Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke. Hans Christian Andersen

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Название Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke
Автор произведения Hans Christian Andersen
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783746750194



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Thier,« sagte er, »wie habe ich mich nach Dir gesehnt! Wir müssen in dieser Nacht einen Ritt machen!«

      Das Metallschwein lag unbeweglich, und die frische Quelle sprudelte ihm aus dem Rüssel. Der Kleine saß als Reiter auf ihm, da zupfte ihn Etwas an den Kleidern; er blickte zur Seite, Bellissima, die kleine kahlgeschorene Bellissima bellte, als wollte sie sagen: Siehst Du, ich bin auch da, weshalb setzest Du Dich hier her? – Kein feuriger Drache hätte den Knaben so erschrecken können als der kleine Hund an diesem Orte. Bellissima auf der Straße, und zwar ohne angekleidet zu sein, wie die alte Mutter es nannte! Was sollte daraus werden? Der Hund kam im Winter nur heraus, nachdem ihm zuvor ein kleines Lammfell übergezogen worden, welches für ihn zugeschnitten und genähet war. Das Fell, mit Schleifen und Schellen geschmückt, konnte mit einem rothen Bande um den Hals und unter dem Bauche festgebunden werden. Der Hund sah aus wie ein Zicklein, wenn er zur Winterzeit in diesem Anzüge Erlaubniß erhielt, mit Signora auszutrippeln. Bellissima war draußen und nicht angekleidet; was sollte daraus werden! Alle Phantasien waren verschwunden, doch küßte der Knabe das Metallschwein und nahm Bellissima auf den Arm; das Thier zitterte vor Kälte, daher lief der Knabe so schnell er vermochte.

      »Mit was läufst Du da?« riefen zwei Polizeisoldaten, denen er begegnete und welche Belissima anbellte. »Wo hast Du den hübschen Hund gestohlen?« fragten sie, und nahmen ihm denselben weg.

      »O, gebt mir ihn wieder!« jammerte der Knabe.

      »Hast Du ihn nicht gestohlen, so magst Du zu Hause sagen, daß der Hund auf der Wache abgeholt werden könne!« Sie nannten den Ort und gingen mit Belissima fort.

      Das war ein großer Jammer. Der Knabe wußte nicht, ob er in den Arno springen, oder nach Hause gehen und Alles gestehen sollte; sie würden ihn gewiß todtschlagen, dachte er. – »Aber ich will gern todtgeschlagen sein, ich will sterben, so gelange ich zu Jesus und der Madonna!« Und er ging heim, hauptsächlich um todtgeschlagen zu werden.

      Die Thür war verschlossen, er konnte den Klopfer nicht erreichen, Niemand war auf der Straße, aber ein Stein lag da, und mit diesem donnerte er gegen die Thür. »Wer ist da?« rief es drinnen. –

      »Ich bin's!« sagte er. » Belissima ist fort! Macht mir auf und schlagt mich dann todt!«

      Es verbreitete sich ein Schrecken, besonders bei der Madame wegen der armen Belissima. Sie blickte sogleich auf die Wand, wo des Hundes Anzug zu hängen pflegte, das kleine Lammfell hing dort.

      » Belissima auf der Wache!« rief sie ganz laut. »Du böses Kind! Wie hast Du sie hinausgelockt? Sie erfriert! Das zarte Thier bei den rohen Soldaten!« –

      Der Vater mußte sogleich fort, – die Frau jammerte, der Knabe weinte. – Alle Hausgenossen kamen zusammen, unter diesen der Maler; er nahm den Knaben zwischen seine Kniee, fragte ihn aus, und in Bruchstücken erhielt er die ganze Geschichte von dem Metallschweine und der Galerie – sie war ziemlich unverständlich. Der Maler tröstete den Kleinen, versuchte die Alte zu besänftigen, aber sie gab sich nicht zufrieden, bis der Vater mit Belissima ankam, welche unter den Soldaten gewesen; das war eine Freude, der Maler liebkoste den Knaben und gab ihm eine Handvoll Bilder.

      O, das waren herrliche Stücke, komische Köpfe! Und wahrlich – das Metallschwein war leibhaftig selbst darunter. O, nichts konnte herrlicher sein! Durch ein Paar Striche stand es auf dem Papiere, und selbst das dahinter stehende Haus war angegeben.

      Wer doch zeichnen und malen könnte, der könnte die ganze Welt um sich versammeln!

      In dem ersten einsamen Augenblicke des folgenden Tages ergriff der Kleine den Bleistift, und auf der weißen Seite eines der Bilder versuchte er die Zeichnung des Metallschweines wiederzugeben; sie gelang; – etwas schief zwar, etwas auf und ab, ein Bein dick, ein anderes dünn, aber es war doch zu erkennen, er jubelte selbst darüber. – Der Bleistift wollte nur nicht so recht gerade gehen wie er sollte, das bemerkte er wohl; am folgenden Tage stand wieder ein Metallschwein an der Seite des andern, und das war hundert Mal besser; das dritte war schon so gut, daß Jeder es erkennen konnte.

      Aber es ging schlecht mit dem Handschuhnähen, langsam mit den Bestellungen in der Stadt, denn das Metallschwein hatte ihn gelehrt, daß alle Bilder auf das Papier gebracht werden können, und die Stadt Florenz, ist ein Bilderbuch, wenn man darin blättern will. Auf der piazza del Trinità steht eine schlanke Säule und oben darauf die Göttin der Gerechtigkeit, mit verbundenen Augen und der Wagschale in der Hand. Bald stand sie auf dem Papiere, und es war der kleine Bursche des Handschuhmachers, der sie dahingestellt. Die Bildersammlung wuchs, aber noch enthielt sie nur Zeichnungen von leblosen Gegenständen; da hüpfte eines Tages Bellissima vor ihm her. »Steh still!« sagte er, »dann sollst Du schon werden und in meine Bildersammlung kommen!« Aber Bellissima wollte nicht still stehen, sie mußte festgebunden werden; Kopf und Schwanz wurden gebunden, sie bellte und machte Sprünge, die Schnur mußte straff gespannt werden; da kam Signora.

      »Du gottloser Knabe! Das arme Thier!« war Alles, was sie hervorbringen konnte, sie stieß den Knaben zur Seite, stieß ihn mit dem Fuße, verwies ihn aus ihrem Hause, ihn, der der undankbarste Taugenichts, das gottloseste Kind war, und weinend küßte sie ihre kleine halberwürgte Bellissima.

      In demselben Augenblicke kam der Maler die Treppe herauf und – hier ist der Wendepunkt der Geschichte.

      Im Jahre 1834 war in Florenz in der Academia delle arti eine Ausstellung. Zwei neben einander aufgestellte Gemälde versammelten eine Menge Zuschauer. Auf dem kleinsten war ein kleiner lustiger Knabe vorgestellt, welcher saß und zeichnete, zum Modell hatte er einen kleinen, weißen, eigenthümlich geschornen Spitz; aber das Thier wollte nicht still stehen und war daher mit Bindfaden sowohl am Kopfe wie am Schwanze festgebunden; es war Leben darin und eine Wahrheit, die Jeden ansprechen mußte. Der Maler, erzählte man, sei ein junger Florentiner, der als Kind auf der Straße gefunden, von einem alten Handschuhmacher erzogen worden sei und durch sich selbst das Zeichnen gelernt habe. Ein jetzt berühmter Maler habe dieses Talent entdeckt, als der Knabe einmal fortgejagt werden sollte, weil er der Madame Liebling, den kleinen Spitz, gebunden und zum Modell genommen hatte.

Illustration: Hutschenreuter/Petersen

      Der Handschuhmacherbursche war ein großer Maler geworden, das zeigte dieses Bild, das zeigte besonders das größere daneben. Hier war nur eine einzige Figur, ein in Lumpen gekleideter, aber schöner Knabe, welcher schlafend auf der Straße saß, er lehnte sich an das Metallschwein in der Straße porta rosa. Alle Beschauer kannten die Stelle. Des Kindes Arme ruhten auf dem Kopfe des Schweines; der Kleine schlief so fest, die Lampe vor dem Madonnenbilde warf ein starkes, effectvolles Licht auf das blasse, herrliche Gesicht des Kindes. – Es war ein wunderschönes Gemälde; ein großer, vergoldeter Rahmen umgab es, an die Ecken desselben war ein Lorbeerkranz gehängt, aber zwischen den grünen Blättern schlängelte sich ein schwarzes Band, ein langer Trauerflor hing davon herab. – Der junge Künstler war in diesen Tagen – gestorben!

      Man hätte glauben sollen, daß in dem Ententeiche etwas Wichtiges vorgehe; aber es ging nichts vor. Alle Enten, die in ihrer Ruhe auf dem Wasser lagen oder auf dem Kopfe darin standen – denn das konnten sie – schwammen auf einmal nach dem Ufer; man sah in der nassen Erde die Spuren ihrer Füße und hörte weit und breit ihr Geschnatter. Das Wasser, vor Kurzem blank und glatt wie ein Spiegel, kam sehr in Bewegung. Zuvor hatte man darin jeden Baum, jeden Busch in der Nähe, das alte Bauernhaus mit den Löchern im Dache und dem Schwalbennest, besonders aber den großen, mit Blumen gleichsam besäeten Rosenstrauch gesehen; er bedeckte die Mauer und hing über das Wasser hinaus, in welchem man das Ganze wie auf einem Gemälde erblickte, nur daß Alles auf dem Kopfe stand; als aber das Wasser in Bewegung kam, schwamm Alles in einander und das Bild war fort. Zwei Federn, welche die aufflatternden Enten verloren hatten, schaukelten hin und her; auf einmal nahmen sie einen Anlauf, als ob der Wind käme; der kam aber nicht; sie mußten daher liegen bleiben, und das Wasser wurde wieder ruhig und glatt. Die Rosen spiegelten sich wieder ab; sie waren wunderschön, wußten es aber selbst nicht, denn Niemand hatte