konnte, warum er die erbetene Auskunft verweigerte, zu der wir uns durch seine Rettung doch wohl eine hinreichende Berechtigung erworben hatten. Er seinerseits begehrte nun zu wissen, wie die Bärenjagd abgelaufen sei und welcher Umstand uns zu seiner Hilfe herbeigerufen habe. Er vernahm unseren Bericht und kaum erfuhr er, daß der Aufbruch des Bären sich noch immer im heißen Wasser des Kessels befinde, so gebot er, die Nipeh herzunehmen und das leckere Mahl sogleich zu beginnen.

      Mutter Snjära stach die Eingeweidestücke aus dem Kessel und legte sie in ihren Lederschoß, dessen matter Glanz erraten ließ, was alles darin bereits ab-, auf- und ausgewischt worden sei. Dort wurden sie zerteilt, und männlich, weiblich und – hündlich hatte nun die Erlaubnis, sich wegzunehmen, was ihm beliebte.

      Was mich betraf, so hatte ich das Glück, von der schönen Marja bedient zu werden. Sie war die älteste Tochter Pents, zählte vielleicht dreiundzwanzig Jahre und schien mich während meines vierzehntägigen Aufenthaltes in ihrer Hütte bereits sehr freundlich in ihr Herz geschlossen zu haben. Sie reichte mir gerade bis unter die Arme, hatte zwei Pfund Fett in ihren Zöpfen und dreißig Quadratzoll Pechsalbe auf ihren Wangen; ihre Lippen lächelten zwölf Centimeter breit; ihr Näschen glich einer Haselnuß, und ihre Äuglein hatten sich infolge des immerwährenden Schneeblendens ein Spitzmausblinzeln angewöhnt, welches auf mein unbewachtes Herz einen durch Logarithmen nicht ganz genau zu berechnenden Eindruck machte.

      Sie zerzupfte die besten Stückchen, welche sie für mich aus den Zähnen der Hunde erwischen konnte, mit ihren dikken Teer-Rosen-Fingerchen und steckte sie mir in den sich vergeblich »nach rückwärts konzentrierenden« Mund. Die Eltern sahen dieser gastfreundlichen Schelmerei mit Wohlbehagen zu, und ich konnte mich diesem zutraulichen Ausgestopftwerden nur dadurch entziehen, daß ich mich erhob und für kurze Zeit vor die Hütte ging, um meiner Digestionsorgane wieder Herr zu werden.

      Als ich wieder eintrat, fiel mir ein himmlisches Lächeln auf, welches mit einer Wärme von siebzig Grad Réaumur auf den Gesichtern thronte. Sofort ward ich mir meiner Unvorsichtigkeit bewußt, langte nach meiner Flasche und hielt sie gegen die Flamme – sie war leer, »bom bosch« würde der Türke sagen – »ganz leer«; die braven Lappen und Lappinnen hatten sich mit meiner Tinktur die Magen von innen eingerieben!

      Ich verspürte große Lust, sie tüchtig auszuzanken, mußte aber dennoch lachen, als der alte Pent seine Entschuldigung vorbrachte:

      »Härra, du wirst doch nicht schelten? Wir haben von dem Bären gegessen und schmeckten es, daß er krank gewesen ist; darum haben wir ein wenig von deiner Medizin genommen, die alle Krankheiten heilt. Für meinen Kopf ist sie nicht mehr nötig, denn der Schmerz ist fort, und ich bin gesund!«

      Ich hielt ihm die leere Flasche hin.

      »Hast du die Medizin genommen, so nimm auch die Flasche. Ich schenke sie dir!«

      Mit diesem Geschenke richtete ich eine große Freude an, denn ein Glas oder eine Flasche ist in der Haushaltung eines Lappen eine kostbare Seltenheit. Darum meinte er sehr fröhlich:

      »Härratjam, du bist ein sehr berühmter und gütiger Doktor, und mit dir ist ein großer Segen in meine Hütte gekommen. Du hast uns, als du kamst, drei Flaschen Spanska win mitgebracht, der unser Herz erleichterte, aber deine Medizin schmeckt noch besser. Hättest du doch mehr von ihr! Nun aber bin ich müde. Willst du dich wieder mit mir schlafen legen? Wenn wir erwachen, sollst du mich auf den Fjäll begleiten, denn ich habe etwas Wichtiges mit dir zu sprechen.«

      Die letzten Stunden hatten uns alle mehr oder weniger ermüdet, und so wurde seinem Vorschlage Beifall gespendet. Man verschloß den Rauchfang, welcher wieder geöffnet worden war, von neuem und bald war die beneidenswerte Situation, aus welcher uns der Bär gerissen hatte, wieder hergestellt.

      Der Mensch, und besonders der Reisende, gewöhnt sich bald an alles, und so schlief ich ganz glücklich ein und erwachte nicht eher wieder, als bis die holde Marja beim Wiederanfachen des Feuers meine langen Pelzstiefel näher zog, um sich ihrer als Schemel zu bedienen, obgleich zufälligerweise meine beiden Beine darin steckten. Ich hielt den Druck ihrer kleinen Person geduldig aus, bis sie fertig war und mir in anerkennungswerter Aufmerksamkeit meine ausgestreckten Kniee wieder an den Leib geschoben hatte. Dann erhob ich mich behaglich in sitzende Stellung, um zuzusehen, wie die Morgensuppe zubereitet wurde.

      Als erste Ingredienz zu derselben diente natürlich der Absud, welcher vom Kochen des Bäreneingeweides im Kessel zurückgeblieben war. Dazu kamen Stücke geronnenen Blutes, zerbrockter Rentierkäse, welcher ungefähr so schmeckt, wie ein altes, hörnernes Spieldosengehäuse schmecken würde, wenn man es kauen wollte, sodann eine Portion Sick, welche ihre Anwesenheit durch einen mehr als zudringlichen Geruch zu erkennen gab, einige Hände voll Bläbär, etwas Salz, welches es nur darum geben konnte, weil Vater Pent ein reicher Mann war, eine kleine Gabe Mehl, welches aber trockenen Sägespänen ähnlich sah, und zuletzt noch das, ich weiß nicht auf welche Weise gereinigte, Gedärme des Bären, natürlich in Stücke zerschnitten und zerrissen, deren Purifikation von sehr zweifelhafter Natur zu sein schien.

      Anstatt an diesem Mahle mich zu beteiligen, zog ich es vor, mir ein Stück Rentierfleisch auszubitten, welcher Wunsch auch herzlich gern befriedigt wurde, da man froh zu sein schien, meinen Suppenanteil mit verzehren zu können.

      Nach diesem Frühstücke, welches eigentlich kein Frühstück genannt werden konnte, da wir jetzt die monatelange Winternacht des Nordens hatten, ersuchte mich Vater Pent, ihm in das Freie zu folgen. Wir nahmen unsere Spieße und Flinten zu uns und fuhren mit den Füßen in die Schneeschuhe. Er führte mich ganz denselben Weg, auf welchem wir gestern dem Bären gefolgt waren. Dies ließ mich vermuten, daß die angedeutete Unterredung sich auf sein letztes, unglückliches Abenteuer beziehen werde, doch glitt er schweigend voran und sprach nicht eher ein Wort, als bis er droben im Walde den Punkt erreichte, an welchem er sich von uns getrennt hatte.

      »Piejo, Härra ... setze dich, Herr!« sagte er, indem er sich selbst in den weichen Schnee niederließ. »Ich werde mit dir über eine Sache reden, von welcher niemand etwas wissen darf.«

      Ich nahm an seiner Seite Platz, und die Hunde, ohne welche kein Lappe seine Hütte verläßt, legten sich vor uns nieder. Selbst der Gast bekommt, wenn er längere Zeit bei ihnen bleibt, einen dieser treuen, immerwährenden Begleiter zugeteilt. Der Alte blickte eine Weile vor sich nieder; er schien nach dem rechten Eingang zu suchen, und ich hütete mich, sein Nachdenken durch ein Wort zu unterbrechen. Endlich begann er:

      »Härra, du kannst schweigen?«

      »Ja,« antwortete ich einfach.

      »Und du wirst auch schweigen?« »Ja.«

      »Ich glaube es dir, denn ich habe dich beobachtet und kann dir vertrauen. Willst du mir einen Dieb fangen?«

      »Einen Dieb – –? Ich – –?« frug ich verwundert.

      »Ja, du! Wenn bei uns eine böse That geschehen ist, so sendet der Konoks seine Soldaten her, welche den Thäter suchen müssen; aber es vergeht eine sehr lange Zeit, ehe sie die weite Reise beenden, und dann ist er bereits längst nach Norje verschwunden, wohin sie ihm nicht folgen dürfen. Auch sind diese Männer selten klug genug, um einen Samelats[1] zu fangen, der die Gegend besser kennt, als sie.«

      »Bist du bestohlen worden?« fragte ich.

      Sein sonst so freundliches Gesicht nahm einen ganz grimmigen Ausdruck an.

      »Ja.« antwortete er mit einem wilden Blicke seiner kleinen, zwinkernden Äuglein.

      »Von wem?« »Ich weiß es nicht.« »Hast du Verdacht?« »Nein.« »Es ist keiner deiner Dienstboten?« »Nein.« »Was ist es, was dir gestohlen worden ist? ein Rentier?«

      »O, Härra, wie könnte ich wissen, ob mir ein Ren gestohlen worden sei! Ich habe über tausend Stück, von denen sich oft eins verläuft. Und ein